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Hörbücher gewinnen Preise

"Ein Hörspiel kommt zu genau festgelegten Sendezeiten. Ob es in den Tagesablauf passt oder nicht. Wer dann nicht am Radio sitzt, bleibt außen vor", so schrieb der ehemalige Leiter der Hörspielabteilung des Hessischen Rundfunks Christoph Buggert im Jahr 1989, als dem – mit wenigen Ausnahmen – auch tatsächlich so war. Wer in jener grauen Frühzeit nicht mit Kassettenrecorder und Zeitschaltuhr oder einem zuverlässigen Freund ausgestattet war, musste zu Hause bleiben, ein mit einem guten Radio ausgestattetes Auto finden oder sein Lieblings-Hörspiel eben verpassen. Die wenigen Ausnahmen hatte Hermann Naber zu verantworten. Im Jahr 1986 vereinbarte der Hörspielleiter des damaligen Südwestfunks eine Kooperation mit dem Klett-Cotta-Verlag, in deren Folge der traditionsreiche Buchverlag begann, Hörspiele auf Kassette zu ziehen. "Cottas Hörbühne" hieß diese erste Audiobook-Edition, zu einer Zeit, als noch niemand diesen Begriff kannte und erst Recht nichts von dem heutigen Boom ahnte. Über 7000 neuerscheinende Hörbücher kündigen die Verlage für das Jahr 2003 an.

Frank Olbert |
    Gleich drei Preise feiern inzwischen die auf Magnettonband oder CD haltbar gemachte flüchtige Kunst. Der jüngste von ihnen, der vom Westdeutschen Rundfunk und seiner Werbetochter, der Westdeutschen Rundfunkwerbung GmbH gestiftete Deutsche Hörbuchpreis wurde am 23. März in Köln zum ersten Mal verliehen. Acht Juroren, die Literaturwissenschaftler Jörg Drews und Gert Ueding, die Schauspielerin Leslie Malton, Reiner Unglaub von der Bayerischen Blindenhörbücherei und die Autoren Martin Stankowski, Anna Mikula und Ralf Niemczyk kürten 5 Preisträger in 5 Kategorien.

    Als beste Interpretatorin galt ihnen Senta Berger mit ihrer Lesung der "Fräulein Else" in der gleichnamigen Novelle von Arthur Schnitzler. Die beste Information bot – nach Meinung der Jury - Ryszard Kapuscinski mit dem Hör-Sachbuch "König der Könige – Eine Parabel der Macht", eine literarische Reportage über den letzten äthiopischen Kaiser Haile Selassie, gelesen u.a. von Friedhelm Ptok, Brigitta Assheuer und Mortiz Stoepel.

    Am besten unterhalten hat die Juroren die akustische Fassung von Vladimir Nabokovs tragikomischem Roman "Pnin". Die beste Innovation sahen sie in der von Urs Engeler und Christian Scholz herausgegebenen Anthologie "Fümms bö tää zää Uu", die "Stimmen und Klänge der Lautpoesie" versammelt.

    Der Witwe des im vorletzten Jahr verstorbenen Regisseurs Joachim Staritz übergab Laudatorin Hannelore Hoger den Preis in der Kategorie "Best of all" für das von ihm bearbeitete und umgesetzte Hörspiel "Die Reiterarmee" nach Erzählungen Isaak Babels. "Den potenziellen Kunden eine zusätzliche qualitative Orientierungshilfe geben und darüber hinaus diesem Medium ein noch breiteres Publikum erschließen" will der Deutsche Hörbuchpreis nach Auskunft von Wolfgang Schmitz, stellvertretenderHörfunkdirektor des WDR und Mitinitiator des neuen Preises. www.der-deutsche-hoerbuchpreis.de

    Nicht durch eine Jury, sondern in einer Publikumsbefragung wird der Preisträger des "Hörkules" ermittelt, der auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse zum dritten Mal überreicht wurde. Die Münchner Marketing Agentur "Buchwerbung der Neun" hat ihn ins Leben gerufen. Ihr sind etwa 100 Buchhandlungen assoziiert, die – nach eigenen Angaben – rund 10 Prozent des Umsatzes auf dem deutschen Buchmarkt repräsentieren. 5700 ihrer Kunden wählten per Teilnahmekarte in diesem Jahr den "kleinen Prinzen", gelesen von Ulrich Mühe zum populärsten Hörbuch.

    Mit Daniela Utecht von der Münchner Marketinagentur "Buchwerbung der Neun" habe ich mich unterhalten.

    Frank Olbert: Der "Hörkules" ist ein Publikumspreis. Wie wird er ermittelt?

    Daniela Utecht: Wir haben ein Redaktionsteam aus Hörbuchhändlerinnen von großen Buchhandlungen und dem Hörspielleiter beim Mitteldeutschen Rundfunk, Matthias Thalheim. Dieses Redaktionsteam erstellt eine Vorschlagsliste mit 100 Titeln. Daraus können dann die Hörbuchhörer jeweils fünf Lieblingshörbücher wählen. Und wer die meisten Stimmen bekommt, erhält den "Hörkules".

    Frank Olbert: Aber das ist nicht die Buchhandlung um die Ecke, die da die Vorauswahl trifft?

    Daniela Utecht: Das sind größere Buchhandlungen. Da ist zum Beispiel Bouvier dabei, Huggendubel, Thalia.

    Frank Olbert: Welchen Stellenwert hat denn das Hörbuch überhaupt im Buchhandel?

    Daniela Utecht: Das Hörbuch hat zwar auf den Gesamtbuchhandel hin betrachtet noch einen relativ geringen Stellenwert, ist aber eines der ganz wenigen Segmente im Buchbereich, das noch wächst und sehr gute Wachstumsraten zu verzeichnen hat.

    Frank Olbert:Wie ist die Entwicklung über die letzten Jahre?

    Daniela Utecht: Ich denke, man kann schon von einem Boom sprechen, der sicher auch von dem Erfolg einzelner Hörbücher angestoßen wurde. Davor war es eine eher stetige Entwicklung. Mit der Audioedition des "Harry Potter" und dann des "Herrn der Ringe" kam aber dann eine richtige Explosion in diesem Bereich.

    Frank Olbert:Seit diesem Jahr gibt es einen neuen Hörbuchpreis der in Köln im Rahmen der litcologne überreicht wird. Empfinden Sie den "Deutschen Hörbuchpreis" als Konkurrenz zum "Hörkules"?

    Daniela Utecht: Es sind ja zwei unterschiedliche Preise. Der "Deutsche Hörbuchpreis" wird von einer Jury vergeben. Unser "Hörkules" ist der einzige Publikumspreis, den es für das Hörbuch gibt. Ich denke die beiden Preise ergänzen sich eher als dass sie miteinander konkurrieren. Und ich finde eigentlich alles ganz positiv, das das Hörbuch in irgendeiner Form fördert.

    Während man darüber streiten kann, wie sinnvoll die Auszeichnung des ohnehin schon Populären durch einen mehr oder weniger willkürlichen Ausschnitt der Kundschaft der großen Buchhandlungen des Landes ist, setzt der älteste der deutschen Hörbuchpreise allein auf Qualität. Vor sechs Jahren wurde die "HR-Bestenliste" vom "Börsenblatt des Deutschen Buchhandels" und dem Hessischen Rundfunk eröffnet. Einundzwanzig Kritiker und Autoren stellen sie Monat für Monat zusammen und küren einmal im Jahr das Hörbuch und das Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres. Spitzenreiter der Liste war im März 2003 Paul Grätz mit "Heimweh nach Berlin".