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Hoffnungslos verseucht?

Phenolhaltige Abwässer aus der Braunkohle-Verschwelung haben zu DDR-Zeiten aus dem Phenolsee in der Nähe des Dorfes Trebnitz eine schwarze Brühe gemacht. Doch tot war das Gewässer damit nicht: Manche Mikroorganismen überlebten, und sie bilden die Grundlage für die Sanierung. Seit zehn Jahren läuft diese Selbstreinigung und inzwischen hat sie auch Erfolg: Sogar Wasservögel haben sich schon angesiedelt.

Von Mark Michel |
    Noch ist der See in der Nähe von Trebnitz bei Weißenfels umzäunt und ein Tor versperrt normalerweise den freien Zugang. Sepp Kunze, der Bürgermeister der Gemeinde Trebnitz steht am Ufer des Sees. Vögel zwitschern, Wind bläst durch Schilf, Wald und übers Wasser und Sonnenstrahlen spiegeln sich in kleinen Wellenbergen wider. Sepp Kunze, der Bürgermeister erinnert sich:

    " Ja, ich bin vor über 60 Jahren als Kind hier geboren in Trebnitz-Siedlung und bin hier aufgewachsen. Natürlich war dieser See für uns Kinder ein bisschen Umfeld. Ich habe zum Beispiel in dem See, als er noch sauber war, das Schwimmen gelernt. Und dann mussten wir als Kinder mit erleben, dass hier das Abwasser aus der ehemaligen Schwelerei des Braunkohlenwerkes eingeleitet wurde. Da ist uns durch das Fischsterben zuerst aufgefallen, dass das Wasser verseucht war. Und das ist dann immer schlimmer geworden. "
    Auch Ulrich Stottmeister, Biologe am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, erinnert sich an den Zustand des Sees. Seit zehn Jahren leitet er ein Forschungsprojekt, um den "Phenolsee" zu sanieren:

    " Das war ein ehemaliges Tagebaurestloch, das mit schwarzen und ausgesprochen stinkenden Gewässern gefüllt war. Diese Wässer hatten als Hauptkomponente phenolische Verbindungen, stammten aus der Pyrolyse des nahegelegenen Braunkohlenwerkes und sind dort als Deponie eingeleitet worden. Das Grundwasser war stark gefährdet, weil einmal Ammoniumverbindungen und Phenole in das Grundwasser eintreten konnten. "

    Schwarz gefärbt, stinkend und hochtoxisch galt der See eigentlich als biologisch tot und nicht sanierbar. Doch die Biologen stellten fest, dass die schwarze Brühe keineswegs ohne Leben ist. Sie fanden Mikroorganismen. Mit deren Hilfe, so die Idee des Forscherteams, sollte der See sich selbst reinigen. Mikrobiologen, Chemiker und Hydro-Geologen machten sich gemeinsam an die Arbeit, um die Selbstreinigungskräfte des Sees zu wecken. Als erstes wurde das Wasser lichtdurchlässiger gemacht, so dass mehr Mikroorganismen entstehen konnten. Dazu ließ man nach den ersten Testreihen im Labor einen 16 Meter tiefen und 5 Meter breiten Gummischlauch, eine Art riesiges Testgefäß, direkt in den See ein und nahm eine Testflockung vor. Durch Zugabe von Eisen-III-Salzen sollten die phenolischen Verbindungen beseitigt werden. Setzen sich die Flocken am Seeboden ab, wird das Deponiewasser klar und ungefärbt:

    " Die Analyse der schwarzfärbenden Substanzen zeigte nämlich, dass sie sich so ähnlich wie Huminstoffe, so wie die Braunkohle früher, verhielten. Und wir konnten damit eine Flockungsreaktion durchführen, die im Resultat ein Sediment brachte, aber ein ganz klares ungefärbtes Wasser. "

    Die Experimente in dem riesigen Testschlauch verliefen erfolgreich. Nach der Flockung sanken die schwarzen Phenolstoffe tatsächlich in tiefere Schichten ab. Jetzt dringt nach Jahrzehnten endlich wieder Licht durch das Gewässer. Es bildet sich Sauerstoff. Die Wissenschaftler begannen daraufhin, die Behandlung auf den gesamten See auszudehnen. Der erste Schritt, um die Selbstreinigungskräfte des Sees zu wecken, war getan:

    " Die Idee war nun, die Mikrobiologie so zu aktivieren, dass der Rest der gelösten organischen Stoffe in dem klaren überstehenden Wasser von allein sozusagen von den Mikroorganismen abgebaut wird. "

    Um den Prozess noch weiter zu beschleunigen, injizierten die Forscher Phosphat genau bemessen in Form von Phosphorsäure in den See:

    " Das Eisen, was wir also dort als Flockungsmittel genommen haben, das bindet gleichzeitig Spuren von Phosphat. Das heißt, die Mikroorganismen, die nun aktiv werden sollten, hätten einen Spurenstoff nicht zur Verfügung gehabt, weil er durch das Eisen gebunden war. Und das war also das Ziel, dass genau kalkuliert dieser notwendige Spurenstoff Phosphor eingebracht wird. "

    Heute, über zehn Jahre nach den ersten Testreihen, gilt der Patient "Phenolsee" als fast geheilt. Das Wasser ist klar. Es wachsen Algen und die ersten Vögel und Enten haben sich angesiedelt. Zwar haben sich die toxischen Verbindungen am Grund des Sees angesammelt. Doch in den oberen Schichten des Sees entwickelt sich ein naturnahes Ökosystem, sagt Ulrich Stottmeister:

    " Dazu haben wir die Kenntnisse genommen, die es aus dem schwarzen Meer gibt. Man hat eine stabile Schichtung des Tiefengewässers. An der Oberfläche ist ein natürliches Gewässer, aber in der Tiefe sind toxische Substanzen vorhanden. Aber die gelangen nicht an die Oberfläche. Und genau das System wollten wir im Prinzip einrichten. An der Oberfläche ein natürliches Ökosystem installieren und in der Tiefe Langzeitreaktionen anschieben, die dann dort auch aktiv werden. "