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Höhn: Kanada gehört schon länger zu den Blockierern

Die Grünenpolitikerin Bärbel Höhn bezeichnet den Ausstieg Kanadas aus dem Kyoto-Protkoll als "besonders heftig". Dass das Land direkt im Anschluss an die südafrikanische Klimakonferenz den Kyoto-Prozess verlasse, entwerte auch die Beschlüsse von Durban.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Bettina Klein | 13.12.2011
    Bettina Klein: Die Weltklimakonferenz in Durban ist also gerade einmal ein paar Tage her, da erklärt Kanada seinen Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll.
    Am Telefon begrüße ich Bärbel Höhn, sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag. Guten Morgen!

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Frau Höhn, wir haben es gerade im Bericht gehört: Kyoto sei ein Ding der Vergangenheit. Das ist eine bekannte Haltung Kanadas offenbar gewesen. Dann dürfte die Entscheidung so überraschend nicht gewesen sein?

    Höhn: Das ist in der Tat so, weil in Durban ja vereinbart worden ist, Kyoto weiterzuführen, aber da auch schon mehrere Länder haben durchblicken lassen, dass sie da nicht mehr mitmachen wollen – nicht offiziell, sondern, ich sage mal, auch in kleineren Runden -, sodass man davon ausgehen kann, dass de facto am Ende in diesem Kyoto-Prozess selber eigentlich nur noch die EU und einige wenige andere Länder sind. Das sind dann ungefähr 15 Prozent der CO2-Verschmutzer sozusagen, also ein sehr geringer Anteil, der im Kyoto-Prozess bleibt.

    Klein: Also in Durban hat das nur, wie ich Sie verstehe, hinter verschlossener Türe eine Rolle gespielt und keiner hat sich über die Möglichkeit, die da aufgetaucht ist, besonders aufgeregt?

    Höhn: Na, ich meine, es gab schon - - Eigentlich allen Teilnehmern und auch denjenigen, die jetzt nicht nur in den Geheimrunden waren, den war schon klar, dass Kanada auf Dauer nicht drin bleiben würde. Dass sie direkt nach der Konferenz sagen, wir steigen aus, das ist schon natürlich irgendwie besonders heftig. Aber ansonsten war schon klar, dass am Ende eigentlich nur noch diese 15 Prozent Verschmutzer wirklich im Durban-Prozess bleiben.

    Klein: Wie schwer wiegt diese Entscheidung Kanadas jetzt für den weiteren Fortgang der Bemühungen um Klimaschutz?

    Höhn: Also aus meiner Sicht ist in Durban eigentlich Folgendes passiert, dass einige Länder gesagt haben, wir gehen voran, wir machen was, und andere Länder sich ein Stück davon verabschiedet haben, von diesem Prozess. Und die Länder, die vorangehen – das ist die EU und einige weitere, übrigens eben auch einige der armen Länder, einige Schwellenländer, die auch den Prozess in Durban vorangetrieben haben -, und die anderen sind momentan eher auf dem Rückzug, sind Blockierer. Dazu gehört Kanada schon seit einiger Zeit. Deshalb ist es eben auch nicht ganz erstaunlich, dass Kanada jetzt diesen Weg geht, weil Kanada zum Beispiel ja auch diese Ölsande fördert, weil Kanada überhaupt gar nichts macht, um die Häuser zu isolieren. Also dass die Leute dann frieren, hat auch damit zu tun, dass Gegenmaßnahmen nicht ergriffen werden. Insofern haben wir eigentlich eine Situation der zwei Geschwindigkeiten: einige Länder, die vorangehen und da auch Chancen drin sehen, auch wir in Deutschland. Wir sind ja mit den erneuerbaren Energien weltweit führend, haben auch die Wirtschaftskrise sehr gut überstanden, und das könnten wir natürlich auch, wenn wir stärker in der Energieeffizienz einsteigen, also beispielsweise in die Dämmung.

    Klein: Frau Höhn, Entschuldigung! Noch mal zum Prozess gefragt. Sie haben gerade gesagt, wir werden auch dort bei den Klimaverhandlungen so etwas haben wie eine Bewegung von zwei Geschwindigkeiten. Das heißt, im Grunde genommen ist es zunächst mal verschmerzbar und verkraftbar, dass Kanada jetzt auch aussteigt.

    Höhn: Nein, ich finde es nicht verschmerzbar. Wenn wir die Situation im letzten Jahr sehen, 2010, da ist der CO2-Ausstieg um sechs Prozent gestiegen ist, also dramatisch. Das war das zweithöchste Jahr mit den Schäden, die eben durch Klima und Winde und Stürme und Fluten entstanden sind. Das heißt, die Schäden durch den Klimawandel werden immer höher, und insofern muss dringend gehandelt werden. Aber wir erleben einfach, dass einige Länder blockieren, und da ist halt die Frage, macht denn gar kein Land was, oder gibt es bestimmte Länder, die vorangehen, und das könnte auch Europa sein. Es könnte auch ein Vorteil für Europa sein, denn wir haben momentan einen Preis für die CO2-Zertifikate von unter neun Euro. Das ist dramatisch wenig. Wir könnten sehr viel schneller vorangehen, weil, das heißt eigentlich, dass viel zu viel CO2-Zertifikate auf dem Markt sind.

    Klein: Kanada argumentiert ja damit, dass die USA und China ja auch nicht mit dabei seien und das Ganze eben nicht funktionieren könne. Ist das aus dieser Sicht vielleicht eine wirklich sehr realistische Betrachtungsweise?

    Höhn: Also dass die USA und China nicht dabei sind, ist ja schon eine Sache, die seit einigen Jahren bekannt ist, und zwar deshalb, weil die USA ja dabei sein wollte, das aber nicht durch den Senat damals bekommen hat. Die haben eben diese Konstruktion, dass Republikaner und Demokraten fast immer gleichauf sind und dass sie eigentlich nie eine Zweidrittelmehrheit für was auch immer im Senat haben. Und die Chinesen haben gesagt, wir wollen uns nicht kontrollieren lassen, wir machen viel, aber wir werden es nicht zulassen, dass internationale Kontrolleure nach China kommen und das alles überprüfen. Insofern haben diese beiden Länder immer geblockt. Aber dieses Jahr war der Druck, den die EU-Kommissarin Hedegaard mit einigen anderen Ländern aufgebaut hat, auf China so groß, dass China bereit war, sich da auch zu bewegen, und es gibt ja auch den Beschluss, dass man guckt, dass man zu einem gemeinsamen Abkommen kommt. Aber Sie haben natürlich recht: Einige waren auch ganz froh, dass in Durban überhaupt was passiert ist, und jetzt mit dieser, ich sage mal, Ankündigung von Kanada, jetzt den Kyoto-Prozess zu verlassen, merkt man natürlich, dass das eigentlich nicht viel wert war, was in Durban entschieden worden ist, sondern dass der Zerfledderungsprozess wieder ein Stück weitergeht.

    Klein: Die Einschätzung von Bärbel Höhn, sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag. Ich bedanke mich für das Gespräch, Frau Höhn.

    Höhn: Bitte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.