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Hörsaal im Koffer

Informatik.- Mit dem Aufkommen des Internets hegten viele Lehranstalten große Hoffnungen, bald Scharen von Studenten aus aller Welt per Video zu unterrichten. Doch richtigen Erfolg hatte E-Learning bisher nicht. Der Nachteil: Videos lassen sich nun mal schlecht nach Stichworten durchsuchen.

Von Jan Rähm |
    Eine Aluminiumkiste so groß wie ein kleiner Reisekoffer ist das Herzstück des E-Learning-Systems "Teletask". Seine Aufgabe: Vorträge mitschneiden, den Inhalt durchsuchbar machen und alles zusammen anschließend ins Internet stellen. Was in der Alu-Kiste steckt, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Groß:

    "Da drin befindet sich ein Computer mit einer speziellen Hardware und einer von uns entwickelten Software. Sie haben hier auf der rechten Seite verschiedene Anschlüsse. Da schließen Sie im Endeffekt nur Ihren Laptop an und ihre Videokamera. Die Videokamera filmt den Vortragenden und der Rechner selber sorgt dafür, dass auch der Inhalt ihres Computerbildschirms vom System erfasst wird. "

    Danach werden beide Aufnahmen als ein Video abgespeichert und wahlweise weiterverarbeitet oder direkt über das Internet an den Zuschauer übertragen. Die Arbeit an Teletask unter Leitung von Christoph Meinel startete vor rund acht Jahren an der Universität Trier. Heute ist Christoph Meinel wissenschaftlicher Direktor des Hasso Plattner Instituts für Softwaresystemtechnik in Potsdam. Sein Anliegen: Er will Vorlesungen samt Tafelbild und Vortragsfolien auch fernab des Campus nutzbar machen. Außerdem sollen Studenten und Interessierte die Aufnahmen durchsuchen können. Dazu wertet ein Rechnersystem die aufgenommenen Vorträge und Vorlesungen automatisch aus und versieht sie mit Schlagworten. Es transkribiert den Vortrag mit einer Spracherkennung und legt einen minutengenau Index an. Zudem erfasst das System den Inhalt der Vortragsfolien. Heraus kommt eine Flut von Informationen in Form von Einzelbegriffen und Wortgruppen. Ein richtiges Redemanuskript erstellt Teletask nicht. Dafür arbeitet die Spracherkennung nicht genau genug.

    "Die Frage ist, wenn ich also jetzt sehr viele Keyworte hab, sehr viele Stichworte, die ich aus der Vorlesung zum Beispiel durch Spracherkennung gewonnen hab, dann kann es passieren, dass ein Student, wenn er nach Informationen sucht, nicht genau dieses Wort verwendet, sondern ein synonymes Wort verwendet. Und dann ..."

    Ja dann muss eine herkömmliche Suchmaschine aufgeben.

    "Denn dann wird es nicht gefunden, weil ja nur genau diese Buchstabenfolge des originalen Worts gesucht wird. Das heißt, das was man gerne hätte wäre, dass es so aussieht, als ob diese technischen Systeme auch verstehen, was die Bedeutung des Wortes ist."

    Die gesuchten Begriffe müssten also mit anderen sinnverwandten oder beschreibenden Begriffen in Zusammenhang gesetzt werden. Der Computer müsste geradezu verstehen, wonach der Student sucht. Zwar kann er das nicht wirklich, doch die Potsdamer Forscher haben eine Lösung für die Verknüpfung und Verarbeitung gefunden.

    "Das kann erreicht werden, mit Methoden des Semantic Web. Mit Ontologien, mit Verbindungen zwischen solchen Texten herzustellen und auch da ist unsere Forschungsgruppe aktiv und versucht jetzt darüber einen neuen Mehrwert bei der Navigation in solchen Lernvideos bereitzustellen. Nämlich, dass es so aussieht, als ob das Portal meine, des Nutzers Frage, wirklich verstehen würde und mir inhaltlich alles relevante liefert und nicht nur das, was jetzt buchstabengetreu dafür zur Verfügung steht."

    Sucht jetzt ein Student nach dem Wort "Programmierung", wird er beispielsweise auch verwandte Begriffe wie einzelne Programmiersprachen angezeigt bekommen, die Thema von Vorlesungen waren. Damit ist Teletask zu einem beinahe schon interaktiven Lernsystem geworden. Studenten und Interessierte können auf der Website www.tele-task.de nicht nur ganze Vorlesungen verfolgen, sondern auch zielgerichtet spezielle Ausschnitte finden, sogar wenn sie nicht genau wissen, in welchem der vielen Vorlesungen was wann gesagt wurde. Das Archiv auf der Website umfasst derzeit einige hundert Mitschnitte allein vom HPI aus Potsdam. Hinzu kommen, so Andreas Groß, die Aufnahmen vieler anderer Einrichtungen.

    "Außer bei uns ist das System in 30 Installationen hier in Europa im Einsatz und auch in Nordamerika haben wir seit letztem Jahr insgesamt zwei Systeme."

    In Zukunft soll der Nutzer selbst aktiv werden. In bester Web-2.0-Manier werden Studenten die Videos mit Kommentaren, Notizen und Erweiterungen versehen können, die dann wiederum ins Gesamtsystem mit einfließen.