Samstag, 04. Mai 2024

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Hochwasser-Konferenz in Potsdam

Wenn ein Hochwasser Flusstäler oder Küsten bedroht, dann stellt sich häufig die Frage, ob nicht der Mensch durch sein Verhalten die Katastrophe erst ermöglicht, vielleicht sogar hervorgerufen hat: Nicht nur von den globalen Klimaveränderungen ist dann zu reden, sondern auch Flussbegradigungen und Deichen, vom Bauen in Überschwemmungsgebieten, von Entwaldung und anderen Veränderungen, die wir der Umwelt zufügen, um unsere eigenen Lebensbedingungen zu verbessern. Das Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung befasst sich in diesen Tagen aus wissenschaftlicher Sicht mit der Frage, wie man solche Ereignisse verhindern kann. Karl Heinz Smuda hat die Tagung besucht.

von: Karl-Heinz Smuda | 02.11.2000
    Die Politik ist zuweilen so träge wie das Klima. Axel Bronstedt, der Professor für Hydrologie und Klimatologie am Potsdamer Institut für Geoökologie, sagt das, wenn er an das Risikomanagement denkt. Fast jedes Hochwasser ist voraussehbar. Denn: erstens hat sich die Niederschlagsmenge durch die Veränderung des Weltklimas erhöht.

    Axel Bronstedt: Das Zweite ist aber: Welche Abflussbedingungen herrschen im Einzugsgebiet? Also: Welcher Anteil des Niederschlags wird transferiert zum Abfluss? Wenn das Wasser dann einmal im Fluss ist, ist die Frage, wie viele Abflussmenge kann ein Fluss abführen ohne auszuborden. Und das Vierte ist: Wenn er dann doch ausbordet, also wenn diese Kapazität überschritten wird: Welche Schäden werden dadurch verursacht?

    Bornstedt ist einer von 200 Hochwasser-Forschern, die seit gestern unter seiner Leitung in Potsdam tagen. Seine wissenschaftliche Spezies ist allerdings eine, die viel Geduld braucht. Die Schnee- und Eisflächen der Erde sind in den vergangenen 40 Jahren durch den Treibhauseffekt weltweit um bereits zehn Prozent geschrumpft. Das 20. Jahrhundert habe der nördlichen Erdhalbkugel schon die wahrscheinlich höchste Zunahme der Durchschnittstemperaturen der vergangen 1000 Jahre gebracht. Nicht ganz so lange, glaubt Axel Bornstedt, wird es dauern, bis das Klima auf den reduzierten CO²-Ausstoß reagiert.

    Axel Bronstedt: Das heißt: wenn der Mensch etwas daran verändert, werden die Veränderungen erst langsam sichtbar, fühlbar werden. Umgekehrt: wenn man dann versucht, in die positive Richtung was zu verändern, rückzuändern sozusagen, wird auch das lange dauern. Aber deswegen darf man es nicht gar nicht versuchen. Wenn wir jetzt unsere CO²-Abgaben reduzieren, dann wird das vielleicht der Generation in 50 bis 100 Jahren nutzen.

    Der Stuttgarter Hydrologe Hans Caspary ist sich nicht ganz sicher, ob die Klimaveränderung der Preis ist, den die Industriegesellschaften zahlen müssen. Fest steht: im Winter gibt es weniger Schnee und mehr Niederschlag, im Sommer macht sich die Trockenheit breit.

    Hans Caspary: Das Problem ist: Man kann sagen, bezogen auf den Zeitraum von 120 Jahren, können wir eine Veränderung heute feststellen, die bisher so in der Form noch nicht dagewesen ist. Das heißt aber nicht, dass wir sagen können: Es ist antropogen verursacht. Das ist ja die Frage: Wie viel von dem ist vom Menschen, also antropogen verursacht, und wie viel ist natürliche Variabilität. Und genau da geht der Streit drum.

    In Potsdam haben sich vor allem solche Forscher eingefunden, die aus den Hochwassergebieten der Welt kommen, aus Mosambik beispielsweise oder aus Südamerika. Hier wie dort werden nur langsam Hochwassergebiete als besonders gefährdete Regionen behandelt: oft entstehen weiterhin Häuser oder neue Lebensräume für Menschen. Dabei hat Hans Caspary von der Fachhochschule Technik in Stuttgart für sich den europäischen Raum im Blick.

    Hans Caspary: Die Wetterlagen, die zonalen, sind eigentlich Wetterlagen, die Tiefdruckgebiete vom Atlantik nach Mitteleuropa driften lassen. Und wenn eben im Winter das kontinentale Hoch über der Sowjetunion beispielsweise oder heute über Russland oder Osteuropa generell fehlt oder weniger stark ausgeprägt ist, dann können eben diese Tiefausläufer nach Mitteleuropa einlaufen. Sonst werden sie eben ins Nordmeer oder in den Mittelmeerraum abgeleitet.

    Die Oderflut ist in Potsdam indessen ein randständiges Thema. Das Tiefdruckgebiet vor drei Jahren über Polen und Tschechien, das die Oder in ihrem Flussbett bersten ließ, war ein eher untypisches Sommerhochwasser. Vereinfacht gesagt: es kann passieren; daraus lässt sich aber keine Regel ableiten, dass es in regelmäßigen Abständen kommt. Die kontinuierlichen Auswirkungen der Klimaveränderungen in West- und Osteuropa hinterlassen jedoch gerade im Sommer deutliche Spuren im Süden; das könnte ein Indiz dafür sein, dass sich das Klima so irgendwann auch in Nordeuropa darstellt.

    Hans Caspary: Im Mittelmeerraum ist es ja schon ganz extrem. Der östliche Mittelmeerraum und auch Spanien zum Teil leidet extrem unter Trockenheit und das betrifft hauptsächlich die Landwirtschaft.