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Höhere Lebenserwartung und Lebensqualität

Typ-2-Diabetes war in den 60 er Jahren eher selten: weniger als ein Prozent der Bevölkerung waren daran erkrankt - heute sind es bereits sieben bis acht Prozent: Zu viel gutes Essen und zu wenig Bewegung werden unter anderem dafür verantwortlich gemacht. Wie können nun die an Typ-2-Diabetes Erkrankten ihre Lebenqualität erhalten? Bereits seit langem fordern Diabetologen, dass nicht nur Typ-1-Diabetiker, sondern auch Typ-2-Diabetiker ihre Zuckerwerte durch Selbstmessen kontrollieren sollen. Eine gerade abgeschlossene Studie des Deutschen Diabeteszentrums in Düsseldorf hat nun erstmals den direkten und langfristigen Nutzen dieser Messungen nachgewiesen. Die Studie ist jetzt Grundlage für neue Leitlinien: Die Internationale Diabetes Federation empfiehlt, allen neuerkrankten Typ-2-Patienten solle dieser Blutzucker-Selbsttest während eines Schulungsprogramms vermittelt werden.

Von Hannelore Becker-Willhardt |
    " Als mir mein Arzt sagte, ich hätte Diabetes vom Typ 2, das war schon ein Schock. Also ich und Altersdiabetes! Dabei habe ich mich immer so ganz gesund gefühlt. Ich hab zwar ein bisschen Übergewicht, - na ja, auch einen hohen Blutdruck. Und ich sollte mehr Sport machen. Aber jetzt nur noch strengste Diät? Und vielleicht auch Tabletten? Mein Leben lang!? "

    Doch so weit sollte es für den 48-jährigen Patienten gar nicht erst kommen. Zu seinem Glück hat ihn sein Arzt in die Ambulanz der Deutschen Diabetes-Klinik in Düsseldorf überwiesen. Was er dort lernt, um den Diabetes selbst in den Griff zu bekommen, erklärt Prof. Stefan Martin.

    " Nach der Diagnose des Typ-2 Diabetes ist es wichtig, dass die Patienten erst einmal drei bis vier Monate eine Änderung des Lebensstils machen. Wir empfehlen, dass man in dieser Zeit nicht schnell Tabletten gibt und nicht Insulin spritzt. "

    Viemehr empfiehlt er Patienten, die neu am Typ-2 Diabetes erkrankt sind, in den ersten Monaten Blutzucker-Tagesprofile zu erstellen.09

    " Aber nicht jeden Tag, sondern einfach nur um ein Gefühl dazu bekommen: Wie verändert sich der Blutzucker? Der Blutzucker ist nicht wie der Cholesterinwert, der immer gleich bleibt. Sondern, wenn man was isst, steigt er plötzlich an. Morgens besonders nach dem Frühstück. Und fällt dann auch relativ schnell wieder ab. "

    Für die Blutzuckerbestimmung bekommen die Patienten ein kleines Messgerät mit nach Hause. Und schon ein Topfen Blut aus der Fingerspitze reicht, um in Minutenschnelle den Zuckerwert zu bestimmen: Und zwar morgens nach dem Aufstehen, dann vor und nach den Mahlzeiten, ebenso auch nach körperlicher Anstrengung.

    Und dann müssen die Pfunde runter! So lernen Diabetiker, sich gesund, also vor allem fettarm zu ernähren, - wobei Typ-2 Diabetiker die so genannten ”Broteinheiten” dabei völlig außer Acht lassen können, betont Prof. Martin.

    " Das ist ja auch keine Diät, sondern es ist eine mediterrane Kost, die wir empfehlen, eine gesunde Ernährung. Und beim Sport, da sehen wir, dass wir sogar durch ganz kleine Maßnahmen viel erreichen können. Wenn man dann sieht, plötzlich an einem Tag war der Blutzucker geringer, dann nachfragen: Was haben sie an diesen Abend gemacht? Häufig kommt dann raus, dass der Patient sagt: Da war ich spazieren mit meiner Frau. Und dann kann man dem Patienten sagen: Was halten sie davon, wenn sie das jetzt jeden Abend machen und vielleicht wollen sie mal zum Sportverein gehen? Und da kann man auch viel erreichen bei dem Patienten, weil er auch sofort sieht, nicht erst nach drei Monaten, sondern sofort sieht: ich habe im Endeffekt einen besseren Wert. "

    Patienten, die ihren Blutzucker regelmäßig selbst kontrollieren, lernen nicht nur, wie sie ihren Zucker-Wert ohne Medikamente auf ein Normal-Maß senken können. Sie gewinnen langfristig auch ein Mehr an Lebensqualität. Das zeigt eine breitangelegte Studie des Deutschen Diabetes-Zentrums. Sie lief 6 ½ Jahre lang bundesweit in 192 Hausarztpraxen. Danach haben Prof. Martin und seine Kollegen die Daten von insgesamt 3268 Patienten ausgewertet, die am Typ-2 Diabetes neu erkrankt waren.

    Das Ergbnis: Schwere Folgeschäden des Diabetes, wie Amputation, Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblinden und Nierenversagen, verringern sich, statistische gesehen, um ein Drittel. Und das Risiko frühzeitig zu sterben sinkt um ganze 40 Prozent, - im Vergleich zu Diabetikern, die keine Blutzucker-Selbstkontrolle betreiben.

    " Die Frage ist natürlich: Was ist die Ursache? Und wir vermuten, - und das wissen wir aus vielen einzelnen Patientenfällen - , dass viele Patienten ihren Lebensstil dem Blutzucker anpassen. Die messen den Blutzucker und sehen, wenn sie was essen, dann steigt der Blutzucker sehr stark an. Oder wenn sie sich bewegen, dann fällt der Blutzucker ab. Und ich glaube, das ist das Wesentliche: Die Blutzucker-Selbstkontrolle ist ein Motivationsinstrument zur besseren Einstellung, zur besseren Umsetzung des Life-Styles. "

    Regelmäßig Blutzucker-Selbstkontrolle, gesunde Ernährung und viel Bewegung: das Eigen-Engagement kann sich für Diabetiker schnell auszahlen.

    " Also jemand, der unter 60, unter 65 ist, wird wahrscheinlich den Diabetes komplett verdrängen können, in den Normalzustand wieder zurück kommen können. Aber er muss es konsequent machen. "

    Der 48jährige Patient jedenfalls hat diese Chance genutzt.

    " Ich mache nun regelmäßig meine Blutzucker-Selbstkontrolle. Und seitdem ich das mache, ist mein Zucker besser geworden ,- und ganz wichtig: Ich habe eine gute Lebensqualität. "