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Genervtes Willkommen: Ein Offizier über Politiker-Besuche

Die Bundeswehr verlegt ihre Anti-IS-Truppen aus dem türkischen Incirlik nach Jordanien: Die Türkei erlaubte deutschen Politikern keine Truppenbesuche mehr. Darüber sprach das DLF-Magazin mit dem ARD-Verteidigungsexperten Christian Thiels - Anlass für einen Hörer und ehemaligen Bundeswehr-Offizier, uns seine Sicht zu schildern.

22.06.2017
    Das Archivbild zeigt mehrere Kampfjets der Bundeswehr in Incirlik. Sie werden von orangenem Licht angestrahlt.
    Die Bundeswehr zieht nach einem Beschluss des Bundestages aus Incirlik ab (dpa / Bundeswehr)
    ARD-Verteidigungsexperte Thiels hatte im Interview mit uns ausgeführt, viele Politikerbesuche bereiteten den Soldaten im Auslandseinsatz vor allem Mühe und Aufregung, er sprach wörtlich von einer "monkey show":
    Audio Player
    Anonymisiert hier der Brief mit der Reaktion unseres Hörers:
    Guten Tag,
    ich höre gerade Ihre Sendung. Ich war dreimal als Offizier im Einsatz und kann Ihnen versichern, dass die Abgeordnetenbesuche stark überbewertet werden und viel Zeit, Personal und Anstrengung binden. Im Endeffekt gibt es eine Show, die wenig, bis nichts bewirkt.
    Darüber hinaus gibt es Einsätze, bei denen der Kommandeur nicht Deutscher ist. Bei jedem Abgeordnetenbesuch verlangen die Abgeordneten aber ein Briefing durch den Kommandeur. Das macht er gerne ein oder zwei Mal. Aber wenn jeden Monat deutsche Abgeordnete zu Besuch sind, fängt es an, ihn zu stören. Als ich in Mali unter französischem Kommando diente (1. Einsatzkontingent), waren die vielen Abgeordnetenbesuche ein 'Running Gag'. Einmal pro Woche gab der Stab dem Kommandeur ein komplettes Briefing, und am Ende wurde ihm durch sein Adjutanten sein Terminkalender für die nächste Woche vorgestellt. Wenn dort mal kein deutscher Besuch angekündigt war, hat der Kommandeur seine Erleichterung kaum verbergen können.
    Sie müssen auch eines beachten. Aufgrund der sehr starken zivilen Kontrolle der Bundeswehr hängt das berufliche Schicksal deutscher Offiziere (und besonders Generäle) in einem viel größeren Umfang vom Wohlwollen der Politiker ab als in anderen Armeen. Sie verursachen daher schon Wochen vor dem Besuch einen hektischen Aktionismus, damit alles perfekt läuft, damit die Abgeordneten mit einem positiven Eindruck zurückkehren (vor allem, wenn die im Verteidigungsausschuss sitzen - was ja oft der Fall ist).
    Ich habe während meiner gesamten Dienstzeit keinen Soldaten kennengelernt, dem diese Besuche am Herzen lagen (Ausnahme: Wehrbeauftragter). Die Eindrücke, die die Abgeordneten bekommen, sind irreführend, da mühsam vorbereitet und fabriziert.
    Mit freundlichen Grüßen ---