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Hochschulmedizin am Hungertuch

Den deutschen Universitätskliniken fehlt es an Geld. Das ist das Kernergebnis einer Trendumfrage, mit dem der Verband der Universitätsklinika die Lage an den hochschulmedizinischen Häusern untersucht hat.

Von Verena Kemna | 17.08.2011
    Die Vorstände von 28 der insgesamt 32 deutschen Universitätsklinika haben sich an der Trendumfrage des Verbands der Universitätsklinika, kurz, VUD, beteiligt. Fast alle beklagen vor allem Finanzierungsprobleme. Verbandsvorsitzender Rüdiger Siewert erklärt:

    "Ganz viele Dinge Neubauten, Großgeräte mussten zurückgestellt werden, weil die Länder ihren Verpflichtungen da nicht nachkommen können."

    Es fehlt an Geld, um in neue Klinikgebäude, Labore und Forschungseinrichtungen zu investieren. So liege die durchschnittliche Investitionsquote der Uniklinika bei nicht einmal acht Prozent, notwendig wären nach Ansicht des VUD mindestens zwölf Prozent. Jede dritte der befragten Kliniken gibt an, dass dringende Investitionen von bis zu 100 Millionen Euro nicht umgesetzt werden können. Dazu kommt, dass gerade die Universitätskliniken immer häufiger bei besonders schweren und seltenen Krankheiten gefordert sind. Doch die Fallpauschalen für derartige Extremkostenfälle reichen nicht aus, meint Rüdiger Siewert.

    "Also klassische Beispiele sind polytraumatisierte Patienten, wo man schwer einschätzen kann, wie einzelne Verläufe sein werden. Etwas anderes sind große onkologische Eingriffe. Terminale Herzinsuffizienz ist so ein Problem, wo man über Bridgetechniken warten muss, bis man ein neues Herz bekommt. Das sind dann alles Patienten, die sehr lange auf Wachstation liegen, sehr lange beatmet werden müssen und die sind nicht kostendeckend abgebildet."

    Patienten mit derart schweren Erkrankungen könnten an einem Klinikstandort leicht zu einem wirtschaftlichen Defizit von bis zu 10 Millionen Euro im Jahr führen. Unter der finanziellen Schieflage leiden auch Forschung und Lehre, eigentlich Kernkompetenzen einer jeden Universitätsklinik. Einen Weg aus der Misere könnten verschiedene Privatisierungsmodelle sein. Ob etwa das Beispiel Hessen Schule macht, ist ungewiss. Dort hat vor fünf Jahren die Rhön-Klinikum AG als einer der größten privaten Krankenhausbetreiber in Deutschland, das Universitätsklinikum Gießen-Marburg übernommen. Nur so konnte das Land Hessen einen Investitionsstau von mindestens 200 Millionen Euro abwenden. Seit der Privatisierung wirbt das Universitätsklinikum mit einer klaren Aufgabenverteilung. Dort heißt es, dass für Forschung und Lehre ausschließlich die Universitäten verantwortlich seien. Eine Bilanz sei frühestens in einigen Jahren möglich. Die meisten Vorstände der befragten Uniklinika halten von solchen Modellen wenig.

    "Das ist auch der Grund, warum die Universitätskliniken im Prinzip der Privatisierung ängstlich gegenüber sind, dennoch wird dieser Investitionsstau irgendwann nur über Privatisierung zu lösen sein. Es gibt ja viele Kandidaten, die da auf dem Markt sind."

    Angesichts der prekären Finanzlage fordert er, dass die Bundesförderung von Uniklinika und Universitäten neu geregelt wird. Ausreichend geschulte Fachkräfte, attraktive Arbeitsplätze, ein gutes Ranking im internationalen Wettbewerb, diesen Herausforderungen müssen sich die Universitätsklinika in Deutschland stellen. Auch VUD-Generalsekretär Rüdiger Strehl fordert eine bessere Finanzierung der Universitätsklinika.

    "Sie sind nicht nur Krankenhäuser, sondern bilden aus und erfüllen damit eine Systemaufgabe und sie sind nicht Universitäten und sie haben nichts so viel Zeit für Entscheidungen wie Universitäten. Deshalb glaube ich, dass in der Politik sich die Wissenschafts- die Gesundheits- und Wirtschaftspolitiker gleichermaßen um die Universitätsmedizin kümmern müssen, dass das der richtige Lösungsweg ist."