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Hörerwelten
"Landwirtschaft ist ein Generationenvertrag"

Reaktionär und oberflächlich berichteten viele deutsche Medien über Bauern, kritisiert der Hörer Tim Bubinger auch den Dlf. Auf seinem Hof erklärt der Landwirt seinen subjektiven Blick auf das Thema.

Von Henry Bernhard |
    Man sieht einen Traktor als schwarze Silhouette und die nachfolgende Staubwolke im Gegenlicht. Durch die Wolken scheinen Sonnenstrahlen.
    Es sei das Bestreben eines jeden Landwirtes, mit seiner Grundlage - dem Acker - nachhaltig umzugehen, sagt Landwirt Dietrich Bubinger. (dpa-Zentralbild / Patrick Pleul)
    "Das ist ein richtiger Vier-Seiten-Hof. Da stand früher hier eine große Fachwerk-Scheune, die aber dann abgerissen wurde zu DDR-Zeiten. Und da haben wir da unten die Getreidehalle gebaut und hier oben das Schleppdach als Maschinen-Unterstand. Da ist Werkstatt eingerichtet, Pflanzenschutzmittel-Container, ja und die notwendige Technik, die ein Landwirtschaftsbetrieb eben braucht."
    Vier Traktoren, ein Mähdrescher, ein Grubber, der den Pflug ersetzt, ein kleines Transportfahrzeug, eine Spritze für Pflanzenschutzmittel: Dietrich Bubinger ist stolz auf seinen Hof im äußersten Ost-Thüringen, den er seit 1991 aufgebaut hat und den er bald an einen seiner sechs Söhne übergeben wird. 1951 waren seine Eltern hier enteignet worden und in den Westen geflohen. Dietrich Bubinger kam 1991 zurück, um immerhin knapp die Hälfte der ursprünglichen Fläche, 45 Hektar, zu bearbeiten.
    Zu oberfläch, zu schlecht informiert
    Weizen, Zuckerrüben, Mais, Hafer, Gerste baut er an. Tiere hält er nicht. Sein Sohn Tim Bubinger hat uns eingeladen zu Kaffee und Kuchen, weil er die Landwirtschafts-Berichterstattung in den Medien, auch im Deutschlandfunk, für zu oberflächlich, zu schlecht informiert hält. Vorab aber sagt er, dass er auf dem Feld, im Traktor oder auf dem Mähdrescher immer Radio hört:
    "Wenn man den ganzen Tag Radio hört, kann man es irgendwann nicht mehr hören, die Musik. Und wenn man nicht gerade säen muss, dann höre ich schon Deutschlandfunk. Es ist eigentlich das einzige Medium, wo ich das Gefühl habe, dass ich seriös informiert werde."
    Dennoch: Tim Bubinger hat sich geärgert. Dass im Zusammenhang mit der sommerlichen Dürre und mit dem Herbizid Glyphosat vieles berichtet wurde, dem er widersprechen möchte.
    "Ich habe Ihnen geschrieben, als diese Trockenheit war und dann der Bauernverband sich hingestellt hat und um Hilfe gebeten hat auf eine Art und Weise, wie es mir nicht gefallen hat, wie es vielen anderen Landwirten auch nicht gefallen hat. Und dann kam eben dazu, dass sich der Bauernverbandspräsident hingestellt hat, eingestanden hat, dass die Landwirte eben mit Schuld sind an diesem Klimawandel."
    "Nicht wirklich ein Interesse an Lösungen"
    Über spritfressende Autos werde viel weniger berichtet. Die Bauern sieht er grundlos an den Pranger gestellt:
    "Da der Land- und Forstwirt der einzige Wirtschaftsbereich ist, der überhaupt was dazu beiträgt, dass wir in diesem Land CO2 binden. Und ich habe dann schon den einen oder anderen Beitrag gehört und auch gelesen - im Internet, der Süddeutschen oder eben im Deutschlandfunk. Und da hatte ich einfach das Gefühl, dass das Ganze sehr oberflächlich und sehr reaktionär behandelt wird und dass nicht wirklich an Lösungen ein Interesse da ist. Es gibt sicher Dinge, die man noch ändern muss in der Landwirtschaft, aber die Art und Weise, wie darüber gesprochen wird, ist schon pervers, ja."
    In den Redaktionen säßen nur wenige oder keine Redakteure, die wirklich Ahnung hätten, wovon sie berichten. Beispiel Glyphosat: Dietrich Bubinger sagt, er würde schon aus wirtschaftlichen Gründen so wenig Chemie wie möglich einsetzen. Manchmal aber sei sie unumgänglich, da die alternative Bearbeitung mit Maschinen dem Boden noch mehr schaden würde.
    "Jeder Politiker der anfängt, das Wort "Nachhaltigkeit" in den Mund zu nehmen in Verbindung mit Landwirtschaft, der sollte sich wirklich mal schlau machen, was Landwirtschaft eigentlich bedeutet. Landwirtschaft ist ein Generationenvertrag; das heißt, das, was ich heute mache auf meinem Feld, das müssen auch meine Kinder und Enkelkinder irgendwann noch auf dem Feld machen können. Und deswegen ist es nur das Bestreben eines jeden Landwirtes, mit seiner Grundlage - und das ist der Acker - nachhaltig umzugehen. Das braucht mir niemand zu sagen."
    Ein Viertel Umsatzeinbuße durch Dürre
    Der trockene Sommer hat auch bei den Bubingers heftige Spuren hinterlassen: 72 Doppelzentner Weizen pro Hektar heben sie geerntet – statt 92 Doppelzentner, wie sonst üblich. Noch schlimmer beim Raps: 24 statt 40 Doppelzentner haben sie eingefahren. Umsatzeinbuße: etwa ein Viertel.
    "Ich bin Unternehmer. Ich hab gewusst, was ich anfange, dass ich Landwirtschaft mache, dass mein Arbeitsfeld unter freiem Himmel ist und ich da immer abhängig bin von Witterung. Und damit muss ich leben. Das Gejammere hat sich bewährt in manchen Dingen, aber das ist nicht mein Ding."
    So müsse er eben Kosten sparen und in diesem Jahr kürzer treten.
    "Das sind Dinge, über die rege ich mich schon lange nicht mehr auf. Über was ich mich aufrege, ist, dass sehr, sehr viele Leute mir sagen wollen, was ich in der Landwirtschaft zu tun habe, obwohl sie keine Ahnung davon haben."
    An dieser Stelle mischt sich seine Frau Ulrike Bubinger ein. Der Naturschutzbund NABU ist ihr ein Dorn im Auge:
    "Und da gehört der NABU dazu. Weil, wenn NABU irgendwo was schreit, dann sind immer irgendwo die Landwirte mit dran schuld, wenn was schief läuft."
    "Der Landwirt kriegt als allererstes die Klatsche", so Dietrich Bubinger.
    Beide Seiten hören
    "Also, ich finde den NABU ja ganz gut", sagt Tim Bubinger:
    "Also, der NABU ist eine tolle Geschichte – man muss es halt differenziert betrachten – und auch die Grünen und auch Greenpeace, das meine ich ernst. Weil: Die Landwirtschaft würde ohne diese kritischen Menschen auch nicht dort stehen, wo wir heute stehen. Es gab schon, wenn man 50 Jahre zurückschaut, ganz andere Zustände in der Landwirtschaft, da wurde mit Ressourcen, gerade was Düngemittel angeht oder Pflanzenschutzmittel, schon ganz anders umgegangen. Die werden schon gebraucht. Denn sonst würden wir nicht dort stehen, wo wir heute stehen."
    Wie aber können sie sich eine andere Berichterstattung vorstellen?
    "Oh, eine andere Berichterstattung? Da würde es, glaube ich, schon helfen, wenn ein Berichterstatter einfach vielleicht doch ein bisschen mehr von der Sache verstehen würde, also jemand vom Fach ist vielleicht", so Tim Bubinger.
    "Auf jeden Fall ist sinnvoll, beide Seiten zu hören, immer beide Seiten zu hören! Das ist ganz wichtig. Nicht nur zum Beispiel das Grünen-Statement hernehmen, sondern dann sagen: Ok, jetzt fragen wir mal die Gegenpartei, wie sieht die das? Und dann kann der normale intelligente Hörer sich schon rausfiltern, was da rechtens ist", sagt Dietrich Bubinger.