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Hörspiel "Be my match"
Produziert wie ein Film - nur ohne Kamera

"Be my match" heißt eine Hörspiel-Serie, die jetzt erschienen ist, und die zumindest von der Produktion her anders ist als die meisten anderen Hörspiele. "Be my match" entsteht dort, wo die Szenen in Berlin tatsächlich spielen. Herausgekommen ist gut gemachte Hörspielunterhaltung.

Von Elmar Krämer | 14.07.2016
    Ein Studiomikrofon
    Das Hörspiel "Be my match" bietet theaterartige Inszenierungen vor dem Mikrofon. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Ein ganz normaler Freitagnachmittag in Berlin-Mitte. Geschäftsleute hetzen mit dem Handy am Ohr von A nach B oder suchen mit ihren dicken Autos einen Parkplatz. Andere haben den schon gefunden und sitzen aufs Tablett starrend vor einem Café in der Sonne.
    "Ok, alle bereit, alle Handys aus?" – "Dann: Bitte!"
    Auf dem Bürgersteig vor dem Café: Menschen mit großen Kopfhörern und Mikrofone auf einem Stativ. Es sieht aus, wie einer der an jeder Ecke in Berlin stattfindenden Filmdrehs – nur die Kamera fehlt, denn hier wird ein Hörspiel aufgenommen. "Wir nehmen dieses Hörspiel nicht wie sonst im Studio auf, sondern eben on Location, das heißt, wir gehen wie beim Dreh an die Orte, wo das spielt." Johanna Steiner – die Regisseurin von "Be my match". Und das sind auch die Orte, an denen sich, dem Klischee entsprechend, junge Menschen, die "irgendwas mit Medien" machen, aufhalten – Kneipen in Kreuzberg, Cafés in Friedrichshain, Einkaufstempel, schicke Wohnungen und auch ein Radiostudio, denn Jan – eine der Hauptfiguren in "be my match" – ist Radiomoderator.
    Online-Dating-Experiment mit Unbekannten
    "Mein Name ist Jan Gatow und ihr hört eure Lieblingssendung. Wie immer habe ich ein feines Thema für unseren gemeinsamen Herbst mitgebracht."
    "Jan ist so eine sehr typische Berlin-Existenz." Richard Barenberg, Schauspieler und im Hörspiel: Jan.
    "Sophie – das ist die andere Rolle und Jan, die können am Anfang überhaupt nichts miteinander anfangen und trotzdem liegt etwas drunter wo man spürt – hoffe ich, beim Hörer auch – was sich liebt und so weiter."
    Jan wird, wie ihm seine Redakteurin Katinka verklickert, vom Chef zu einem Online-Dating-Experiment verdonnert. "Du datest und berichtest jede Woche in der Crowdnight darüber, das ist die Idee. Der Sender stellt dir eine Paartherapeutin zur Seite und die Hörer können via Internet dämliche Fragen stellen" – "Lieber Gott lass das ein Scherz sein."
    Es ist natürlich kein Scherz und das Experiment sieht vor, dass Jan sich mit Sophie trifft, der Frau, die nach dem Algorithmus der Datingseite am wenigsten zu ihm passt. Sophie ist Naturwissenschaftlerin, die von ihrem schwulen Freund Ludwig zum Online-Daten überredet wurde. "Ich bin unabhängig, smart und witzig. Ich suche was Erwachsenes, was ich kalkulieren und einschätzen kann, ich weiß, was ich will und brauche und was nicht, vermeide ich – oh Gott, klingt wie ein Taschenrechner in Menschengestalt."
    Affären, Missverständnisse, Partys
    Und tatsächlich: Die Beiden passen erst mal so gar nicht zueinander: "Eigentlich habe ich dir online geschrieben, weil alles, was dich ausmacht, mich komplett langweilt." – "Das ist ja nett" – "Und ich hab übrigens nie geantwortet, weil mich deine berufsjugendliche Pseudo-Rockstarattitüde abstößt." Dennoch trifft sie sich entgegen jeder Wahrscheinlichkeit weiter mit Jan. "Mir ist bewusst geworden, wie sehr ich mag, dass ich Jan nicht mag."
    Was sich nun über zehn Folgen entspinnt, ist eine Art akustisches "Sex and the City" mit vielen Verwicklungen, mit einem herrlich affektierten Freund und Ratgeber Ludwig an Sophies Seite: "Du könntest doch nur ein kleines bisschen Sex mit ihm." - "Nein, du könntest das."
    Affären, Missverständnisse, Partys, Besäufnisse, viel Spaß und viel Herzschmerz. Großstadt-Beziehungsstandardkost möchte man meinen, wäre da nicht die lebendige Produktion, die vom unüberhörbaren Spaß der Schauspieler lebt und dadurch, dass sie wirklich spielen. Nora Jokosha – im Hörspiel Sophie: "Wir hatten eine Szene, die irgendwie spielt an einem Fenster, wo er das Fenster öffnet und mich nicht reinlässt und wir wirklich dann diese Scheibe zwischen uns hatten, doch so nah, aber doch so fern. Also man konnte sich so richtig schön ausleben, das hat sehr sehr viel mit Schauspiel zu tun. Man muss loslassen, bisschen lapidar durch den Bart nuscheln."
    Berlin von seiner besten Seite
    Diese Ensemble-Aufnahmen vor Ort sind natürlich nicht neu – auch die Stereoproduktion und die Nutzung der Raumtiefe gehören zu einer beliebten und klassischen Machart des Genres Hörspiel. Der Markt ist heiß umkämpft und die Verlage buhlen um die Gunst der Hörer, mittlerweile verstärkt auch um junge Erwachsene – mal mit viel Action und Effekten oder auch, wie bei "Be my match" durch theaterartige Inszenierungen vor dem Mikrofon. Durch die Aufnahmen an authentischen Orten in Berlin bekommt die Geschichte, die genau an diesen Orten spielt, so viel Leben, dass man als Hörer schon fast das Gefühl hat, dabei zu sein, wenn Jan und Sophie ihre frotzelnden Sticheleien austauschen.
    "Ja, man muss auch schweigen können" "Wir essen Eis, genießen, gleichzeitig reden geht ja auch schlecht." "Im Ernst, das ist sehr langweilig mit dir."
    Was für das Hörspiel nicht gilt: "Be my match" ist gut gemachte Hörspielunterhaltung. Thematisch leichte Kost, die hin und wieder etwas konstruiert wirkt – dass Sophie oder Freund Ludwig im Internetzeitalter beispielsweise nicht sofort mitbekommen, dass Jan im Radio von seinen Dates berichtet, ist etwas unglaubwürdig – aber das überhört man gern, wenn man sich auf das Lebensgefühl dieser Großstädter einlässt und ihnen durch emotionale Irrungen und Wirrungen und das Tag- und Nachtleben Berlins folgt. Und Berlin hat sich bei den Aufnahmen von seiner besten Seite gezeigt findet Regisseurin Johanna Steiner. "Die echte Welt war sehr nett zu uns – es hat nie jemand ins Mikro gebrüllt. Wir hatten auch keine krassen Wetterumschwünge und wir hatten irgendwie Glück."