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Hochwasserschutzgesetz bringt Bauern auf die Barrikaden

"Trittin macht uns pleite" - das neue Hochwasserschutzgesetz, das der Umweltminister in der vergangenen Woche - wenn auch um zwei Wochen verspätet - in erster Lesung in den Bundestag eingebracht hat, ruft heftige Reaktionen hervor, nicht nur in der Opposition, die darin einen weiteren Angriff sieht auf den ländlichen Raum, sondern vor allem unter den Landwirten. Denn der derzeit diskutierte Gesetzentwurf sieht vor, dass in den Abflussgebieten, also in den Bereichen, wo sich bei Ablauf des Hochwassers neue Ströme bilden, von 2013 an kein Ackerbau mehr betrieben werden darf. Trittin will mit dem Ackerbauverbot verhindern, dass im Falle des Falles Mutterboden weggeschwemmt wird mitsamt Pestiziden, die für die Gewässer hochgiftig sind. Im Laufe des parlamentarischen Prozesses soll dieses Verbot zwar entschärft werden, wie aus Koalitionskreisen in der vergangenen Woche zu hören war. Aber die Bauern sind trotzdem aus dem ganzen Land heute nach Berlin gereist zu einer öffentlichen Anhörung im Bundestag.

Von Victoria Eglau |
    Eine der wichtigsten Stellungnahmen, die heute bei der Anhörung zum geplanten Hochwasserschutz-Gesetz im Bundestag gehört wird, ist die des Deutschen Bauernverbandes. Der hatte den Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung von Anfang an scharf kritisiert. Diese Kritik richtet sich in erster Linie gegen das geplante Verbot von Ackerbau in Hochwasser-gefährdeten Gebieten. Ackerbau soll nach dem ursprünglichen Entwurf des Gesetzes in allen Überschwemmungsgebieten verboten werden, um Bodenerosion zu vermeiden. Der Bauernverband geht davon aus, dass insgesamt 900-tausend Hektar Ackerland betroffen wären, was für viele Landwirte schwerwiegende wirtschaftliche Folgen hätte. Allerdings einigten sich SPD und Grüne in der vergangenen Woche auf einen abgeschwächten Entwurf. Der sieht nun vor, dass ein komplettes Ackerbau-Verbot nur noch in den so genannten Abflussbereichen gelten soll. In den anderen Teilen der Überschwemmungsgebiete soll Ackerbau unter bestimmten Bedingungen möglich sein. Dazu heute der stellvertretende Generalsekretär des Bauernverbandes, Adalbert Kienle:

    Natürlich sind wir froh, dass hier eine Bereitschaft zum Einlenken da ist. Wir hoffen sehr, dass wir vom Ackerbau-Verbot, das jetzt ursprünglich auf 900-tausend Hektar ausgerichtet war, dass man da zurückkommt auf null. Das wäre unser Ziel. Und wenn es dann wirklich noch richtig stark gefährdete Gebiete gibt, wo man etwas gegen Erosion tun muss, dann findet man hier mit absoluter Sicherheit gute Maßnahmen mit den Bauern.

    Wie viele landwirtschaftliche Flächen in Deutschland bei einem abgeschwächten Gesetz von dem Ackerbau-Verbot betroffen wären, das ist - so der Bauernverband - noch völlig unklar, weil es nämlich für Abflussbereiche gar keine Definition gebe. Ein Landwirt, der nach eigener Aussage in jedem Fall unter dem Gesetz sehr leiden würde, reiste heute nach Berlin, um die Anhörung im Bundestag zu verfolgen. Er heißt Werner von Behr und hat einen Bauernhof in Niedersachsen, direkt an der Weser. Dort baut er Raps, Zuckerrüben und Getreide an. 97 Prozent seiner Äcker, so Werner von Behr, liegen in Hochwasser-Abflussbereichen. Bundesumweltminister Trittin will, dass die Landwirte in diesen Gebieten künftig auf die so genannte Grünland-Bewirtschaftung umstellen. Das aber ist für Landwirt von Behr völlig indiskutabel. Mit Milch und Viehmast könne man kein Geld mehr verdienen, sagt er:

    Damit kann ich meinen Betrieb wirtschaftlich nicht am Leben halten. Das Ackerbau-Verbot würde für mich das wirtschaftliche Aus bedeuten.

    Werner von Behr glaubt auch nicht, dass ein Ackerbau-Verbot und eine Umstellung auf die Grünland-Bewirtschaftung überhaupt adäquate Mittel zur Vermeidung schwerer Hochwasser-Schäden sind:

    Der Ackerbau, den wir betreiben, der ist so, dass wir unsere Getreidepflanzen bereits im Herbst aussäen, und dadurch schon über Winter eine Begrünung haben, die von der Pflanzenvegetation her sich genauso darstellt wie ein Grünland. Wir leben in der Wesermarsch schon seit Jahrhunderten und müssen mit Hochwasser-Ereignissen zurecht kommen. Und würden keinen Ackerbau betreiben, wenn uns die Böden wegschwimmen würden.

    Noch einmal zurück zum Deutschen Bauernverband. Der hält das Hochwasserschutz-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung auch in seiner abgeschwächten Version für völlig ungeeeignet, um Flut-Katastrophen künftig abzumildern und fordert ganz andere Maßnahmen:

    Da gehört dazu, dass wirklich gegen die Klimaveränderung angegangen wird. Und hier kann die Landwirtschaft unendlich viel leisten in dem Bereich erneuerbare Energien, nachwachsende Rohstoffe. Hier arbeiten wir auch vernünftig und gut mit der Politik zusammen. Das zweite ist, wir haben nach wie vor in Deutschland einen gewaltigen Landverbrauch für Verkehrszwecke, für Siedlungszwecke. Das ist ein Zubetonieren von Flächen. Das ist eine eindeutige Hochwasser-Ursache. Hier müssen wir massiv zurückkommen von diesem enormen Landverbrauch, der ja auch zu Lasten der Bauern geht. Das nächste ist, dass man die bestehenden Hochwasserschutz-Anlagen pflegen muss, z.B. die Deiche. Und da gab es schlimme Versäumnisse in der Vergangenheit.