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Hodenhochstand
Behandlung schon im ersten Lebensjahr

Jungen mit einem Hodenhochstand sollten schon bis zum Ende des ersten Lebensjahres behandelt werden. Zu dieser Empfehlung kommt eine Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Eine spätere Behandlung könne eine verminderte Fruchtbarkeit bis hin zur Sterilität zur Folge haben, heißt es.

Von Michael Engel | 08.07.2014
    Die Hände eines Babys und eines Erwachsenen
    Ein Hodenhochstand ist bei Neugeborenen nicht allzu selten. Drei Prozent der Jungen kommen mit dieser Anomalie auf die Welt. (picture alliance / dpa)
    Junge oder Mädchen? Viele Eltern schauen zuerst mal "dorthin" - zu den Genitalien -, um die nicht ganz unwichtige Frage zu beantworten. Und dann fällt manchmal auch schon ein Manko auf:
    "Es war zwar alles dran bei meinem Jungen. Nur der Hodensack sah komisch aus ...irgendwie leer- wie so eine Hautfalte",
    erinnert sich ein Vater. Ein Hodenhochstand ist bei Neugeborenen nicht gerade selten. Drei Prozent der Jungen kommen mit dieser Anomalie auf die Welt. Bei Frühchen sind es sogar zehnmal mehr, erklärt Dr. Barbara Ludwikowski, Chefärztin der Klinik für Kinderchirurgie auf der Bult in Hannover.
    Hoden muss vom Bauchraum in den Hodensack herab wandern
    "Normalerweise sollte der Hoden zur Geburt im Hodensack sein. Aber bei doch relativ vielen Kindern ist der Hoden doch noch in der Leiste oder gar nicht zu tasten, das heißt, im Bauch. In der Entwicklung muss der Hoden vom Bauchraum, von der Höhe der Nieren, in den Hodensack herab wandern. Und wenn ein Kind, ein Junge, zu früh geboren ist, hat er auch noch nicht die Zeit gehabt, dass der Hoden auch wirklich ganz unten ist. Und das sieht man doch häufig doch gerade bei den Frühgeborenen."
    In einigen Fällen löst sich das Problem im ersten halben Jahr - ohne Zutun der Ärzte. Bei etwa sieben Prozent der betroffenen Babys wandert die Keimdrüse von ganz allein an den richtigen Platz. Bei den anderen 93 Prozent muss medizinisch nachgeholfen werden.
    "Wenn der Hoden in der Leiste liegt, wird ein kleiner Schnitt in Höhe der Leiste gemacht. Der Hoden wird aufgesucht. Die Gefäße, die den Hoden durchbluten, und auch der Samenleiter müssen mobilisiert werden. Die sind oft mit Bindegewebe praktisch festgehalten im Leistenkanal. Und wenn er dann mobil ist, dann kann man den Hoden in den Hodensack herunter bringen."
    Der chirurgische Eingriff unter Vollnarkose dauert etwa 20 Minuten und wird heute in aller Regel ambulant durchgeführt. Bislang wurde allerdings sehr lange damit gewartet, bis zum Schulalter, im Extremfall sogar bis zur Pubertät. Epidemiologische Befunde indes machen deutlich: Männer, die im Kindes- und Jugendalter einen Hodenhochstand hatten, erkranken zehnmal häufiger an Hodenkrebs. Ein weiteres Problem ist das erhöhte Risiko einer Unfruchtbarkeit bei einer späten Behandlung:
    "Die Unfruchtbarkeit hängt mehr damit zusammen, ob ein beidseitiger Hodenhochstand vorliegt oder ein einseitiger, oder ob der Hoden im Bauch liegt oder in der Leiste. Jungen, die einen beidseitigen Hodenhochstand haben und wo der Hoden im Bauch liegt, haben ein sehr hohes Risiko, später unfruchtbar zu sein – fast 80 Prozent."
    Hormontherapie als Alternative eher kritisch bewertet
    Ein Hodenhochstand sollte deshalb möglichst früh behandelt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie empfiehlt, den Eingriff noch vor Vollendung des ersten Lebensjahres durchzuführen.
    "Wir haben es auch in die Leitlinie reingebracht: Bis zum ersten Lebensjahr, dass die Kinder wirklich frühzeitig vorgestellt werden. Von Studien kann man auch sagen, eineinhalb Jahre. Wenn wir jetzt in die Leitlinie reinschreiben - ein Jahr - dann hoffen wir wirklich, dass die Kinder bis eineinhalb Jahre vorgestellt sind, sodass da noch ein Zeitpuffer ist."
    Die Hormontherapie als Alternative zum Skalpell sehen die Kinderchirurgen eher kritisch. Die langfristigen Folgen einer Einwirkung auf den kindlichen Hormonhaushalt seien noch nicht abschließend geklärt, so die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie.
    Jetzt sind vor allem die Eltern gefordert, dass sie den bei der Geburt diagnostizierten Hodenhochstand weiterhin im Auge behalten, die Entwicklung verfolgen und – bei Bedarf – frühzeitig noch vor dem ersten Geburtstag - den Kinderarzt einschalten. Genau das, so Dr. Ludwikowski, sei das Problem.
    "Engagierte Eltern, die stellen die Kinder dem Kinderarzt vor, der Kinderarzt empfiehlt das auch. Und es wird durchgeführt. Es gibt aber genauso Kinder, die nicht vorgestellt werden."