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Höchstens ein Werk

Im Mai 2003 wurde nach einer Grund-Renovierung die Villa Massimo wieder eröffnet. Seitdem hat das römische Stipendiaten-Refugium einen neuen Direktor: den Kunsthistoriker Joachim Blüher. Und das merkt man dem Veranstaltungsprogramm deutlich an: In der Reihe "Höchstens ein Bild" werden regelmäßig italienische und deutsche Künstler gegenübergestellt. Jüngstens waren es zwei Künstlerinnen: Marisa Merz und Rebecca Horn.

Von Thomas Migge |
    "Natürlich wusste ich nicht, was sie zeigen wird. Ich habe angerufen und fragte, was wird Marisa zeigen. Und dann hörte ich von Herrn Blüher, sie wird eine Zeichnung zeigen mit einem kleinen schwarzen Karton. Daraufhin habe ich gesagt, okay, muss ich dazu ein Ei schenken, ein schwarzes."

    Die deutsche Künstlerin Rebecca Horn fand die Idee so anregend, dass sie gleich mit von der Partie war. Joachim Blüher, Direktor der angesehenen römischen Kultureinrichtung Villa Massimo, hatte sie und ihre Künstlerkollegin Marisa Merz angerufen und gefragt, ob sie beide bei der Ausstellung "Soltanto un quadro al massimo", zu deutsch: höchstens ein Bild, mitmachen wollen. Blüher bat sie, jeweils ein Werk anzufertigen. Nur ein einziges. Dann teilte er den beiden Frauen mit, wie groß der Raum ist, in dem die Kunstwerke ausgestellt werden sollen. Ein vor allem bei Rebecca Horn wichtiger Hinweis, denn die Installationskünstlerin mag es, große Objekte zu zeigen: wie zum Beispiel "Tower of the nameless", der Turm der Namenlosen, von 1997: ein meterhohes Objekt aus Leitern.

    "Die beiden Arbeiten haben sich neu getroffen hier in Rom. Und jetzt beginnt eigentlich in den nächsten sechs Wochen ein Dialog zwischen den beiden. Und das ist glaube ich ganz aufregend, weil Marisa geht weg, ich geh weg, aber unsere Zeichen, die bleiben in diesem Raum und das ist eine Magie und die geht weiter und das müssen Sie eigentlich selbst herausfinden."

    Rebecca Horn zeigt ein kastenförmiges Rechteck, dessen Seiten durchlässig sind. Der Kasten enthält einige schwarze Federn und ein schwarzes Ei. Marisa Merz hingegen schuf für die Villa Massimo eine titellose Collage aus Papier und Karton. Es ist das einzige gerahmte Werk der Künstlerin, die als eine der wichtigsten Repräsentanten der Arte Povera gilt. Die Gegenüberstellung der beiden Kunstwerke in einem relativ kleinen Saal der großen, hochherrschaftlichen Gründerzeitvilla in Rom wurde zum Event. Die Idee Blühers, neben den zahlreichen anderen Veranstaltungen der Villa Massimo das Werk eines deutschen dem eines italienischen Künstlers gegenüberzustellen, steht ganz in der kulturvermittelnden Tradition der Villa Massimo. Eine Idee, die in Rom großes Interesse findet.

    Joachim Blüher:

    "Die Idee ist entstanden durch eine Begegnung mit dem römischen Kurator und Kritiker Ludovico Pratesi. Wir unterhielten uns eigentlich über die ideale Ausstellung in der Villa Massimo, die ja einen beschränkten Platz hat, und kamen auf die Idee, dass man sie doch äußerst limitieren müsste und noch besser, dass man sie eigentlich exemplarisch auf zwei Beispiele beschränken müsste, den Dialog auch zeigen, ein deutsches und ein italienisches Beispiel."

    Joachim Blüher hat mit dem Ausstellungszyklus "Höchstens ein Werk" an jenen Gedanken angeknüpft, der vor allem im 19. Jahrhundert deutsche Künstler en masse über die Alpen nach Italien zog: die Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem Italienischen. Auch wenn sich deutsche Künstler, die heute zum Beispiel ein einjähriges Stipendium in der römischen Kulturakademie erhalten, nicht mehr unbedingt an den Höhepunkten italienischen Kunstschaffens orientieren und sich davon durchdringen lassen, so geht es Blüher doch darum, deutsche und italienische Künstler zusammenzubringen.

    Eine Annäherung zweier künstlerischer Welten, die sich heute nicht mehr unbedingt viel zu sagen haben. Schade, meint der Akademiedirektor.

    "Wir haben angefangen mit Georg Baselitz und Enzo Cucchi. Es ging weiter mit Jörg Immendorf und Yannis Kounnellis, dann kam Markus Lüppertz und es kam Emilio Vedova. Wir haben auf vielfach unterschiedliche Art und Weise Begegnungen gesehen, die nicht nur von höchster Qualität waren, sondern sie waren auch immer etwas Besonderes, denn die Künstler haben sich immer eingestellt auf den Ort und auf den anderen Künstler und das ist entscheidend."

    Jeder der Künstler stellt sein Werk der Villa Massimo kostenlos zur Verfügung. Eine Hommage an eine deutsche Kultureinrichtung, die seit Jahrzehnten deutsche Literatur, Musik und Kunst in Rom präsentiert.

    Auch eine andere Idee von Akademiedirektor Joachim Blüher stößt beim römischen Publikum auf großes Interesse. Einmal im Jahr öffnen alle zehn Stipendiaten der Villa Massimo ihre Ateliers. Ateliers, die wie kleine Reihenhäuser nebeneinander stehen, weshalb diese Initiative "Viale degli artisti" genannt wird, die Allee der Künstler. Jeder Stipendiat zeigt eines oder mehrere Werke. Dazu werden Häppchen und Wein gereicht: angenehmer kann das Interesse an deutscher Kunst nicht geweckt werden.