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Hoffnung auf eine bessere Zukunft

In Italien wurde unter Silvio Berlusconi ein radikaler Sparkurs im Kulturbereich verfolgt. Mit seinem Rücktritt hoffen Kulturschaffende auf Mario Monti, der sich einmal gegen blindwütiges Sparen aussprach.

Von Thomas Migge | 14.11.2011
    "In unserer Kulturszene gibt es zu viele Parasiten, die von öffentlichen Geldern leben ohne zu arbeiten. Mit eurem Geld! Euren Steuergeldern! Das sind Leute, die dann ihr eigenes Land bespucken."

    Renato Brunetta, Ex-Minister für die öffentliche Verwaltung der letzten Regierung Berlusconi, bei einer seiner letzten Pressekonferenzen. Mit der Faust schlug er auf den Tisch um seine Worte gegen jene Kulturschaffenden zu unterstreichen, die seiner Meinung nach nicht einen einzigen Cent vom Staat erhalten sollten. Jene Kulturschaffenden, die Brunetta zufolge zu kritisch sind, zu regierungskritisch und deshalb finanziell ausgehungert werden sollten.

    Wie Brunetta denkt auch Silvio Berlusconi, der einmal, nach einem Besuch einer Oper in der Mailänder Scala erklärte, dass ihn Opern, Museen und Konzerte langweilen. Kein Wunder: Seine Vorliebe für neapolitanische Volkslieder und singende leicht bekleidete Mädchen ist weithin bekannt. Kurios ist, dass ausgerechnet Berlusconis letzte Tat als Regierungschef von der von ihm verhassten klassischen Musik begleitet wurde.

    Auch Musiker und Sänger hatten sich, wie viele andere Bürger, Samstagabend vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten eingefunden. Mit dem "Hallelujah" aus Händels Oratorium "Der Messias" begrüßten sie Berlusconi, der gekommen war, um seinen Rücktritt einzureichen.

    Die Demonstranten vor dem Palast des Staatspräsidenten brachten mit dem Hallelujah ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft zum Ausdruck. Nach Jahren des radikalen Sparens nach der Rasenmähermethode soll jetzt alles besser werden, hofft auch Sergio Maifredi, Intendant des Opernhauses im apulischen Barletta:

    "Das Sparen im Kulturbereich ist ja an sich schon negativ, doch wenn dann auch noch ohne irgendwelche Kriterien gespart wird, ist das dramatisch. Ich erwarte mir von der Regierung Monti, dass sie begreift, dass unsere Kultur und unsere Kulturgüter in gewisser Weise unser Erdöl sind, mit dem man auch Gewinn machen kann. Kultur kann ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sein."

    Ein Beispiel: Der Bookshop des Metropolitan Museum in New York macht pro Jahr mehr Einnahmen als alle Bookshops aller italienischen Museen. Ein anderes Beispiel: Pompeji ist die weltweit größte archäologische Grabungsstätte und sicherlich die faszinierendste, mit Millionen von Besuchern jährlich. Und doch verzeichnet man im Fall von Pompeji keine Einnahmen. Im Gegenteil: Antikes Mauerwerk bröckelt und bricht zusammen, weil man kein Geld für die Instandhaltung der antiken Ruinen hat. Der Kunsthistoriker Salvatore Settis ist davon überzeugt, dass man mit so prominenten Kulturgütern wie Pompeji Geld machen kann, um auf diese Weise ihre Instandhaltung und Restaurierung mitzufinanzieren:

    "Pompeji stürzt aus dem gleichen Grund ein wie das Kolosseum, wie die Domus Aurea von Kaiser Nero und halb Italien: Die Regierung kürzte dem Kulturministerium eineinhalb Milliarden Euro. Der Staat muss hingegen in die Kultur investieren. Gleichzeitig muss er aber auch dafür Sorge tragen, dass die Kulturpolitik Mittel und Wege findet, um sich besser zu vermarkten und um Einnahmen zu machen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für eine neue Kulturpolitik."

    Settis Kritik an der Berlusconi-Kulturpolitik kommt heute eine ganz besondere Bedeutung zu: ist er doch der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des neuen Kulturministers. Ein Fachmann am richtigen Platz: Italiens Kulturschaffende wittern Morgenluft.

    Mario Monti erklärte einmal, dass Kultur und Bildung für einen Staat unerlässlich sind. Auch sprach er sich gegen blindwütiges Sparen aus. Bleibt also zu hoffen, dass er das Kulturministerium soweit mit Geld ausstatten wird, dass es von sich aus Initiativen ergreifen kann, um mit Kulturgütern Einnahmen zu erwirtschaften. Bisher war das leider nicht möglich: Das Budget des Kulturministeriums musste fast ausschließlich für laufende Kosten ausgegeben werden.