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Hörsaal war gestern

Die neueste Entwicklung in Sachen Bildung heißt Webinar. Webinare sind Onlineseminare zur virtuellen Wissensvermittlung, die zu festen Terminen stattfinden. Interessierte können weltweit daran teilnehmen. Doch das virtuelle Lernen hat nicht nur Vorteile.

Von Michael Engel |
    "Ja, ich darf alle Teilnehmer recht herzlich begrüßen zu unserem Webinar für die Prüfungsvorbereitung."

    Jörg Nottebrock begrüßt die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung der Industrie- und Handelskammer. Es sind Auszubildende, die sich mit seiner Hilfe auf die nächste Prüfung vorbereiten. Der Dozent ist aber einfach zu Hause geblieben. Auch die 20 Azubis, die sich für das Seminar entschieden haben, sitzen daheim oder vielleicht sogar in einem Café:

    "Ich geh' das jetzt noch mal durch. Da sind dann..."

    "Ich habe meinen Kopfhörer halt auf und habe mein Headset. Und wir kommunizieren also ausschließlich über das Mikrofon und nicht über die Webcam. Und die Teilnehmer können dann meinen Bildschirm sehen, und können das dann per Screenshot abkopieren über die Tastatur oder aber viele schreiben dass dann noch mal mit."

    Wer eine Frage hat, meldet sich per Mausklick. Der Seminarleiter präsentiert Folien, moderiert die abschließende Diskussion. Christian Schulz hat das erste Webinar schon hinter sich. Der angehende Einzelhandelskaufmann absolvierte ein Seminar für Auszubildende via Internet – der vielen Vorteile wegen.

    "Bequemer, sag' ich jetzt mal, als wenn man irgendwo hingeht. Und man ist eben in der gewohnten Umgebung."

    "Webinare" haben feste Termine. Nur der Ort ist variabel. Theoretisch könnten Menschen aus der ganzen Welt daran teilnehmen. Das Internet macht's möglich. Philipp Hübner von "Pruefungspaten.de" entwickelte schon zahlreiche Webinare für die Industrie und Handelskammer.

    "Wir haben auf der einen Seite den Vorteil beim Webinar, dass die Teilnehmer natürlich nicht einmal die Woche abends 50 Kilometer zum Kursanbieter fahren müssen, sondern sich einfach vor ihren Rechner setzen, und – bums – sind sie im Kurs und können an dem Kurs teilnehmen. Das ist für Teilnehmer, die auf dem Land leben nicht schlecht."

    Ein Webinar für Projektleiter zum Beispiel kostet rund 1.600 Euro und läuft über mehrere Monate. Es geht aber auch preiswerter – sogar kostenlos. Die Uni Hannover bietet Webinare für Studierende zum Thema "richtige Recherche in der Bibliothek" an. Auch Volkshochschulen springen mittlerweile auf diesen Zug auf.

    "Es ist das Nächstbeste zum Präsenzkurs. Von der technischen Seite her würde ich sagen, hat jedes Webinar immer noch ein paar kleine Defizite gegenüber einem Präsenzkurs."

    Ein Defizit ist zum Beispiel der fehlende Augenkontakt. Auch lebendige Diskussionen in der Gruppe sind eher schwierig. Bei der reinen Wissensvermittlung indes erfüllen Webinare ihren Zweck, urteilt Online-Seminarleiter Dirk Nottebrock

    "Ich denke mir, so in dem Fachkompetenzbereich könnten Webinare durchaus eine sinnvolle Unterstützung in vielen Bereichen darstellen. Im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, Sozialkompetenz, vielleicht ein Stück weit Methodenkompetenz, da plädiere ich eher für das Präsenzsemiar."

    In puncto Prüfungsergebnis gibt es allerdings keinen Unterschied zum Präsenzkurs. Absolventen von Webinaren schneiden genauso gut ab, so eine Statistik der Industrie und Handelskammer. Professor Joachim Griesbaum erforscht an der Uni Hildesheim die Wirkung von Webinaren.

    "Ich denke, wenn man es auf den Punkt bringen möchte, könnte man mit aller Vorsicht sagen, dass virtuelle Lernszenarien wahrscheinlich stärker gesteuert sein müssen als realweltliche, um eben diese Defizite in der sozialen Interaktion zu kompensieren, damit sich da auch so etwas entwickelt wie lernförderliche Diskurse."

    Webinare stehen und fallen demnach mit der Qualität des Seminarleiters. Deswegen gibt es auch schon entsprechende Kurse für angehende Online-Trainer – in Form eines Webinars versteht sich.

    "Ich darf mich recht herzlich von Ihnen verabschieden. Wir hören uns in einer Woche wieder."