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Hoffnung auf Mittel gegen Blutvergiftung

Medizin. - Blut, das Lebenselixier des Menschen, kann bei der Blutvergiftung zur tödlichen Bedrohung werden. Zwischen 30 und 80 Prozent aller betroffenen Patienten sterben an der so genannten Sepsis, der schweren Blutvergiftung. Jahrzehntelang standen die Mediziner dem Leiden fast ohnmächtig gegenüber, denn wirksame Medikamente fehlten. Auf dem heute beginnenden 3. Internationalen Jenaer Symposium "Theorie und Praxis der Anästhesiologie und Intensivtherapie" stellten Experten nun gleich drei neue Therapien vor.

    "Horror autotoxica" - so nannte der Mediziner Paul Ehrlicher die Blutvergiftung. "Horror", weil die Ärzte oft rat- und hilflos vor dem Geschehen standen und "autotoxica", weil sich der Körper in einer Überreaktion selbst vergiftet. Die normale Infektionsabwehr gerät dabei außer Kontrolle, es kommt zu einem chaotischen Ablauf der Infektionsauseinandersetzung, so der Mediziner Andreas Meier-Hellmann von der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Uni Jena: "Das führt zu Veränderungen insbesondere in den kleineren Blutgefäßen, dadurch nehmen verschiedene Organe einen Schaden bis hin zum Organversagen und zum Tod des Patienten." Ausgelöst wird eine Blutvergiftung durch Infektionen mit Bakterien oder Pilzen vor allem dann, wenn der Körper geschwächt ist - nach einem schweren Unfall, großen Operationen oder aggressiven Krebstherapien.

    Standardbehandlung war bislang die Beseitigung der Infektionsursachen, Gabe von Antibiotika und intensivmedizinische Betreuung. Nun geben gleich drei neue Wirkstoffe Anlass zur Hoffnung, die Blutvergiftung direkt zu stoppen. Einer davon ist ein alter Bekannter in der Intensivmedizin: Hydrocortison wurde bislang bei Medikamentenüberempfindlichkeit und Nebennierenentzündungen angewandt. Nun stellten die Mediziner fest, dass die Nebenniere auch bei der Blutvergiftung eine entscheidende Rolle spielt. "Ein Ersetzen der Hormone, die die Nebenniere produziert und wozu das Hydrocortison gehört, kann einen positiven Einfluss erzielen", sagt Professor Konrad Reinhart, der Direktor der Jenaer Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, wo die deutsche Studie koordiniert wurde. Dank Hydrocortison sank die Sterblichkeit beim septischen Schock um 15 Prozent. Etwas geringer war der Erfolg eines weiteren Präparats, das in Jena getestet wurde. Dabei setzen die Mediziner Antikörper gegen den körpereigenen Tumornekrosefaktor ein, der auch bei der Sepsis gebildet wird. Ein dritter Ansatz stammt aus den USA: Zum vielfältigen Geschehen bei einer Sepsis gehören auch eine exzessive Blutgerinnung und Entzündungsreaktionen in allen Gefäßen. Dabei wird Protein C verbraucht. Die Therapie verhindert nun über eine Substanz, die aktiviertes Protein C darstellt, die vermehrte Bildung von gerinnungshemmenden Substanzen, so Reinhart: "Sie hat aber auch entzündungshemmende Wirkung, und das aktivierte Protein C trägt dazu bei, dass schon verstopfte Gefäße durch Auflösung der Gerinnsel positiv befördert werden." Die Kombination der drei Medikamente könnte zusätzliches Potenzial bergen, hofft Reinhart. Noch sind aktiviertes Protein C und die Tumornekrosefaktor-Antikörper nicht als Medikament zugelassen. Die Gabe von Hydrocortison hingegen gehört in Jena mittlerweile zum Standard bei der Behandlung.

    [Quelle: Hartmut Schade]