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Hoffnung für Katachel

Mehr als zwanzig Jahre Krieg und Bürgerkrieg haben aus Afghanistan, ein Land, das flächenmäßig etwa acht mal so groß ist wie die Bundesrepublik, ein einziges Trümmerfeld gemacht. Millionen von Minen, die nur langsam geräumt werden können und eine seit drei Jahren anhaltende Dürre führten dazu, dass weite Teile des Landes schlicht brachliegen. Dabei ist das Land gerade jetzt auf eine florierende Nahrungsmittelproduktion angewiesen, zum einen, um den überall spürbaren Hunger im Land zu lindern, zum anderen, weil vier Fünftel der Bevölkerung auf dem Land leben und die Erträge aus der Landwirtschaft oft die einzige Einkommensquelle der Familien sind. Hilfe und Unterstützung tut Not, nicht zuletzt, weil viele Bauern sich sonst, wie schon in der Vergangenheit, wieder auf den lukrativen Opiumanbau konzentrieren. Die meisten Hilfsorganisationen haben ihre Tätigkeit auf die relativ sichere Hauptstadt Kabul beschränkt - im Gegensatz zu einem deutschen Hilfsprojekt, das sich in der Provinz Kunduz, einem traditionellen Landwirtschaftsgebiet, um die Wiederankurbelung der Landwirtschaft bemüht.

Von Dorette Deutsch |
    Meine Familie besitzt fünf Morgen Ackerland. Mein Mann macht die Arbeit auf dem Feld ganz allein, weil die Frauen bei uns nur im Innenhof arbeiten. Mit unseren fünf Kindern wohnen wir in den zwei Zimmern einer Lehmhütte. Aber wir haben kein Geld, um uns ein neues Haus zu bauen. Es reicht gerade, um unsere Kinder sattzubekommen. Alles, was ich irgendwie auftreiben kann, Kleidung, Essen, das brauche ich für die Kinder. Aber meine Kinder gehen in die Schule. Deshalb hoffe ich, dass für sie bald eine bessere Zukunft beginnt.

    Golbashra lebt in Katachel, einem kleinen Dorf in der Provinz Kunduz, einer der 34 Provinzen Afghanistans und mehr als eine Tagesreise von der Hauptstadt Kabul entfernt. Jeder Hof besteht aus drei, vier Häusern mit quadratischen Innenräumen, in denen die Familie wohnt, schläft und isst. In den kleineren Nebengebäuden sind die Tiere, Hühner, Ziegen, eine Milchkuh untergebracht. Wasser wird draußen am Brunnen geholt, die Kochstelle im Hof mit getrockneten Kuhfladen geheizt. Strom gibt es nicht. Über 80 Prozent der Afghanen leben auf dem Land - 98 Prozent von ihnen sind Analphabeten.

    Ein engagiertes Hilfsprojekt hat die achthundert Bewohner von Katachel in der schwierigsten Zeit vor dem Verhungern bewahrt. Sybille Schnehage vom Verein Katachel - nach dem Namen des Dorfes - hat sich seit 1994 in der Provinz Kunduz engagiert. Vierzig afghanische Mitarbeiter arbeiten inzwischen für den Verein. Um die beiden Schulgründungen für Jungen und Mädchen ist ein vorbildliches Dorfentwicklungsprojekt entstanden, das inzwischen immer weitere Kreise zieht: Patenschaften für mittellose Witwen wurden ebenso übernommen wie die Finanzierung von Saatgut und für den Bau von Staudämmen. Die Wasserversorgung ist für die Landwirtschaft das größte Problem.

    Ich denke, das Problem von Entwicklungshilfe aus Amerika und Europa ist, dass wir immer besserwisserisch auf die Leute zugehen. Ich sehe es als viel wichtiger an, dass man die Ideen der Leute, der Einheimischen aufnimmt; die müssen sich mit dem Projekt identifizieren, und die gewinnen mit dem Projekt auch Ehre; er hatte die Idee und hat sie ausgesprochen, er hat mich überzeugt und nicht ich ihn, und er wird seine eigene Ehre damit identifizieren, ob das mit der Schule was wird. So ein Ort besteht ja nicht nur aus verschiedenen Dorfansammlungen, sondern das ist meistens ein Verwandschaftsverband aus mehreren Familien. So wie hier in Katachel sind alle miteinander verwandt, so dass jeder immer mit seinem Dorf und seiner Verwandtschaft eng verbunden ist.

    Die Provinz Kunduz ist ein traditionelles Landwirtschaftsgebiet. Im Auftrag der Interimsregierung ist General Mohamad Dout für die Schaffung von Infrastrukturen und die Sicherheit in den Provinzen Mazar-i-Scharif, Kunduz, Tandokan und Bachalan zuständig.

    Früher gab es im Land eine funktionierende Infrastruktur, und die Menschen lebten vor allem von der Landwirtschaft: Es gab viel Baumwolle und Ölgewinnung aus Raps, daneben auch eisenverarbeitende Industrie. Nach 22 Jahren Krieg und Bürgerkrieg ist alles zerstört. Wir müssen also in unserer Heimat wieder bei Null anfangen. In Kunduz gab es eine baumwollverarbeitende Fabrik, die vor Jahrzehnten von der deutschen Regierung gebaut worden war. Die Anlagen stehen jedenfalls noch, wenn hier wieder Baumwolle angebaut wird, könnten die Leute wieder Arbeit finden.

    Entwicklungshilfe, weitab von Kabul, fängt jeden Tag neu und in vielen kleinen Schritten an.

    Ich denke, man muss sich hier nur umgucken, und dann sieht man, wie viel wir hier verändert haben. Denn die Leute haben früher in Lehmhöhlen gewohnt unter wirklich schlechten hygienischen Bedingungen. Das sieht jetzt, wenn man hinkommt, romantisch aus, aber dort zu leben war extrem schwierig. Man sieht eben, dass Neu-Katachel zum Teil schon aufgebaut ist, viele sind schon umgezogen, in gut belüftete Zimmer, die ganz vernünftig aussehen, in denen man gut leben kann, und damit hat sich eigentlich schon viel verbessert. Es war auch vorher so, dass die Wasserversorgung hier völlig von diesem kleinen Lehmbach abhing, und zwar auch das Trinkwasser. Inzwischen haben die Leute sauberes Wasser. Damit ist natürlich die Sterblichkeitsrate für die Kinder deutlich gesunken.

    Kontakt-Adresse:

    Katachel e. V. Verein für Humanitäre Hilfe in Afghanistan Hauptstr. 1a 38467 Bergfeld Tel. 05368 - 505 Schnehage@wolfsburg.de