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Hochwasserkatastrophe 2013
Ein Jahr danach - der BUND zieht Bilanz

Ein Jahr ist es jetzt her, dass Donau und Elbe über die Ufer traten. Warnungen vor den Naturgewalten hatte es genug gegeben. Der BUND zog Bilanz und kritisiert zu geringen und falschen Hochwasserschutz.

Von Christoph Richter |
    Überschwemmte Landschaft bei Groß Rosenburg
    Der Rückbau von Deichen und der Ausbau von Überflutungsflächen könnte zukünftige Überschwemmungen geringer ausfallen lassen. (picture alliance / dpa / Foto: Jens Wolf)
    Im altmärkischen Fischbeck herrscht Idylle. Nach dem letztjährigen spektakulären Deichbruch ist hier wieder Ruhe eingekehrt, der Deich ist repariert. Lediglich ein Baustellenschild erinnert noch an die große Katastrophe von vor einem Jahr. Einen Trugschluss nennen es die sachsen-anhaltischen Experten vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Zwar stelle man ein Umdenken bei Land und Bund fest, kritisiert aber, dass bis heute der Hochwasserschutz auf Deicherhöhungen bzw. den Bau von Stauanlagen reduziert werde, so Gewässerökologe Christian Kunz.
    "Die Bilanz ist aus unserer Sicht sehr traurig. Beispiel Sachsen-Anhalt: Wir haben im letzten Hochwasser einen Schaden von 2 Milliarden Euro erfahren. Und gleichzeitig stehen bis 2020 in Sachsen-Anhalt nur 60 Millionen für Deichrückverlegungen zur Verfügung. Wir glauben daher, dass noch nicht so richtig verstanden wurde, worauf es wirklich ankommt."
    Der Mangel an Überschwemmungsflächen
    Dass eben der technische Hochwasserschutz nicht das Allheilmittel sein könne, sondern dass der Elbe bedeutend mehr Raum gegeben werden müsse. Theoretisch unbestrittene Erkenntnisse, wie man unter anderem im Nationalen Hochwasserschutzprogramm nachlesen kann; praktisch sehe die Umsetzung aber anders aus, unterstreicht Christian Kunz vom BUND-Landesverband Sachsen-Anhalt. Denn obwohl die "Internationale Kommission zum Schutz der Elbe" schon 2003, 35.000 Hektar Überschwemmungsflächen allein für Sachsen-Anhalt empfiehlt, wurden in Sachsen-Anhalt in den letzten zehn Jahren lediglich 1400 Hektar realisiert, so Kunz weiter.
    "Wenn man sich nur die Strecke zwischen Schönebeck und Magdeburg-Rothensee, das sind nur 35 Flusskilometer, ansieht; da haben wir den letzten 150 Jahren etwa 11.000 Hektar Überflutungsfläche verloren. Und da wird schon klar, dass hier in Sachsen-Anhalt, aber auch darüber hinaus, bedeutend mehr passieren muss."
    Die Forderung lautet: Statt Polder, also Rückhalteräume auszubauen, in die man bei Bedarf Wasser ablassen kann, müssten Deichrückverlegungen Vorrang erhalten, so Gewässerökologe Kunz weiter. Nur dies sei nachhaltiger Hochwasserschutz.
    Doch genau damit kann Burkhard Hennig vom sachsen-anhaltischen Landesbetrieb für Hochwasserschutz nur wenig anfangen.
    "Wir sehen das etwas differenziert. Wir setzen eher darauf, dass man die steuerbaren Flutpolder errichtet. Damit konnten wir bei der Flut 40 Zentimeter Wasserstand absenken. Indem wir praktisch den Scheitel der Elbe zwischen gestapelt haben, in diesem Polder. Und jeder Zentimeter hilft."
    Nach Angaben des Umweltministeriums in Magdeburg hat man 2013, 44 Millionen Euro in den technischen Hochwasserschutz gesteckt. Gemeint sind damit vor allen Dingen Deich-Reparaturen. Bis 2020 sollen weitere 676 Millionen Euro in Deiche investiert werden, ein Bruchteil davon kommt Deichrückverlegungen zugute.
    Das dürfte den Landwirten gefallen, die ihre fruchtbaren Ackerböden im Schwemmland der Flüsse ungern aufgeben. Sie müsse man noch viel mehr als bisher für Deichrückverlegungen sensibilisieren, betont Christian Kunz vom BUND.
    "Dass es sinnvoll ist für ihr Wirtschaften, die Wirtschaftsweise umzustellen, Fläche zur Verfügung zu stellen. Denn die Fläche geht ja nicht verloren. Denn die Fläche liegt dann nicht mehr hinterm Deich, sondern zwischen Deich und Fluss. Aber auch dort kann man eine Wirtschaftsweise organisieren, dass man dem Landwirt sagt, so ihr seid jetzt zwar Landwirte, aber ihr seid eben auch Hochwasserschützer."
    Noch weiter gehen Umweltschützer, die in den Auenwäldern an Elbe und Saale ideale Überflutungsgebiete sehen. Andreas Liste vom Arbeitskreis Hallescher Auenwälder.
    "Der Fluss hat dort die Möglichkeit sich auszubreiten; die Auen haben die Möglichkeit sich mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Logischerweise ist das eine enge Beziehung zueinander und sie brauchen einander."
    Zukünftig gelte es, noch viel mehr auf ein länderübergreifendes wirksames Krisen- und Hochwassermanagement zu setzen. Das Bundesumweltministerium müsse den Hochwasserschutz koordinieren, fordert der BUND. Weil Hochwasserschutz eben keine Ländersache sei, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes. Ansonsten – so das Szenario – werde man den Kampf Mensch und Sandsack, gegen Wasser und Welle ewig führen.