Der Status quo der slowakischen Hochschullandschaft wandelt sich rasant seit der Wende, wie der politische Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten auch in der Slowakei genannt wird. Und dieser Wandel an den Hochschulen ist noch lange nicht abgeschlossen.
Go west ! Für viele junge Slowaken ist der Westen das Ziel ihrer Träume. Dieser "Westen" beginnt direkt hinter der slowakischen Grenze. Die slowakische Hauptstadt Bratislava an der Donau grenzt direkt an Österreich, von Bratislava bis Wien sind es gerade mal knapp 60 Kilometer. "Westen" ist auch auf der Landkarte etwas weiter oben, in Deutschland. Wer dorthin kommen will, muss die Hürden der Einwanderungsbestimmungen nehmen und muss ziemlich viel Geld mitbringen, denn die Lebenshaltungskosten sind natürlich viel höher als in der Slowakei. Die eigentliche Eintrittskarte für "diesen Westen" ist aber die deutsche Sprache. Viele Jugendliche lernen Deutsch aber schon in der Grundschule, und deutsche TV-Sender empfängt man auch ganz gut.
Ausländer können sich in der Slowakei zurechtfinden, ohne ein Wort slowakisch zu beherrschen: Die meisten Slowaken sprechen mindestens eine Fremdsprache, angefangen bei tschechisch, polnisch, ungarisch, russisch, deutsch oder englisch. Deutsch als Fremdsprache wurde auch während des kalten Krieges gelehrt: Die Sprache der Brüder und Schwestern aus der DDR war politisch korrekt. Weniger korrekt war englisch. Die Sprache, die vor allem mit dem großen Bruder ganz im Westen - den USA - in Verbindung gebracht wird, setzt sich erst seit der Wende als wichtigste Fremdsprache für junge Slowaken durch, sagt Juraj Sinay, Rektor der Technischen Universität Kosice.
Es ist auch verständlich nach so einer Wende, dass sich die jungen Leute in einer anderen Kultur orientieren als früher. Wir haben in einem Land gelebt, in dem alles, was aus dem Osten, aus Moskau kam, als das beste vorgestellt wurde. In der Kultur war das Russische Pflicht an jeder Schule, die Kunst, die aus Russland kam, war die beste. Überall hat man russische Filme gesehen, überall war die russische Technik die beste Technik. Dann kam eine zeit, wo es sich plötzlich von 0 auf 1 änderte, dann war alles, was aus Amerika kam, das beste. Jeder, der sich weiterbilden wollte, musste nach Amerika, jeder, der sich entwickeln wollte, ging nach Amerika. Dadurch hat sich eine Kultur des Amerikanismus entwickelt. Was die Sprache anbelangt, ist unbestritten Englisch die Weltsprache, die Frage ist, ob es auch in Europa so sein muss.
Anderseits hängt das große Interesse an der englischen Sprache sicher auch damit zusammen, dass große Investoren aus den USA Arbeitnehmer mit Englisch-Kenntnissen bevorzugen - wie der Stahlgigant US-Steel, Pittsburgh, der seit drei Jahren mit 16.000 Arbeitern und Angestellten der größte Arbeitgeber in der Ostslowakei ist.
Ergebnis dieser Entwicklung nach der Wende ist, dass heute 80 Prozent aller Schüler Englisch lernen und nur noch etwa ein Drittel Deutsch. Daher haben verschiedene deutsche Institutionen ihre Bemühungen verstärkt, deutsche Sprache und Kultur ins Land zu bringen: Und deshalb ist auch Gabi Bauer in Banska Bystrica, mitten im Herzen der Slowakei:
Ich leite hier das Fortbildungszentrum, ein neues Modellprojekt der Robert-Bosch-Stiftung, das sie zusammen mit dem Goethe-Institut finanziert. Es gibt zwei dieser regionalen Fortbildungszentren, in Banska und in Kosice. Die Idee dahinter ist der kulturelle Austausch mit Deutschland beziehungsweise Österreich und der Schweiz, denn wir sind hier für alle deutschsprachigen Länder. Deswegen diese beiden Zentren hier, die seit September 2002 bestehen. Sie sind deswegen in Banska und Kosice, weil es hier bereits diese dt. Lesesäle gibt, die vom Goethe-Institut bestückt werden.
Zu den Aufgaben von Gabi Bauer und ihren Kollegen vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD, gehört es auch, deutsche Kultur bekannt zu machen. Zum Beispiel mit dem "Internationalen Festival des deutschsprachigen Studententheaters", das in diesem Jahr im April Banska Bystrica stattgefunden hat.
Letztes Jahr hat es in Brünn in Tschechien stattgefunden. Die Idee ist, dass das Festival weiterwandert, von Jahr zu Jahr in eine anderes Land, wo sich dann einmal im Jahr die Germanistik-Studenten treffen, um ihre Stücke darzubieten.
Die Reaktionen auf die Arbeit der deutschen und österreichischen Lektoren seien durchweg positiv, sagt Sylvia Kovacova. Sie leitet die Bibliothek des Goethe-Instituts in Bratislava und hält Kontakt zu den Ablegern der deutschen Lesesäle in Banska Bystrica und Kosice, der zweitgrößten slowakischen Stadt ganz im Osten der Slowakei.
Seit September vorigen Jahres haben wir an diesen Lesesälen mit Hilfe der Robert Bosch Stiftung aus Stuttgart regionale Fortbildungsstätten eingerichtet. An den Bibliotheken und an Zentren arbeiten Muttersprachler, deutsche Lektoren, die von der Stiftung ausgewählt werden und dann für zwei Jahre ins Ausland geschickt werden. Sie sollen als Muttersprachler behilflich sein, sie bieten Konsultationen, sie schulen die Deutschlehrer vor Ort. Wir sind in dieser Hinsicht noch ziemlich am Anfang, aber die ersten Listen die sie uns geschickt haben und die ersten Veranstaltungen zeigen, dass sich dieses Projekt wahrscheinlich bewährt hat. Und dass wir in dieser Hinsicht so weiter machen möchten.
Auch die Zahlen der Nutzer der Bibliotheken und Lesesäle zeige, dass sich das Konzept bewähre, sagt Sylvia Kovacova:
Die Tendenz ist steigend, von Jahr zu Jahr sieht man, wie die Ausleihzahlen und die Anzahl der Nutzer steigen.
[Autorin: Birgit Becker]