Campus & Karriere: Herr Einhäupl, jeder vierte Uni-Student bricht sein Studium ab. Das liegt auch daran, dass er oder sie manchmal eine ganz andere Vorstellung vom ausgewählten Fach hatte. Wie kann man diesen Missstand abschaffen?
Einhäupl: Herr Honecker, zunächst einmal haben wir empfohlen, dass man die Beratung in den Schulen bereits erheblich professionalisiert und eine obligatorische Beratung einrichtet. Es geht darum, dass man die Neigungen und Begabungen auf die spezifischen Fähigkeiten eines Abiturienten und auch seine Motivation hier sozusagen, ich möchte nicht sagen überprüft, aber mit ihm diskutiert, um ihm eine bessere Orientierung zu geben, was er später für ein Studium aufnehmen will und aufnehmen kann. Wir wollen aber auch jenseits dann der schulischen Situation die erste Phase in der Universität, also die ersten zwei Semester, als Orientierungsphase sehen. Dort muss es einen sehr strukturierten Unterricht geben und auch sehr strukturierte Verfahren mit sehr viel Beratung für die Studierenden geben. Es muss Mentoren und Tutoren geben, damit in dieser frühen Phase die Studenten dann in der Lage sind, sozusagen sich um zu entscheiden.
Campus & Karriere: Sprechen wir noch einmal die Orientierungsphase an. Was ist, wenn nach diesem einen Jahr der Student feststellt oder festgestellt wird, dass der Student nicht in der Lage ist, dieses Fach, was er gewählt hat, weiter zu studieren?
Einhäupl: Es ist Sache dann der jeweiligen Universität, wie sie diesen Prozess gestaltet. Sicherlich wäre es jetzt einfach zu sagen, dann müssen eben entsprechende Prüfungen die Weichen stellen. Und es wird auch nicht möglich sein, ganz auf Prüfungen zu verzichten. Aber wir würden momentan mehr Wert darauf legen, dass eben die Studenten dann in ein etwas anderes Studium geleitet werden, das ihren Neigungen und Fähigkeiten etwas besser entspricht.
Campus & Karriere: Im Rahmen des so genannten Bologna-Prozesses, also sprich der Europäisierung der Hochschulabschlüsse, führen wir ja Bachelor und Master ein. Wäre das vielleicht eine Möglichkeit zusagen, dass hier derjenige, der eben nicht so wissenschaftlich geeignet ist, den Bachelor nur macht und der andere den Master?
Einhäupl: Wenn Sie das jetzt gerade auf die wissenschaftliche Qualifikation konzentrieren wollen, haben Sie völlig recht. Das gestufte System soll ja einerseits erlauben, dass wir durch eine Modularisierung in der Lage sind, eben Studenten, die in einem ersten Bereich, also während der Bacheloreausbildung, bestimmte Qualifikationen erfahren haben, dann berufsfähig sind, das heißt, dass sie zumindest in den meisten Feldern in der Lage sind, dann eine Beruf auszuüben, während diejenigen, die sich eher wissenschaftlich aus- oder weiterbilden wollen, dann eben das Masterstudium anschließen sollen. Hier bedarf es einer stärkeren Flexibilität und auch deshalb ist es zu begrüßen, dass in Deutschland nun B.A. und M.A. eingeführt werden sollen. Allerdings muss ich sagen, dass die Universitäten hier noch nicht in der gewünschten Weise mit der Umsetzung dieser neuen Studiengänge vorangekommen sind.
Campus & Karriere: Was die Auswahl der Studierenden angeht, da ist auch in den letzten Wochen die Diskussion wieder etwas angeheizt worden. Es gibt ja auch ein über 30 Jahre altes, bürokratisches Ungetüm, die so genannte Kapazitäts-Verordnung, die zwingt die Hochschulen dazu, alle Studenten aufzunehmen, wenn die Kapazität dafür vorhanden ist. Übrigens die Grundlage für viele Klagen auf einen Studienplatz. Sie verlangen die Abschaffung dieser Kapazitäts-Verordnung. Was wollen Sie stattdessen?
Einhäupl: Nun, zunächst einmal können wir nicht über die geltende Rechtsprechung uns einfach hinweg setzen und ich habe heute schon an anderer Stelle gesagt, dass ich es mir eigentlich fast wünsche, dass in einem neuen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht wirklich noch einmal überprüft wird, ob die alte Rechtsprechung heute immer noch Gültigkeit hat. Wir stehen in einem sehr intensiven internationalen Wettbewerb, die volle Auslastung der Kapazitäten zu verlangen wird dem Anspruch, dass wir in Deutschland an die Spitze kommen, nicht in vollem Umfang gerecht. Man könnte sich aber durchaus vorstellen, dass zum Beispiel in einem bestimmten Fachgebiet an einer Stelle die Zahl der Studierenden kleiner ist, als dies der Kapazität möglich wäre, dass aber dafür in anderen Bereichen dann vielleicht etwas mehr Studierende zum selben Studium zugelassen werden. Wenn wir Spitzenuniversitäten einrichten wollen, dann müssen wir natürlich auch für diese Universitäten Betreuungsrelationen zulassen, die es erlauben, wirklich wissenschaftlichen Nachwuchs heranzubilden.
Campus & Karriere: Welche Zukunft hat denn Ihres Erachtens die ZVS, die Stelle, die zentral die Studienplätze vergibt? Bildungsministerin Bulmahn hat in dieser Sendung vergangene Woche gesagt, wenn die denn da es wollen, kann man sie abschaffen. Was sagt der Wissenschaftsrat?
Einhäupl: Ich glaube nicht, dass wir ganz auf die ZVS verzichten können. Die ZVS hat derzeit eine Vergabefunktion, sie sollte in Zukunft eine Dienstleistungsfunktion bekommen. Es wird eine ganze Reihe von Beratungs- und Organisationsaufgaben geben, die zentral durchgeführt werden müssen. Insofern plädiere ich nicht für die Abschaffung der ZVS, sondern für die Umgestaltung und vor allem für eine neue Aufgabendefinition. Solange die Länder daran festhalten, dass die Abiturbesten auf jeden Fall einen Studienplatz bekommen sollen, werden wir sicherlich auch die ZVS dafür brauchen, dass entsprechend der Landesquoten die Verteilung zum Beispiel durch diese ZVS gemacht wird. Ich sehe dies aber eher als einen Übergang, bis eben dann tatsächlich die Auswahlverfahren in einer besseren Weise organisiert sind.
Campus & Karriere: Erlauben Sie mir abschließend noch ein kleines Spiel: Ich nenne Ihnen zwei Zahlen, Sie ergänzen es mit einer dritten Zahl. 1663, Royal Academy in London, 1666, Académie des sciences in Paris – was haben wir wann in Deutschland?
Einhäupl: 2006.
Campus & Karriere: Haben wir was?
Einhäupl: Sie wollen natürlich auf die Akademie anspielen und fragen sich, wann wird es uns gelingen, eine nationale Akademie in Deutschland ins Leben zu rufen. Und ich würde davon ausgehen, dass es sicherlich noch etwa drei Jahre braucht, bis sich die Wissenschaftsorganisationen und die Akademien darauf geeinigt haben, welches Konzept nun das beste ist. Ich war vielleicht etwas pessimistisch, ich würde mich freuen, wenn es gelänge, im Jahre 2005 bereits eine gemeinsame Akademie, eine nationale Akademie ins Leben zu rufen, die vor allem die Auslandsvertretungen und die Bearbeitung großer Themen zu ihrer Aufgabe machen müsste.
Einhäupl: Herr Honecker, zunächst einmal haben wir empfohlen, dass man die Beratung in den Schulen bereits erheblich professionalisiert und eine obligatorische Beratung einrichtet. Es geht darum, dass man die Neigungen und Begabungen auf die spezifischen Fähigkeiten eines Abiturienten und auch seine Motivation hier sozusagen, ich möchte nicht sagen überprüft, aber mit ihm diskutiert, um ihm eine bessere Orientierung zu geben, was er später für ein Studium aufnehmen will und aufnehmen kann. Wir wollen aber auch jenseits dann der schulischen Situation die erste Phase in der Universität, also die ersten zwei Semester, als Orientierungsphase sehen. Dort muss es einen sehr strukturierten Unterricht geben und auch sehr strukturierte Verfahren mit sehr viel Beratung für die Studierenden geben. Es muss Mentoren und Tutoren geben, damit in dieser frühen Phase die Studenten dann in der Lage sind, sozusagen sich um zu entscheiden.
Campus & Karriere: Sprechen wir noch einmal die Orientierungsphase an. Was ist, wenn nach diesem einen Jahr der Student feststellt oder festgestellt wird, dass der Student nicht in der Lage ist, dieses Fach, was er gewählt hat, weiter zu studieren?
Einhäupl: Es ist Sache dann der jeweiligen Universität, wie sie diesen Prozess gestaltet. Sicherlich wäre es jetzt einfach zu sagen, dann müssen eben entsprechende Prüfungen die Weichen stellen. Und es wird auch nicht möglich sein, ganz auf Prüfungen zu verzichten. Aber wir würden momentan mehr Wert darauf legen, dass eben die Studenten dann in ein etwas anderes Studium geleitet werden, das ihren Neigungen und Fähigkeiten etwas besser entspricht.
Campus & Karriere: Im Rahmen des so genannten Bologna-Prozesses, also sprich der Europäisierung der Hochschulabschlüsse, führen wir ja Bachelor und Master ein. Wäre das vielleicht eine Möglichkeit zusagen, dass hier derjenige, der eben nicht so wissenschaftlich geeignet ist, den Bachelor nur macht und der andere den Master?
Einhäupl: Wenn Sie das jetzt gerade auf die wissenschaftliche Qualifikation konzentrieren wollen, haben Sie völlig recht. Das gestufte System soll ja einerseits erlauben, dass wir durch eine Modularisierung in der Lage sind, eben Studenten, die in einem ersten Bereich, also während der Bacheloreausbildung, bestimmte Qualifikationen erfahren haben, dann berufsfähig sind, das heißt, dass sie zumindest in den meisten Feldern in der Lage sind, dann eine Beruf auszuüben, während diejenigen, die sich eher wissenschaftlich aus- oder weiterbilden wollen, dann eben das Masterstudium anschließen sollen. Hier bedarf es einer stärkeren Flexibilität und auch deshalb ist es zu begrüßen, dass in Deutschland nun B.A. und M.A. eingeführt werden sollen. Allerdings muss ich sagen, dass die Universitäten hier noch nicht in der gewünschten Weise mit der Umsetzung dieser neuen Studiengänge vorangekommen sind.
Campus & Karriere: Was die Auswahl der Studierenden angeht, da ist auch in den letzten Wochen die Diskussion wieder etwas angeheizt worden. Es gibt ja auch ein über 30 Jahre altes, bürokratisches Ungetüm, die so genannte Kapazitäts-Verordnung, die zwingt die Hochschulen dazu, alle Studenten aufzunehmen, wenn die Kapazität dafür vorhanden ist. Übrigens die Grundlage für viele Klagen auf einen Studienplatz. Sie verlangen die Abschaffung dieser Kapazitäts-Verordnung. Was wollen Sie stattdessen?
Einhäupl: Nun, zunächst einmal können wir nicht über die geltende Rechtsprechung uns einfach hinweg setzen und ich habe heute schon an anderer Stelle gesagt, dass ich es mir eigentlich fast wünsche, dass in einem neuen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht wirklich noch einmal überprüft wird, ob die alte Rechtsprechung heute immer noch Gültigkeit hat. Wir stehen in einem sehr intensiven internationalen Wettbewerb, die volle Auslastung der Kapazitäten zu verlangen wird dem Anspruch, dass wir in Deutschland an die Spitze kommen, nicht in vollem Umfang gerecht. Man könnte sich aber durchaus vorstellen, dass zum Beispiel in einem bestimmten Fachgebiet an einer Stelle die Zahl der Studierenden kleiner ist, als dies der Kapazität möglich wäre, dass aber dafür in anderen Bereichen dann vielleicht etwas mehr Studierende zum selben Studium zugelassen werden. Wenn wir Spitzenuniversitäten einrichten wollen, dann müssen wir natürlich auch für diese Universitäten Betreuungsrelationen zulassen, die es erlauben, wirklich wissenschaftlichen Nachwuchs heranzubilden.
Campus & Karriere: Welche Zukunft hat denn Ihres Erachtens die ZVS, die Stelle, die zentral die Studienplätze vergibt? Bildungsministerin Bulmahn hat in dieser Sendung vergangene Woche gesagt, wenn die denn da es wollen, kann man sie abschaffen. Was sagt der Wissenschaftsrat?
Einhäupl: Ich glaube nicht, dass wir ganz auf die ZVS verzichten können. Die ZVS hat derzeit eine Vergabefunktion, sie sollte in Zukunft eine Dienstleistungsfunktion bekommen. Es wird eine ganze Reihe von Beratungs- und Organisationsaufgaben geben, die zentral durchgeführt werden müssen. Insofern plädiere ich nicht für die Abschaffung der ZVS, sondern für die Umgestaltung und vor allem für eine neue Aufgabendefinition. Solange die Länder daran festhalten, dass die Abiturbesten auf jeden Fall einen Studienplatz bekommen sollen, werden wir sicherlich auch die ZVS dafür brauchen, dass entsprechend der Landesquoten die Verteilung zum Beispiel durch diese ZVS gemacht wird. Ich sehe dies aber eher als einen Übergang, bis eben dann tatsächlich die Auswahlverfahren in einer besseren Weise organisiert sind.
Campus & Karriere: Erlauben Sie mir abschließend noch ein kleines Spiel: Ich nenne Ihnen zwei Zahlen, Sie ergänzen es mit einer dritten Zahl. 1663, Royal Academy in London, 1666, Académie des sciences in Paris – was haben wir wann in Deutschland?
Einhäupl: 2006.
Campus & Karriere: Haben wir was?
Einhäupl: Sie wollen natürlich auf die Akademie anspielen und fragen sich, wann wird es uns gelingen, eine nationale Akademie in Deutschland ins Leben zu rufen. Und ich würde davon ausgehen, dass es sicherlich noch etwa drei Jahre braucht, bis sich die Wissenschaftsorganisationen und die Akademien darauf geeinigt haben, welches Konzept nun das beste ist. Ich war vielleicht etwas pessimistisch, ich würde mich freuen, wenn es gelänge, im Jahre 2005 bereits eine gemeinsame Akademie, eine nationale Akademie ins Leben zu rufen, die vor allem die Auslandsvertretungen und die Bearbeitung großer Themen zu ihrer Aufgabe machen müsste.