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Höhepunkte aus fünf Jahren

Seit Beginn dieser Spielzeit haben die Münchner Philharmoniker mit dem von der Deutschen Oper Berlin kommenden Christian Thielemann einen neuen Chefdirigenten. Sein Vorgänger hieß James Levine, der war von 1999 bis Mitte dieses Jahres Chef dieses Orchesters der Landeshauptstadt München, das im dortigen großen modernen Konzertsaal, dem Gasteig, beheimatet ist. Über Levines Tätigkeit an der Isar kann sich der Musikfreund jetzt rückblickend ausführlich informieren: Das noch junge Plattenlabel "Oehms Classics" veröffentlicht unter dem Motto "Documents of the Munich Years" einen achtteiligen, insgesamt 12 CDs umfassenden Zyklus mit den Höhepunkten dieser fünf Jahre.

Von Ludwig Rink |
  • Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - 2. Satz (Ausschnitt) aus der Sinfonie Nr. 7 A-Dur, op. 92 (Oehms 508)

    Es ist naturgemäß eine bunte Mischung mit Sinfonien von Mozart, Beethoven, Brahms und Mahler, mit Evergreens wie Webers "Oberon-Ouvertüre" und dem "Till Eulenspiegel" von Richard Strauss, mit Ausflügen ins Vokale anhand von Wagners Siegfried (3. Akt) und Schönbergs "Gurreliedern". Daneben findet man aber auch, was der Amerikaner Levine den Münchnern aus seiner Heimat mitgebracht hat: Gershwin, Ives, Carter oder auch weitgehend Unbekanntes von Sessions, Wuorinen, Di Domenica oder Harbison.

  • Musikbeispiel: Elliot Carter - aus: Variations for Orchestra (Oehms 502)

    Wie so manche Kulturinstitution sind auch die Münchner Philharmoniker in den letzten Jahren immer mal wieder wegen heftiger Differenzen zwischen städtischer Administration und künstlerischer Leitung in die Schlagzeilen geraten. Und wie anderswo auch ging es dabei ums liebe Geld. Sergiu Celibidache, von 1979 bis zu seinem Tode 1996 Chef des Orchesters, hatte der Stadt einst 130 Planstellen für sein Orchester abgerungen. Levine handelte dann zu Beginn seiner Amtszeit mit dem damaligen Münchner Kulturreferenten Julian Nida-Rümelin noch 125 Stellen aus, von denen im Laufe der Zeit zwei wegfielen. Und da von der heutigen Kulturreferentin Lydia Hartl zu hören war, auch 115 Stellen seien "noch ganz in Ordnung", ließ sich Christian Thielemann vor Beginn seiner auf sieben Jahre angelegten Chefdirigententätigkeit vertraglich ein Sonderkündigungsrecht einräumen, falls die Sollstärke des Orchesters unter 120 Musiker sinken sollte.

    Trotz aller Sparmaßnahmen will man jedoch weiter ein Spitzenorchester sein, mithalten können im internationalen Vergleich, würdig eine Geschichte fortschreiben können, die 1893 begann. Immerhin waren es die Münchner Philharmoniker, die unter Gustav Mahlers Leitung 1901 dessen 4. Symphonie und 1910 dessen "Symphonie der Tausend" uraufführten. Unter der Leitung von James Levine hört man in der neuen CD-Serie Mahlers 9. Symphonie.

  • Musikbeispiel: Gustav Mahler - 2. Satz (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 9 (Oehms 503)

    Levines Berufung 1999 zum Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker war anfangs nicht von jedermann bejubelt worden. Grund waren nicht künstlerische Einwände, sondern vielmehr die Sorge, ob der amerikanische Dirigentenstar ausreichend in Bayerns Hauptstadt anwesend sein würde, wollte er doch seinen Hauptjob an der New Yorker Metropolitan Opera keineswegs aufgeben. An dieser weltbekannten Oper hatte Levine 1971 mit 28 Jahren erstmals dirigiert; zwei Jahre später wurde er dort Chefdirigent, 1976 musikalischer Leiter und 1986 künstlerischer Direktor. Diese Karriere an der MET ist in der Geschichte der New Yorker Oper und der heutigen Musikwelt einzigartig - bis heute leitete Levine dort 2100 Vorstellungen von etwa 80 verschiedenen Opern.

    Daneben trat er noch als Pianist und vor allem als Liedbegleiter auf, übernahm Gastdirigate, wurde regelmäßig für die Salzburger Festspiele und für Bayreuth verpflichtet. Und trotz alledem gelang es ihm noch, auch in München Großartiges abzuliefern. Seine "Gurrelieder" vom Juli 2001 hinterließen bei Publikum und Kritik großen Eindruck und brauchen den Vergleich mit bisher führenden Aufzeichnungen auf CD wie z. B. der Decca-Produktion unter der Leitung von Riccardo Chailly keineswegs zu scheuen.

  • Musikbeispiel: Arnold Schönberg - 'So tanzen die Engel’ aus den "Gurreliedern" (Oehms 501)

    "So tanzen die Engel" aus den "Gurreliedern" von Arnold Schönberg. Solist war Ben Heppner.
    Während der Chefdirigentenzeit von James Levine haben die Münchner Philharmoniker ihr Repertoire deutlich erweitert. Auch in der CD-Dokumentation fällt der Schwerpunkt auf, den der amerikanische Dirigent setzte: Mit großem Engagement machte er Kompositionen seiner Landsleute in München bekannt, Unterhaltsames wie diese kubanische Ouvertüre von George Gershwin zum Beispiel.

  • Musikbeispiel: George Gershwin - aus: Cuban Overture (Oehms 507)

    Aber auch Schwierigeres, im engeren Sinne Neue Musik, von Komponisten wie Elliot Carter, Charles Wuorinen, Roger Sessions oder Robert di Domenica bietet der CD-Rückblick, gespielt mit großem Engagement und offensichtlicher Sachkenntnis. Mein persönlicher Favorit ist hier allerdings die 2. Sinfonie von Charles Ives.

  • Musikbeispiel: Charles Ives - 1. Satz (Ausschnitt) aus: Symphony No. 2 (Oehms 503)


    Titel: "James Levine - Documents of the Music Years" Vol. 1-8
    Orchester: Münchner Philharmoniker
    Leitung: James Levine
    Label: Oehms Classics
    Labelcode: LC 12424
    Bestellnr.: OC 501 bis 508; kompl. CD-Box: OC 509