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Hochschulgewerkschaft
Aufruhr im Unterbau

Viele Hochschulangehörige schlagen sich mit kurzen Zeitverträgen herum. Das will die neue links-alternative Hochschulgewerkschaft "Unterbau" an der Goethe-Uni Frankfurt am Main ändern. Dafür will sie mit dem DGB kooperieren, kann sich eine Mitgliedschaft aber nicht vorstellen.

Von Ludger Fittkau | 21.11.2016
    Formeln stehen auf einer schlecht gewischten Tafel am 29.10.2012 in Berlin in einer Vorlesung "Mathematik für Chemiker" im Walter-Nernst-Haus auf dem Campus Adlershof der Humboldt-Universität.
    Die neue Gewerkschaft "Unterbau" will sich für bessere Arbeitsbedingungen für Hochschulangehörige einsetzen. (picture-allicance / dpa / Jens Kalaene)
    Der Anspruch ist alles andere als bescheiden. "Die Uni von morgen aufbauen". So ist der Reader überschrieben, den die rund 150 Gründerinnen und Gründer der neuen Gewerkschaft "Unterbau" am Wochenende als Kongressunterlage bekommen haben. Ganz hinten im Reader sind auch die Partituren und Texte zweier kämpferischer Lieder abgedruckt: Brechts "Solidaritätslied" sowie "Die Arbeiter von Wien", ein Lied, das sich 1927 gegen den aufziehenden Faschismus richtete. Die neue Hochschul-Gewerkschaft "Unterbau" versteht sich ganz bewusst als linke Gewerkschaft, die anarchistischen Traditionen näher steht als der Sozialdemokratie. Mitglied im DGB zu werden - das kann sich Unterbau-Sprecher Manuel Müller beim Gründungskongress in Frankfurt am Main deshalb nicht so recht vorstellen:
    "Das kann ich mir persönlich nicht vorstellen und ich glaube auch, der Rest von uns kann sich das nicht unbedingt vorstellen. Weil wir dann doch einen ganz anderen Ansatz haben."
    Ziel: Uni-Mitarbeiter besser absichern
    "Unterbau" will basisdemokratischer uns kämpferischer sein als etwa die DGB-Gewerkschaften GEW und ver.di, die ebenfalls an den Hochschulen aktiv sind. Doch man will sich im kommenden Jahr an der Goethe-Universität Frankfurt am Main auch in die Tarifverhandlungen einschalten. Ein erstes Ziel: Zeitverträge mit extrem kurzer Laufzeit für studentische und wissenschaftliche Mitarbeiter verbessern, um zu längerfristiger Absicherung zu gelangen. Studentin Conny Pretz ist eine der ersten Unterbau-GewerkschaftssekretärInnen:
    "Natürlich macht die Studierendenplattform den Großteil der Mitgliederzahl aus. Aber jetzt im Vorfeld des Gründungskongresses haben wir auch viele promovierende HilfswissenschaftlerInnen dazubekommen, die das mitbekommen haben und die sich auch einfach der Sache angenommen haben."
    Im nächsten Schritt wolle man nun verstärkt auf die administrativ-technischen Mitarbeiter der Hochschule zugehen. Außerdem will "Unterbau" das Out-Sourcing von Dienstleitungen wie Reinigungsarbeiten stoppen und damit die besonders prekären Arbeitsbedingungen von Subunternehmen gegenüber der Uni-Leitung in Frankfurt am Main zum Thema machen. Diese hat sich bisher noch nicht zu der neu gegründeten Gewerkschaft geäußert.
    Mitglieder haben viel zu tun
    Manuell Müller - Sprecher der neuen Gewerkschaft - hofft, dass die engagierten "Unterbauer" die teilweise parallel auch in Uni-Gremien aktiv sind, die Mehrfachbelastung durch das zusätzliche Engagement gestemmt kriegen- denn Studieren muss man ja auch ab zu mal:
    "Ja, das ist zum Teil schwierig, ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung sagen. Ich bin noch auf einer Liste im Studierendenparlament und auch im Fachbereichsrat bei uns im Fachbereich 16. Und der Unterbau ist auch noch ein Projekt, das viel Zeit in Anspruch nimmt und wie sie schon gesagt haben, studieren muss man ja auch noch ab und zu mal. Aber ich glaube, wenn man das gut organisiert, dann ist das auch etwas, was man ganz gut auf die Beine stellen kann. Wenn man so den Anspruch hat und ein politischer Mensch ist, dann macht es ja irgendwo auch Spaß."
    In Tarifverhandlungen einsteigen
    Zunächst will sich die neue Gewerkschaft auf die Goethe-Universität Frankfurt am Main beschränken. Eines der Hauptziele "ist der Abschluss möglichst günstiger Tarifverträge auf der Grundlage des Tarifvertragsgesetzes", heißt es in der am Wochenende beschlossenen Satzung. Dazu will man sich schon im kommenden Jahr in die an der Uni anstehenden Tarifverhandlungen einschalten - auch in Kooperation mit den DGB-Gewerkschaften. Gewerkschaftssekretärin Conny Pretz:
    "Wir werden im kommenden Frühjahr wie gesagt in die Tarifverhandlungen mit einsteigen. Wir werden uns definitiv in die Streikreihe auch einreihen, wenn es soweit kommt. Wir werden versuchen, direkte Aktionen an der Uni anzuleiten zur Anwesenheitspflicht, zum Anmeldeverfahren. Wir werden versuchen, direkt vor Ort zu sein, sodass die Leute an der Hochschule unsere Gesichter kennen. Ich glaube, diese kleinen direkten Aktionen werden im nächsten Jahr wichtig sein, damit wir auch weiter vorankommen."