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Höhlentour mit Hightech

Unter dem Dachsteinmassiv in Österreich verbirgt sich eines der größten Höhlensysteme der Erde. In ihrem Verlauf sind die Höhlen auf der Nord- und Südseite des Gebirges recht gut erforscht und teilweise auch für Touristen zugänglich. Ein Team von Kartographen hat jetzt versucht, mit einem Laserscanner auch das Volumen der unterirdischen Räume zu bestimmen. Professor Manfred Buchroithner aus Dresden erklärt das Projekt im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Ralf Krauter: Wer eine Woche lang im Schein seiner Stirnlampe eine schwer zugängliche Höhle erkundet, darf kein Weichei sein. Denn gefährliche Kletterpartien, die allgegenwärtige Feuchte und die Nächte im Biwaksack gehen rasch an die Substanz. Ein Professor von der Universität Dresden kann es trotzdem nicht lassen: Der Kartograph Manfred Buchroithner hat sich zum Ziel gesetzt, das riesige Höhlensystem unter dem Dachsteinmassiv in den Alpen genauer als je zuvor zu vermessen, und zwar dreidimensional mit einem Laserscanner. Bei einer Expedition im vergangenen September hat er Millionen Messpunkte genommen. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse er sich davon verspricht, das habe ich Professor Buchroithner vor der Sendung gefragt.

    Professor Manfred Buchroithner: Na ja, es heißt ja, nicht das Erdöl, sondern das Trinkwasser wird die wertvollste Ressource des 21. Jahrhunderts sein. Wenn wir nur mal vor dem Stichwort Trinkwasser das Ganze betrachten: Die Karsthydrologie - und die Höhlen, die die größten der Erde sind, sind ja in erster Linie in Kalk-, also in Karstgebieten - die Karsthydrologie hat sich zur Aufgabe gesetzt, auch die Trinkwasserversorgung in den jeweiligen Gebieten sicherzustellen. Und jetzt muss man sich einen derartigen Gebirgsstock wie beispielsweise das Dachsteinmassiv wie Schweizer Käse vorstellen. Die Frage erhebt sich: Wie genau kann ich das Volumen dieser Hohlräume, die im Endeffekt nach der Schneeschmelze, nach starken Regenfällen mit Wasser gefüllt werden, wie genau kann ich das eben bestimmen. Wenn ich jetzt punktuell zumindest oder entlang eines Höhlenschlauchs einmal hochexakt die quantitativen Aussagen verfeinern kann, dann bin ich in der Lage, für ein gesamtes Gebirgsmassiv doch ein bisschen genauer zu extrapolieren, um das Wasserfassungsvermögen quantitativ zu bestimmen.

    Krauter: Was haben Sie denn schon gelernt? Sie haben ja versucht, diese Daten auch dreidimensional am Computer in Karten umzusetzen. Kann man schon wirklich Ergebnisse verkünden?

    Buchroithner: Ja, eines muss ich schon sagen: Das war zum ersten Mal, dass wir unter derart extremen Bedingungen - man muss, Sie haben es schon angedeutet, auch im vierten Schwierigkeitsgrad seilfrei klettern können, um überhaupt in diese Höhle hineinzukommen, man muss schwindelfrei sein, man muss sich 60 Meter freihängend abseilen können beispielsweise und dann am Seil wieder aufsteigen - also abgesehen von diesen körperlichen Fähigkeiten geht es uns in erster Linie darum, Methoden zu entwickeln. Während wir zunächst einmal mit unserer Profilquerschnitt-Methode versucht haben, so gut wir hinkommen klassisch manuell, wenn Sie so wollen, die Formen der Höhlengänge zu bestimmen, so haben wir jetzt auch methodisch mal ausgetestet, inwieweit wir mit einem bestimmten Typ eines Rotationslaserscanners da in der Höhle überhaupt arbeiten können. Sie müssen sich vorstellen, die Außenbedingungen sind sehr extrem. Es hat nur wenige Grade über Null und deutlich mehr als 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Das stellt natürlich sowohl an die mitgebrachten Rechner als auch vor allem an einen derartigen Laserscanner entsprechend hohe Anforderungen.

    Krauter: Also modernste Technik auf dem Prüfstand. Ein Aspekt Ihrer Expedition war ja auch, eine möglicherweise existierende Verbindung zwischen Höhlen auf der Nord- und Südwand des Dachsteins zu finden. Wie sicher kann man denn sein, dass es die tatsächlich geben könnte?

    Buchroithner: Das ist eine weitere Faszination gerade der Expeditionen unter dem Dachsteinmassiv, dass die Möglichkeit bestehen könnte, dass die bekannten und auch für den Tourismus erschlossenen Höhlen im Bereich Hallstatt auf der Nordseite und jene im Bereich der Skistation Schladming auf dem Süden des Gebirges zusammenhängen. Färbeversuche, die Kollegen schon in den Achtzigerjahren durchgeführt haben, mit Wasser, haben gezeigt, dass jenes rhodaminrot gefärbte Wasser, das auf der Südseite eingeflößt wurde, ganz im Norden in Talnähe bei Quellen herauskam. Das berechtigt zu der Annahme, dass wir wirklich ein Verbindung haben. Die Frage erhebt sich nun: Ist diese unterirdische Verbindung unter fast 2000 Metern Kalkgestein wirklich auch für den Menschen begehbar?

    Krauter: Da gibt es aber noch keine Antwort?

    Buchroithner: Da sind wir mit ganz extremen Höhlenforschungskollegen aus Österreich daran, dieser Frage nachzugehen, und gleichzeitig mit unseren Laservermessungen haben einige unserer Freunde aus dem Ennstal in der Steiermark auch einen weiteren Vorstoß unternommen, sodass nunmehr "nur noch" unter Anführungszeichen gut vier Kilometer fehlen, um diese Lücke zu schließen. Und ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn ich's noch erleben würde, dass die bekannten Höhlensysteme auf der Nordseite des Dachsteins und jene im Süden wirklich zusammenhängen. Denn das hieße, dass es sich um eines der zehn größten Höhlensysteme der Erde handeln würde.