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Hoffen auf den EU-Beitritt

Verglichen mit ihren Kollegen im Nachbarland Polen geht es den deutschen Biobauern richtig gut. Viele ihrer Produkte sind bereits im Supermarkt um die Ecke erhältlich, die gesetzlichen Regelungen geben dem Kunden Gewissheit, dass dort, wo "bio" drauf steht auch "bio" drin ist und die öffentliche Meinung gegenüber den Öko-Landwirten ist überwiegend positiv. Zudem hat die Branche mit der Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast eine prominente Fürsprecherin. Trotz dieses positiven Umfeldes führt der Biolandbau - verglichen mit der konventionellen Landwirtschaft - allerdings immer noch ein Nischendasein. Auch in Polen, beim flächenmäßig größten EU-Beitrittskandidaten, gibt es den Bioanbau, aber der keimt gerade mal als zartes Pflänzchen. Es gibt nur wenige Ökobauern, die Nachfrage nach ihren Produkten ist noch sehr zurückhaltend und die gesetzlichen Bestimmungen sind für alle Beteiligten fast undurchschaubar. Warum einige Bauern sich dennoch für diesen Weg der landwirtschaftlichen Produktion entschieden haben.

Von Antje Krekeler |
    "Alle kerngesund", strahlt Bauer Henryk Wegner. Stolz zeigt er auf zehn rosige Ferkel, die gierig an den Zitzen einer prächtigen Muttersau saugen. Der Stall ist pieksauber. In den Koben frisches, leuchtend gelbes Stroh, in der Trogrinne saftige Kartoffeln. Und reichlich Auslauf haben die Schweine auch - draußen auf der großen Wiese, die sie sich mit ein paar gackernden Hühnern teilen.

    Eine ländliche Bilderbuch-Idylle aus längst vergangenen Zeiten? Nein: ein polnischer Bauernhof im Frühjahr 2003, eine gute Autostunde südwestlich von Danzig gelegen. Aber, zugegeben, ein ganz besonderer Hof: Bauer Henryk Wegner und seine Frau Kazimiera zählen zu den Öko-Pionieren ihres Landes. Schon 1990, als sich Polen von der Planwirtschaft verabschiedete und die Marktwirtschaft einläutete, haben sie auf den Öko-Landbau umgestellt.

    In den ersten Jahren konzentrierte sich Bauer Wegner auf den Export. Für einen niederländischen Getreidekaffee-Hersteller baute er Zichorie und Gerste an. Doch das rechnete sich nicht. Die Ausfuhrzölle waren zu hoch. Und außerdem wollte Wegner nicht von einem einzigen Kunden abhängig sein.

    Mittlerweile verkauft der Öko-Bauer seine Produkte ausschließlich regional. Neben der Schweinezucht baut er Getreide und Gemüse an. Das fährt er einmal wöchentlich mit seinem blauen Peugeot-Lieferwagen in die rund 90 Kilometer entfernte Hauptstadt der Wojewodschaft. Dort, in Bydgoszcz, hat er einen festen Kreis von Abnehmern: kleinere Geschäfte, einige Privatkunden.

    Dass Polens Öko-Bauern ihre Zukunft nicht unbedingt im Export suchen sollten - davon ist auch Urszula Soltysiak, Dozentin an der landwirtschaftlichen Universität Warschau, überzeugt:

    Es wäre ein riesengroßer Fehler, wenn die polnische Regierung nur auf den Export von Bio-Produkten setzen würde. Exportchancen haben letztlich nur Betriebe mit einhundert, zweihundert Hektar. Die kleineren Bauern sind gar nicht in der Lage, ausreichende Mengen für den Export oder die industrielle Weiterverarbeitung zu produzieren. Deshalb ist der inländische Markt für die polnischen Kleinbauern überlebenswichtig.

    Bio-Produkte, die direkt vom Hof kommen, sind in Polen etwa zehn bis zwanzig Prozent teurer als Lebensmittel aus konventionellem Anbau. Anders sieht es in den Städten aus. Hier schlagen Transportkosten und vor allem hohe Gewinne für die Zwischenhändler zu Buche. Für diese "Bio-Produkte" muss der Verbraucher oft mehr als das Doppelte des marktüblichen Preises berappen. Leisten können sich das nur die kaufkräftigen Eliten, nicht jedoch "Otto Normalverbraucher". Denn der muss mit monatlich rund 600 Euro über die Runden kommen.

    Hinzu kommt, dass in Sachen Verbraucherschutz einiges im Argen liegt. Ein verbindliches Gütesiegel, wie beispielsweise das "Bio-Siegel" in Deutschland, existiert in Polen nicht. Stattdessen zieren langen Zahlenreihen und kryptische Abkürzungen die Verpackungen von Bio-Produkten. Mal sind es Zertifizierungsnummern, mit denen die Betriebe werben, mal die Logos der Anbauverbände, mal die Firmenanschrift eines Zwischenhändlers. Sich hier zurechtzufinden - für den Verbraucher fast unmöglich. Letztlich kauft er auf gut Glauben. Kein Wunder also, dass der polnische Inlandsmarkt für Bio-Produkte ein Nischendasein fristet. Mitschuld an der Misere sei aber auch die Regierung, meint Landwirtschaftsexpertin Soltysiak:

    Die polnische Regierung hat absolut nichts unternommen, damit sich ein Markt für Bio-Produkte entwickelt. Weder gibt es Werbung, noch eine Informationskampagne für Öko-Produkte.

    Diesen Vorwurf möchte Jerzy Plewa, Staatssekretär im polnischen Landwirtschaftsministerium, nicht auf sich sitzen lassen.

    Nicht nur die Behörden, sogar unser Präsident höchstpersönlich unterstützt den ökologischen Landbau. Unser Ziel ist es, dass schon sehr bald fünf Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion von Öko-Bauern kommt.

    Von den fünf Prozent, die sich der Staatssekretär wünscht, ist man in Polen noch weit entfernt. Die rund 2.000 zertifizierten Öko-Betriebe produzieren derzeit allerhöchstens ein halbes Prozent der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Für ein stolzes Agrarland wie Polen sicherlich kein Aushängeschild.

    Dass bereits kleine finanzielle Anreize den Öko-Landbau stimulieren können, beweisen die flächenbezogenen Subventionen, in deren Genuss polnische Bio-Bauern seit 1999 kommen: Bereits in den ersten beiden Jahren nach Einführung verdreifachte sich die Zahl der Öko-Höfe.

    Doch die umstellungswilligen Bauern sind verunsichert. Das seit anderthalb Jahren geltende nationale Gesetz über ökologischen Landbau ist nicht mit den EU-Richtlinien identisch und müsste nach dem Beitritt umgehend geändert werden. Denn sonst haben die polnischen Bio-Bauern in Sachen Subventionen das Nachsehen.

    Für Henryk Wegner, den Öko-Bauern aus Nordpolen, ist das eine verkehrte Welt. Er hofft, dass die EU-Behörden in Brüssel endlich ein Machtwort sprechen und dem gesetzlichen Durcheinander ein Ende bereiten:

    Ich wünsche mir, dass die Regelungen für die Landwirte nach dem EU-Beitritt verständlicher und übersichtlicher werden. Wenn auch für uns die EU-Verordnungen gelten, wird hoffentlich alles, was jetzt auf dem Kopf steht, wieder auf die Füße gestellt.