"Ein Unikum" hat der Musikwissenschaftler und Mozart-Kenner Alfred Einstein das Streichtrio Köchelverzeichnis 563 einst genannt: ein Divertimento, das alles andere als leichte Unterhaltung ist, vielmehr ein ausgewachsenes Kammermusikwerk voller Finessen, sehr anspruchsvoll für Interpreten und Zuhörer. Das Trio Fenix aus Brüssel hat das Werk neu eingespielt, außerdem die sechs Präludien und Fugen nach Bach – und damit sämtliche Werke, die Mozart für Streichtrio geschrieben hat. Sie sind versammelt auf einer Doppel-CD aus dem Hause Fuga Libera – zu dieser Neuen Platte begrüßt Sie Eva Blaskewitz.
"1. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
TrioFenix
CD 1, Track 01 Länge: 2'30"
So ernsthaft kann ein Divertimento beginnen – wenn es aus der Feder von Wolfgang Amadeus Mozart stammt. Die Exposition des ersten Satzes aus seinem Divertimento für Streichtrio in Es-Dur war das, in der Interpretation des Trio Fenix. Und man hört schon, hier geht es keineswegs um harmlose Unterhaltung, wie die Bezeichnung "Divertimento" suggeriert.
Auf den ersten Blick erscheint die Komposition ganz konventionell: sechs Sätze - Allegro, Adagio, Menuett, ein Variationen-Satz, ein zweites Menuett und Finale. Aber die Raffinesse dieser Sätze, die Art, sie miteinander zu verknüpfen, Motive wieder aufzugreifen, in fast allen Sätzen den gebrochenen Dreiklang wie eine "idée fixe" wiederkehren zu lassen: All das wirkt so, als Mozart zeigen wollen, dass man sich auf den äußeren Schein nicht zu sehr verlassen sollte.
Ob es einen speziellen Anlass für die Entstehung dieses eigenartigen Werkes gab, das liegt im Dunkeln. Lange Zeit hat man vermutet, dass Mozart damit seinen Geldgeber Michael Puchberg besänftigen wollte - den hatte er ein paar Monate zuvor, im Juni 1788, mal wieder angepumpt -, aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass sich eine entsprechende Andeutung auf ein anderes Werk bezieht. Vielleicht also hat er einfach ganz ohne äußeren Grund seiner Freude an geistreichen Einfällen freien Lauf gelassen.
"1. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
TrioFenix
CD 1, Track 01
Länge: 1'30"
Eine gewagte Harmonik, wie man sie in einem Divertimento nicht erwartet: Gegen Ende dieses ersten Satzes moduliert Mozart noch ganz verwegen nach Ces-Dur, Fes-Dur und Ges-Dur, um auf verschlungenen Wegen wieder ins heimatliche Es-Dur zurückzukehren. Noch ungewöhnlicher als die Harmonik ist allerdings der unglaublich dichte Satz in diesem Streichtrio. Die drei Stimmen sind völlig gleichberechtigt, das häufig zitierte Goethe-Wort vom Streichquartett als Unterhaltung von vernünftigen Leuten passt auf dieses Trio besser als auf nahezu jedes Quartett. Vor allem die Bratsche steht außergewöhnlich oft im Mittelpunkt – vielleicht weil Mozart das Instrument ja selbst gern gespielt hat. Auch bei der ersten Aufführung dieses Streichtrios, während einer Konzertreise 1789 in Dresden, hat er am Bratschenpult gesessen. Im ersten Trio des zweiten Menuetts übernimmt die Bratsche zunächst die Führung – um sie zwanglos auch wieder abzugeben.
"5. Satz: Menuetto (Trio 1) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
CD 1, Track 05
Länge: 0'45"
Damit die raschen Stimmenwechsel in Mozarts Divertimento für Streichtrio reibungslos funktionieren, müssen ebenbürtige Instrumentalisten zusammenkommen – und das ist beim Trio Fenix der Fall. Alle drei sind Absolventen des Brüsseler Konservatoriums. Die Geigerin Shirley Laub war einige Jahre lang Konzertmeisterin im Royal Philharmonic Orchestra in London und hat inzwischen eine Professur in Brüssel; Tony Nys, ehemals Mitglied des Quatuor Danel, ist Solo-Bratscher im Orchester der Opéra de la Monnaie - und Karel Steylaerts stellvertretender Solo-Cellist der Brüsseler Philharmonie.
Mit Mozarts Streichtrios haben sie nun ihre erste gemeinsame CD vorgelegt – und man kann nur hoffen, dass es nicht die letzte ist: Sie spielen in perfekter Balance, mit ausgesprochen schönem Ton, zupackend, aber nicht ruppig. Das Ganze ist sehr plastisch und präsent aufgenommen.
Das zahlt sich auch bei der zweiten CD dieses Doppelpacks aus, mit den sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a. Eigentlich stammen die gar nicht von Mozart, es sind Bearbeitungen von Bach-Fugen, nur vier der einleitenden Präludien – Adagios heißen sie hier - hat Mozart neu komponiert. Die Anregung zu diesen Transkriptionen kam von Baron van Swieten, einem der wichtigsten Musikförderer im 18. Jahrhundert. Er leitete seit Ende der 1770er-Jahre die Kaiserliche Hofbibliothek in Wien, war ein ausgewiesener Kenner und Liebhaber der Barockmusik - sehr ungewöhnlich für die Zeit – und besaß eine stattliche Sammlung alter Handschriften und Drucke. Jeden Sonntag versammelte er Gleichgesinnte, um Bach und Händel in Kammerbesetzung zu spielten. Auf diese Weise ist Mozart mit den großen Komponisten der Barockzeit in Berührung gekommen, er hat sich daraufhin selbst mit Begeisterung auf die Fugen-Komposition gestürzt und auch Bach für Streichtrio bearbeitet.
"Fuge aus dem Wohltemperierten Clavier II, BWV 882
CD 2, Track 08
Länge: 1'55"
Das war die Bearbeitung einer Fuge aus dem 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers. Es ist üblich, die sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a zu Mozarts Werken für Streichtrio zu zählen, und so haben sie auch ihren Platz auf der CD des Trio Fenix mit Mozarts "Sämtlichen Streichtrios". Allerdings ist seine Autorschaft nicht letztgültig bewiesen, denn das Autograph ist nicht erhalten. Und wenn man ehrlich ist: Musikhistorisch erscheint dieses Opus natürlich hochinteressant, aber der Hörgenuss hält sich auf die Dauer doch in Grenzen, selbst wenn Musiker wie das Trio Fenix einen spielerisch-leichten, eben mozartischen Ton anschlagen.
Kehren wir also zum Abschluss noch mal zu dem Divertimento Es-Dur zurück. Dessen Finale liefert gewissermaßen die Quintessenz des Stückes: Ein heiteres Thema kehrt rondoartig wieder, dazwischen mal ernste, mal fröhlich-derbe Einschübe, Reminiszenzen an das Zweite Menuett mit seinem Ländler oder an den kunstvoll gebauten Variationensatz – es ist, als würde Mozart noch einmal die Idee zusammenfassen, seine Kunstfertigkeit in einer scheinbar harmlosen Form darzubieten, in diesem Falle eines lebensfroh-schlichten Rondos. Und man würde gerne wissen, ob Mozart das Thema dieses Rondos im Ohr hatte, als er drei Jahre später, 1791, das Lied "Komm lieber Mai" geschrieben hat ...
"6. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
CD 1, Track 06
Länge: 4'00"
So endet Mozarts Divertimento für Streichtrio in Es-Dur. Zusammen mit den sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a ist es zu finden auf der Doppel-CD des Trio Fenix aus Brüssel mit Mozarts sämtlichen Werken für Streichtrio. Sie ist erschienen beim Label Fuga Libera, vorgestellt hat Sie Ihnen Eva Blaskewitz.
Wolfgang Amadeus Mozart: Complete Works for String Trio (TrioFenix)
Fuga Libera FUG569, LC 14899
"1. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
TrioFenix
CD 1, Track 01 Länge: 2'30"
So ernsthaft kann ein Divertimento beginnen – wenn es aus der Feder von Wolfgang Amadeus Mozart stammt. Die Exposition des ersten Satzes aus seinem Divertimento für Streichtrio in Es-Dur war das, in der Interpretation des Trio Fenix. Und man hört schon, hier geht es keineswegs um harmlose Unterhaltung, wie die Bezeichnung "Divertimento" suggeriert.
Auf den ersten Blick erscheint die Komposition ganz konventionell: sechs Sätze - Allegro, Adagio, Menuett, ein Variationen-Satz, ein zweites Menuett und Finale. Aber die Raffinesse dieser Sätze, die Art, sie miteinander zu verknüpfen, Motive wieder aufzugreifen, in fast allen Sätzen den gebrochenen Dreiklang wie eine "idée fixe" wiederkehren zu lassen: All das wirkt so, als Mozart zeigen wollen, dass man sich auf den äußeren Schein nicht zu sehr verlassen sollte.
Ob es einen speziellen Anlass für die Entstehung dieses eigenartigen Werkes gab, das liegt im Dunkeln. Lange Zeit hat man vermutet, dass Mozart damit seinen Geldgeber Michael Puchberg besänftigen wollte - den hatte er ein paar Monate zuvor, im Juni 1788, mal wieder angepumpt -, aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass sich eine entsprechende Andeutung auf ein anderes Werk bezieht. Vielleicht also hat er einfach ganz ohne äußeren Grund seiner Freude an geistreichen Einfällen freien Lauf gelassen.
"1. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
TrioFenix
CD 1, Track 01
Länge: 1'30"
Eine gewagte Harmonik, wie man sie in einem Divertimento nicht erwartet: Gegen Ende dieses ersten Satzes moduliert Mozart noch ganz verwegen nach Ces-Dur, Fes-Dur und Ges-Dur, um auf verschlungenen Wegen wieder ins heimatliche Es-Dur zurückzukehren. Noch ungewöhnlicher als die Harmonik ist allerdings der unglaublich dichte Satz in diesem Streichtrio. Die drei Stimmen sind völlig gleichberechtigt, das häufig zitierte Goethe-Wort vom Streichquartett als Unterhaltung von vernünftigen Leuten passt auf dieses Trio besser als auf nahezu jedes Quartett. Vor allem die Bratsche steht außergewöhnlich oft im Mittelpunkt – vielleicht weil Mozart das Instrument ja selbst gern gespielt hat. Auch bei der ersten Aufführung dieses Streichtrios, während einer Konzertreise 1789 in Dresden, hat er am Bratschenpult gesessen. Im ersten Trio des zweiten Menuetts übernimmt die Bratsche zunächst die Führung – um sie zwanglos auch wieder abzugeben.
"5. Satz: Menuetto (Trio 1) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
CD 1, Track 05
Länge: 0'45"
Damit die raschen Stimmenwechsel in Mozarts Divertimento für Streichtrio reibungslos funktionieren, müssen ebenbürtige Instrumentalisten zusammenkommen – und das ist beim Trio Fenix der Fall. Alle drei sind Absolventen des Brüsseler Konservatoriums. Die Geigerin Shirley Laub war einige Jahre lang Konzertmeisterin im Royal Philharmonic Orchestra in London und hat inzwischen eine Professur in Brüssel; Tony Nys, ehemals Mitglied des Quatuor Danel, ist Solo-Bratscher im Orchester der Opéra de la Monnaie - und Karel Steylaerts stellvertretender Solo-Cellist der Brüsseler Philharmonie.
Mit Mozarts Streichtrios haben sie nun ihre erste gemeinsame CD vorgelegt – und man kann nur hoffen, dass es nicht die letzte ist: Sie spielen in perfekter Balance, mit ausgesprochen schönem Ton, zupackend, aber nicht ruppig. Das Ganze ist sehr plastisch und präsent aufgenommen.
Das zahlt sich auch bei der zweiten CD dieses Doppelpacks aus, mit den sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a. Eigentlich stammen die gar nicht von Mozart, es sind Bearbeitungen von Bach-Fugen, nur vier der einleitenden Präludien – Adagios heißen sie hier - hat Mozart neu komponiert. Die Anregung zu diesen Transkriptionen kam von Baron van Swieten, einem der wichtigsten Musikförderer im 18. Jahrhundert. Er leitete seit Ende der 1770er-Jahre die Kaiserliche Hofbibliothek in Wien, war ein ausgewiesener Kenner und Liebhaber der Barockmusik - sehr ungewöhnlich für die Zeit – und besaß eine stattliche Sammlung alter Handschriften und Drucke. Jeden Sonntag versammelte er Gleichgesinnte, um Bach und Händel in Kammerbesetzung zu spielten. Auf diese Weise ist Mozart mit den großen Komponisten der Barockzeit in Berührung gekommen, er hat sich daraufhin selbst mit Begeisterung auf die Fugen-Komposition gestürzt und auch Bach für Streichtrio bearbeitet.
"Fuge aus dem Wohltemperierten Clavier II, BWV 882
CD 2, Track 08
Länge: 1'55"
Das war die Bearbeitung einer Fuge aus dem 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers. Es ist üblich, die sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a zu Mozarts Werken für Streichtrio zu zählen, und so haben sie auch ihren Platz auf der CD des Trio Fenix mit Mozarts "Sämtlichen Streichtrios". Allerdings ist seine Autorschaft nicht letztgültig bewiesen, denn das Autograph ist nicht erhalten. Und wenn man ehrlich ist: Musikhistorisch erscheint dieses Opus natürlich hochinteressant, aber der Hörgenuss hält sich auf die Dauer doch in Grenzen, selbst wenn Musiker wie das Trio Fenix einen spielerisch-leichten, eben mozartischen Ton anschlagen.
Kehren wir also zum Abschluss noch mal zu dem Divertimento Es-Dur zurück. Dessen Finale liefert gewissermaßen die Quintessenz des Stückes: Ein heiteres Thema kehrt rondoartig wieder, dazwischen mal ernste, mal fröhlich-derbe Einschübe, Reminiszenzen an das Zweite Menuett mit seinem Ländler oder an den kunstvoll gebauten Variationensatz – es ist, als würde Mozart noch einmal die Idee zusammenfassen, seine Kunstfertigkeit in einer scheinbar harmlosen Form darzubieten, in diesem Falle eines lebensfroh-schlichten Rondos. Und man würde gerne wissen, ob Mozart das Thema dieses Rondos im Ohr hatte, als er drei Jahre später, 1791, das Lied "Komm lieber Mai" geschrieben hat ...
"6. Satz (Allegro) aus: Divertimento Es-dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563
CD 1, Track 06
Länge: 4'00"
So endet Mozarts Divertimento für Streichtrio in Es-Dur. Zusammen mit den sechs Präludien und Fugen Köchelverzeichnis 404a ist es zu finden auf der Doppel-CD des Trio Fenix aus Brüssel mit Mozarts sämtlichen Werken für Streichtrio. Sie ist erschienen beim Label Fuga Libera, vorgestellt hat Sie Ihnen Eva Blaskewitz.
Wolfgang Amadeus Mozart: Complete Works for String Trio (TrioFenix)
Fuga Libera FUG569, LC 14899