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Hoffnung Waldpädagogik

"Natur obskur" nennt Rainer Brämer seine repräsentative Studie über das Verhältnis von Jugendlichen zur Natur. "Natur obskur" - das heißt: unsere natürliche Umwelt wird als etwas empfunden, das fern von uns liegt. Es herrscht ein eklatanter Wissensmangel. Nur jeder Zweite befragte Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren wusste, dass Rosinen getrocknete Weintrauben sind. Rainer Brämer, Natursoziologe an der Universität Marburg.

Von Claudia van Laak |
    "Das Bedrückendste daran ist, dass das Interesse an Natur beständig gesunken ist und in den letzten Jahren ganz besonders viel. Also durch die Natur zu streifen, spazieren gehen, wandern, das ist völlig out. "

    Immer mehr Kinder und Jugendliche leben hinter Glas. Sie sitzen im Haus, im Auto, vor dem Computer, vor dem Fernseher. Die fehlende Naturerfahrung, das fehlende Wissen über Zusammenhänge führt zu einem Phänomen, dass Wissenschaftler "Bambi-Syndrom" nennen. Wolfgang von Geldern, Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

    "Ja, man darf überhaupt nichts verändern an der Natur, das ist die Grundauffassung, die dem zugrunde liegt. Das ist ein liebes, schönes anzusehende Reh, möglichst aus der Entfernung. Und das passt auch zu der gelben Ente und der lila Kuh, man sieht das, am besten auf dem Bildschirm, im Wald ist die Nähe schon wieder bedrohlich, und man darf überhaupt niemanden stören. "

    Die neusten Studien über das Verhältnis von Jugendlichen zur Natur lassen den Schluss zu: die nachwachsende Generation lebt abgeschnitten von unseren natürlichen Lebensgrundlagen. Dass Natur genutzt werden muss, damit die Menschen überleben, dieser Zusammenhang ist ihnen unbekannt. Mit fatalen Folgen, sagt der Natursoziologe Rainer Brämer. Der fundamental wichtige Begriff der Nachhaltigkeit könne so nicht verstanden werden.

    "Dieser Begriff ist einem natürlich nur so lange verständlich, wie man sich klar gemacht hat, dass wir die Natur nutzen müssen. Wenn man das nicht realisieren kann, wenn man das verdrängt, wenn man das sogar moralisch diskreditiert, folgt daraus, dass man den Begriff Nachhaltigkeit, dieses Postulat nicht mehr verstehen kann. "

    Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald fordert deshalb, auf allen Ebenen Anstrengungen zu unternehmen, um Kindern und Jugendlichen unverstellte Naturerfahrungen zu ermöglichen. Eigentümer sollten ihre Wälder für Bildungs- und Erlebnisangebote zur Verfügung stellen, die Waldpädagogik in den Bildungs- und Waldgesetzen der Länder verankert werden. Der Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Wolfgang von Geldern.

    "Wir wollen nicht die Jugendlichen nur auf einem Weg durch den Wald schleusen, wir wollen dass sie Bäume anfassen, dass sie durchs Unterholz streifen, dass sie Tiere beobachten, vielleicht auch anfassen, das ist nicht verboten, es muss ein Leben mit der Natur sein, nicht nur ein Beobachten der Natur, der Wald ist kein Museum. "

    Soziologen und Psychologen warnen vor einer falsch verstandenen Pädagogisierung des Waldes. Empirische Studien haben ergeben: junge Leute lernen umso besser, je größer die Freiräume sind. Der Natursoziologe Rainer Brämer sagt: Natur selber kann gut erziehen.

    "Dazu darf es nicht so schrecklich viele moralische Zeigefinger geben, dazu müssen auch die Naturschützer lernen, dass im Wald herumspringende Kinder nichts anderes sind als sind als eine Horde Wildschweine, aber auch nicht schlimmer. und ich denke, wenn wir uns da ein bisschen entkrampfen, den Wald spannend machen und nicht mit moralischen Dekreten versehen, dann wäre das ein guter Weg, um weiter zu kommen. "