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Hörfunk-Apps
Das persönliche Radioprogramm

Entwickler arbeiten an Hörfunk-Apps, die den Nutzern ein ganz individuelles Radioprogramm zusammenstellen sollen. Gefällt dem Hörer eine Reportage nicht, kann er sie wegklicken und die App schlägt eine Alternative vor. Die Idee kommt ursprünglich von Streaming-Diensten wie Netflix und Spotify.

Von Mike Herbstreuth | 08.10.2016
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone.
    Die Radio-Apps sollen den Nutzern ihr ganz persönliches Programm zusammenstellen. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Viele verschiedene Sender, viele verschiedene Beiträge. Dass da mal was dabei ist, was einem nicht so zusagt - eigentlich logisch. Im digitalen Zeitalter ist das aber etwas, das eben nicht mehr logisch sein muss, weil in der digitalen Welt andere Spielregeln gelten.
    "Die Nutzer erwarten von jeder digitalen Anwendung grundsätzlich ein paar Dinge: Zum einen muss sie On-demand-Charakter haben - wir müssen den Nutzern die Inhalte liefern, die sie wollen und wann sie sie wollen. Lokalität ist auch ein wichtiger Faktor - die Informationen müssen zu der Region passen, in der sich der Nutzer befindet. Außerdem wichtig: Personalisierung - die Anwendung muss auf die Interessen und das Verhalten des einzelnen Nutzers zugeschnitten sein. Und man muss sie mit sozialen Netzwerken verknüpfen können. Das sind die grundsätzlichen Eigenschaften, die so eine Anwendung haben muss, will man die Erwartungen der Nutzer erfüllen."
    App erkundet die Vorlieben des Nutzers
    Das sagt Zach Brand, bis vor kurzem Vice President Of Digital Media bei NPR - so etwas wie das amerikanische Pendant des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er hat mit seinem Team NPR One entwickelt - eine mobile App, die das lineare Radioprogramm von NPR auf den individuellen Geschmack des jeweiligen Nutzers zuschneidet. Die App stellt dem User ein Programm mit verschiedenen Beiträgen zusammen.
    Gefällt dem Nutzer ein Beitrag aus diesem Schema nicht, teilt er das der App mit einem Klick mit und bekommt einen neuen Beitrag vorgeschlagen. So lernt der Algorithmus hinter der App ständig mehr über die Vorlieben der Nutzer - genauso wie die verantwortlichen Redakteure bei NPR. Herauskommen soll dabei am Ende das perfekte, individuelle Radioprogramm. Eine Idee, die vor allem auf zwei Firmen zurückgeht, meint Stefan Hirschmeier, der an der Uni Köln zum Thema "Personalisiertes Radio" forscht.
    "Letzten Endes würde ich sagen, dass Netflix und Spotify sogar die beiden treibenden Kräfte sind, die sozusagen Nutzungsmuster, insbesondere in der jungen Generation, etabliert haben. Und jetzt kommt natürlich so ein bisschen die Anforderung von den Nutzern: Wir wollen das auch auf andere Bereiche übertragen sehen. Und da ist eine Anwendung das Radio. Und das trifft natürlich auch auf Interesse bei den Radiosendern, die wiederum sich Gedanken machen müssen: Wie können wir denn unsere Benutzer von morgen heute schon hören und zufrieden stellen?"
    Bayerischer Rundfunk sammelte schon erste Erfahrungen
    Deshalb arbeiten auch einige deutsche Radiosender an einer App im Stil von NPR One. Am schnellsten war der Bayerische Rundfunk, der mit seiner personalisierten Nachrichten-App BR24 schon Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt hat. Mitte Oktober will der Sender seine "Bayern 2-App" präsentieren. Die Beschreibung der App auf der Website des BR klingt ganz nach NPR One. Dort steht, die App "ermöglicht den Nutzern, aktiv eine Auswahl der Beiträge zusammenzustellen, die auf ganz persönliche Vorlieben zugeschnitten sind. Je intensiver sie genutzt wird, desto treffender werden die Vorschläge."
    Andere öffentlich-rechtliche Sender werden schon bald mit eigenen personalisierten Radio-Apps folgen, da ist sich Stefan Hirschmeier sicher. Zwar würden auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Radiosender On-Demand-Inhalte bieten, aber diese Mediatheken seien schon etwas angestaubt:
    "Man hat heute eigentlich lieber die App, die einem was empfiehlt, die vielleicht Sachen auch direkt hintereinander spielt, ohne dass ich da jetzt noch groß Interaktion reinbringen muss. Und von daher glaube ich: Ja, wir brauchen dafür Apps. Ganz klar."
    App wird lineares Live-Programm nicht verdängen
    Dass solche personalisierten Apps irgendwann sogar dem lineare Live-Programm den Rang ablaufen könnten, glaubt Hirschmeier allerdings nicht.
    "Beide Sachen werden komplementär existieren und verschiedene Nutzergruppen ansprechen. Und vielleicht auch in verschiedensten Anwendungsfällen Leute ansprechen. Und ich selber werde auch jemand sein, der beides nutzt. Ich werde, wenn ich unterwegs bin, vielleicht meine Radio-App nutzen, und wenn ich Zuhause bin werde ich mir auch ganz normal gerne das Radio anhören, so wie es halt läuft."