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Hoffnungsträger mit Anlaufschwierigkeiten

Vor fast genau zehn Jahren kündigten Intel und Hewlett-Packard an, gemeinsam den Prozessor-Markt aufrollen zu wollen. Zusammen entwickelten die IT-Schwergewichte den "Itanium"-Chip und drückten so die Konkurrenzprodukte Alpha, MIPS und PA-RISC seitdem ins Technik-Museum. Doch der Siegeszug des Itanium erlitt mittlerweile einen Rückschlag: ein Grund dafür ist Intels hauseigene Konkurrenz, ein anderer der Rückzug von IBM aus dem Projekt.

Von Achim Killer |
    Der weltgrößte Computer-Konzern wird in seine künftigen Rechner keine Itanium-Prozessoren mehr einbauen. Bei der Vorstellung ihrer Chip-Sätze für Intel-basierte Server hat die IBM jetzt auf hartnäckiges Nachfragen amerikanischer Journalisten eingeräumt, dass der Itanium von diesen Chipsätzen nicht mehr unterstützt wird. Noch vertreibt IBM Server mit Intels 64-Bit-Prozessor, auch bekannt als "IA64" – Intel-Architektur 64. Aber im Prinzip handelt es bei den Servern, die IBM mit dieser IA 64 noch im Angebot hat, um Auslaufmodelle. Begeistert war man davon ohnehin nie, dass ein Intel-Chip gegen Power konkurriert, den IBM-eigenen Hochleistungsprozessor. Senior Vice-President Bill Zeitler ist denn auch stets bemüht, den lästigen Wettbewerber klein zu reden.

    Wir bauen IA-64-Rechner, die wie die entsprechenden Angebote anderer Hersteller, allerdings nur mäßig nachgefragt werden. Es handelt sich dabei sehr wohl um technologisch starke Produkte. Aber ihr Erfolg hängt eben davon ab, ob die IA-64-Architektur von den Software-Häusern und den Anwendern angenommen wird.

    Früher war IBM – und auch Sun – sehr viel aufgeschlossener. Die beiden Schwergewichte auf dem Servermarkt übertrugen ihre hauseigenen Betriebssysteme Solaris und AIX auf IA64 und verkündeten - wenn auch nur widerwillig – große Pläne mit Intels Hochleistungs-Chip. Der Grund war naheliegend: Auf Intel-Prozessoren läuft nun mal die meiste Software im PC-Bereich. Und nachdem Intel einen Hochleistungsprozessor angekündigt hatte, lief auch die Entwicklung im Rechenzentrum darauf hinaus. Zum Itanium gab es Anfangs keine Alternative. Mittlerweile aber gibt es sie: Seit gut einem halben Jahr bietet Intel auch Prozessoren mit so genannten 64-Bit-Erweiterungen an. Ein derartiger Chip kann wie ein Itanium, ein Power oder wie Suns Sparc-Prozessor mehr als vier Gigabyte Arbeitsspeicher ansprechen. Andere Hochleistungseigenschaften allerdings fehlen den Chips mit 64-Bit-Erweiterungen. Sie sind also keine Konkurrenz für Power und Sparc und werden deshalb von IBM und Sun gerne genommen. Und sie verarbeiten 32-Bit-Programme besser. Analysten sind begeistert. Andrew Butler von Gartner:

    Wir glauben, dass viele 32-Bit-Anwender gerne mal einen Zehen ins 64-Bit-Wasser halten wollen. Und die finden 64-Bit-Erweiterungen, egal ob von Intel oder AMD, sehr reizvoll.

    Intel musste die hauseigene Konkurrenz für seine Itanium-Prozessoren auf den Markt bringen, weil es der Wettbewerber AMD vorgemacht hatte. Und jetzt stellt man bei Intel fest, dass die neuen Chips, die mit 64-Bit-Erweiterungen, sich sehr viel besser verkaufen als die Itanium-Prozessoren, wie es der europäische Marketing-Chef Adam Martin einräumt, wenn auch nur sehr verklausuliert:

    Xeon ist unser Massenprodukt. Und wir haben die Erweiterung auf die 64-Bit-Adressierung sehr aggressiv vorangetrieben. Bis Ende des Quartals werden wir zwei Millionen 64-Bit-Xeons ausgeliefert haben. Der Itanium hingegen zielt auf den klassischen RISC-Markt, wo niedrige Stückzahlen abgesetzt, aber hohe Umsätze gemacht werden. Und wir haben unseren Umsatz im Itanium-Geschäft innerhalb des letzten Jahres verdreifacht.

    Was die Konkurrenz von außerhalb anbelangt, so rechnet Martin mit einem Zweikampf IBM-Intel um die Vorherrschaft im Rechenzentrum:

    IBM hat viel Geld in seine Power-Architektur investiert. Vielleicht wird es deshalb im Laufe der Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Power und Itanium.

    Und so sehen es auch die meisten Analysten. Der vermeintlich unaufhaltsame Siegeszug des Itanium bei Hochleistungsrechnern ist gestoppt. Auf diesem Gebiet konkurrieren künftig der weltgrößte Computer- gegen den weltgrößten Chip-Konzern - mit offenem Ausgang.