Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Hoffnungsträger mit Startschwierigkeiten

Energie. - Europa will bis 2050 einen Großteil seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken. Neben Wind und Sonne bedeutet das auch Biomasse. Wie man Pflanzen am effizientesten in Kraftstoff verwandelt, war eine der großen Fragen auf der Europäischen Biomassekonferenz in Hamburg. Der Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen erläutert sie im Gespräch mit Ralf Krauter.

29.06.2009
    Krauter: Herr Grotelüschen, Biosprit aus nachwachsenden Rohstoffen, der hatte in letzter Zeit ja nicht immer die besten Schlagzeilen. Es gibt ambitionierte Projekte dazu, etwa in den USA, in Europa, in Brasilien. Aber Kritiker fürchten die Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln. Auf den Teller oder in den Tank, das ist sozusagen die Frage. Wie will man diese Kontroverse den künftig entschärfen?

    Grotelüschen: Also dazu braucht man, Herr Krauter, letztlich eine neue Generation von Biokraftstoffen, die so genannte zweite Generation. Was wir heute nutzen, ist die erste Generation, also das, was unserem Benzin oder unserem Diesel beigemischt wird. Hierzulande ist das eben Raps-Diesel, in den USA vor allem der Benzinersatz Bioethanol, der aus Mais gewonnen wird. Dazu nutzt man letztlich Nahrungsmittelpflanzen und man nutzt auch nur einen kleinen Teil der Pflanzen, eben nur den Rapssamen oder das Maiskorn. Und das ist eben nicht besonders effizient, der Hektar-Ertrag ist da relativ bescheiden, mit so 1500 Liter pro Hektar. Um diese Nachteile zu beseitigen, arbeiten die Experten schon länger an diesen Biokraftstoff in der zweiten Generation. Dabei soll eben die gesamte Pflanze zu Sprit oder Diesel gemacht werden, und nicht nur der Samen oder das Korn. Da gibt es verschiedene Wege: In den USA sucht man vor allem nach chemischen und biologischen Verfahren, um zum Beispiel auch das Stroh zu Ethanol zu vergären. In Deutschland setzt man darauf, Holz oder Pflanzenreste regelrecht zu vergasen, um dieses Synthesegas dann auf chemischen Wege zu synthetischem Diesel zu machen. Also BTL-Diesel ist der Fachbegriff. Also Pflanzenreste und Stroh eben statt Raps oder Palmöl und der Vorteil sind dreifache Hektar Erträge und auch weniger Konkurrenz zu den Nahrungsmitteln.

    Krauter: Sie sagten schon, da gibt es seit Jahren schon Pilotprojekte, über die wir auch in der dieser Sendung berichtet haben. Was ist der aktuelle Stand, wie weit sind diese Entwicklungen vorangekommen bei diesen Biokraftstoff in der zweiten Generation?

    Grotelüschen: Also da muss man sagen, da ist man nicht so weit, wie man es sich erhofft hat. Also vor zwei oder drei Jahren gab es mal eine gewisse Euphorie, dass man doch recht bald die Durchbrüche schafft und eigentlich heute schon damit fahren kann, sozusagen. Doch auf der Biomasse-Konferenz hier wurde klar, dass das eben doch noch nicht so schnell geht. Zum Beispiel dieses Vorzeigeprojekt Choren in Sachsen, das ist so eine industrielle Pilotanlage zur Herstellung von BTL, also 2006 habe ich diese Anlage mal besucht, und da hieß es, die Anlage soll im Herbst 2007 fertig sein, aber die ist heute noch nicht fertig. Der Grund sind schlicht und einfach technische Probleme, unter anderem beim Sicherheitskonzept. Das muss nämlich grundlegend überarbeitet werden, und jetzt heißt es, die Anlage soll in diesem Herbst erst starten und im nächsten Jahr erst kommerziell werden. Und Verzögerungen gibt es eben auch in den USA, bei der Entwicklung von diesem Bioethanol der zweiten Generation. Also die technischen und auch die wirtschaftlichen Hürden sind doch noch größer als erwartet. Und viele Fachleute waren offensichtlich zu optimistisch und jetzt wird es wohl noch, zehn bis 15 Jahre dauern, bis zu einer Markteinführung im nennenswerten Maßstab.

    Krauter: Das wird also alles nun ein bisschen dauern, länger als erwartet. Wo sehen die Experten denn, wenn man mal im großen Stil auf den Markt käme, das größte Potenzial für den Einsatz dieser neuen Biokraftstoff?

    Grotelüschen: Also da sind verschiedene Zahlen erst einmal im Umlauf, der Biosprit könnte eines Tages zehn oder bis zu 20 Prozent, theoretisch jedenfalls, des weltweiten Kraftstoffbedarfs decken; mehr wohl nicht, denn die Anbauflächen sind einfach begrenzt. Aber die Frage ist eben auch, wer wird diesen Biosprit bekommen. Und da gibt es Studien, dass zumindest in fernere Zukunft man den Biosprit im Wesentlichen für die Luftfahrt gebrauchen wird, denn da ist ja Biokerosin nach Ansicht vieler Experten die einzige Alternative, denn so ein Elektroflugzeug mit Batterie, das kann man sich wirklich nicht vorstellen. Und für den Straßenverkehr bleibt dann lächerlich so viel übrig, muss man sagen. Also da ist die Zukunft vielleicht doch mehr zu sehen in den Elektroautos oder vielleicht sogar in den Wasserstoff-Autos als im Biosprit, den man im Luftverkehr braucht.

    Krauter: Der Vorteil von Biosprit ist ja, er verbrennt Klima neutral, weil ja das CO2 zuvor aus der Atmosphäre gefischt wurde. Es gibt es auch Vorschläge, mit Biosprit eine negative Kohlendioxid-Bilanz zu erzielen. Wie ernst ist das zu nehmen?

    Grotelüschen: Ja, da sind zumindest Pilotprojekte geplant und zwar in Brasilien. Die Idee ist also, das Stichwort CCS, also die Kohlendioxid-Abtrennung und -Speicherung, diese Technik ist ja bislang eher im Zusammenhang mit Kohlekraftwerken im Gespräch, und durchaus umstritten. Aber man könnte das auch zusammen mit der Bioethanol-Herstellung machen, da wäre der Vorteil, dass das CO2 praktisch in reiner Form entsteht, bei dieser Herstellung von Bioethanol, das müsste dann nicht aufwändig gefiltert werden, sondern könnte praktisch direkt in den Boden verpresst werden. Und dadurch hätte man eben eine negative CO2-Bilanz, die Pflanzen nehmen zum einen das CO2 beim Wachsen aus der Luft, und bei der Bioethanol-Herstellung wird kein CO2 frei, sondern es wird direkt weggesperrt. Die EU bereitet ein Pilotprojekt vor, der Experte, mit dem entsprochen habe, der war ziemlich euphorisch, ich denke, man muss da mal abwarten, was daraus wird.