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Hochwertige Verarbeitung von Futterluzerne

Der Futterklee - die Luzerne - wird vor allem in den Mittelmeerländern angebaut. Die Hälfte der gesamten europäischen Produktion wächst in Italien. Der Anbau in Deutschland rangiert nach Frankreich und Spanien erst an vierter Stelle. Die Pflanze ist anspruchslos, braucht keinen Dünger, und der Landwirt muss auch kaum Unkrautbekämpfungsmittel einsetzen. Weil die Luzerne viel Protein und Vitamine enthält wird sie an das Vieh verfüttert oder in getrockneter Form dem Viehfutter beigemengt. Dennoch: der Anbau lohnte sich kaum, wäre da nicht die EU. Die Europäische Gemeinschaft schießt den Landwirten 40 Prozent ihrer Einnahmen zu. Denn das Konkurrenzprodukt, das Soja aus den U.S.A., Argentinien und Brasilien ist viel billiger. - Jetzt wurde mit europäischer Hilfe in der französischen Champagne eine Demonstrationsanlage eröffnet, die aus der einfachen Futterpflanze hochwertiges Protein gewinnt.

Von Wolfgang Preßl |
    Olivier Pauwels: Auf der rechten Seite haben Sie einige Technologien, mit denen wir das Rohmaterial reinigen, den Saft aus der Luzerne gepresst wird. Wir nennen das den 'grünen Teil' der Pilotanlage. Der braune Saft, der dann entsteht, ist Ausgangsbasis für den nächsten Schritt: die Reinigung des weißen Proteins.

    Es ist ohrenbetäubend laut in der Halle des Futtermittelherstellers France Luzerne. Wir befinden uns in einem Vorführwerk in Chalons in der Champagne, wenige Kilometer südöstlich von Reims. Olivier Pauwels kann sich nur über ein Mikrophon mit der Besuchergruppe verständigen, die sämtliche einen Kopfhörer auf den Ohren tragen. Er vertritt den französischen Ableger einer schwedischen Firma, die hier die technischen Lizenzen einbringt: Alfa Laval steuert langjährige Erfahrungen aus der Milchherstellung und der pharmazeutischen Industrie bei. Die entscheidende Neuentwicklung im Produktionsprozess ist die sehr schnell rotierende Zentrifuge, eine quer liegende Tonne von vielleicht 5 Metern Länge. Hier wird die Spreu vom Weizen, sprich die Zellulose vom Luzernesaft getrennt, der damit richtig flüssig wird. Seit 1995 hat das Konsortium die den Ablauf in seinen 10 Stufen immer weiter optimiert. Der Zweck des zu einem Drittel mit europäischen Forschungsgeldern in Höhe von 1,2 Millionen Euro gesponserten Projektes: der einfachen Futterpflanze Luzerne hochwertiges Protein zu entziehen, und dieses Protein soll gereinigt werden können, dass es auch an die Nahrungsmittelindustrie verkauft werden kann. Weshalb diese aufwendige Neuerung in einer traditionellen Industrie? Der Chef des französischen Futtermittelherstellers France Luzerne:

    Wir machen das, weil wir nach Wegen suchen, wie wir die Luzerne aufwerten können. Der Ertrag aus der Tierfutterherstellung wird immer geringer, so dass uns andere Bereiche, insbesondere die Herstellung von Nahrungsmitteln, viel mehr einbringen können.

    Das hochwertige Protein mit dem Namen Rubisco hat an der Trockenmasse der Luzerne einen Anteil von 2 Prozent. Anfang nächsten Jahres will France Luzerne Rubisco im industriellen Maßstab produzieren. Je nach Bedarf in unterschiedlichem Reinheitsgrad, kann die Demonstrationsanlage im Jahr bis zu 300 Tonnen herstellen. Innerhalb von 3 bis 5 Jahren soll die Anlage dann für eine Produktion von bis zu 1.500 Tonnen ausgebaut, und insgesamt 10 Anlagen errichtet werden, die dann zusammen 100.000 Hektar Luzerne verarbeiten können. Das reine Rubisco soll dann auch in der Nahrungsmittelherstellung Nahrungsmittelindustrie als Zusatz für Saucen und Würste, aber auch Desserts wie Mousse-au-Chocolat verwenden werden. Ein entsprechender Antrag liegt der französischen Zulassungsbehörde vor. Auf 7.500 Tonnen schätzen die Betreiber den Markt auf dem Lebensmittelsektor ein, was einem Umsatz von 30 Millionen Euro, umgerechnet 60 Millionen Mark, entspricht. Auch andere Substanzen aus der Luzerne sollen über die Trennungsanlage gewonnen werden - pflanzliche Östrogene, Antioxidantien, Farbstoffe - für die pharmazeutische und die kosmetische Industrie. Werden die Luzernebauern, wenn EU-Subventionen zukünftig weiter zurückgehen, damit weiter auf dem Weltmarktmarkt bestehen können? Der France Luzern-Chef:

    Wir konkurrieren - selbstverständlich - mit Soja auf dem Nahrungsmittelsektor. Aber die Luzerne unterscheidet sich von der Sojapflanze im Nährwert, (...), und zwar, weil sie mit ihren Aminosäuren ganz besonders den menschlichen Bedürfnissen entspricht. Sie hat auch andere Schäumungseigenschaften, so dass wir mit Soja ohne weiteres konkurrieren können. Wir befinden uns also nicht in der gleichen Nische des Marktes.

    Indem die EU sich für den Einsatz neuer Technologie in der eher traditionell ausgerichteten Agrarindustrie stark macht, will sie nicht nur die einfache Futterluzerne wettbewerbsfähiger machen. Sie will auch die Technologie selbst weiterentwickeln, dass sie sich schließlich auch auf andere Kulturpflanzen wie Weizen, Raps und Mais anwenden lässt.