Donnerstag, 28. März 2024

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Hohe Corona-Zahlen
Mediziner: Noch mehr Leute ins Homeoffice schicken

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist weiterhin hoch. Der Wiederanstieg komme nach den Feiertagen nicht unerwartet, sagte der Mediziner Thorsten Lehr im Dlf. Nun hoffe man, dass die Zahlen in den nächsten Tagen langsam wieder sinken. Viele Möglichkeiten, um die Ausbreitung weiter einzudämmen, gebe es nicht mehr.

Monika Seynsche im Gespräch mit Thorsten Lehr | 12.01.2021
Runde Tische mit Stühlen stehen in einem Raum
"Was sicherlich noch helfen würde, wäre, die Arbeitsplätze noch zu restriieren", sagt der Mediziner Thorsten Lehr über Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie. (imago)
Deutschland befindet sich seit fast vier Wochen im harten Lockdown. Trotzdem sind die Fallzahlen immer noch hoch, in einigen Bundesländern sogar gestiegen. Thorsten Lehr ist Professor für Klinische Pharmazie an der Universität Saarbrücken und hat ein Computermodell entwickelt, das regelmäßig Vorhersagen erstellt, wie sich das neue Coronavirus in Deutschland verbreiten wird. Mitte Dezember hatte das Modell prognostiziert, dass die Zahlen sinken würden - doch die Zahlen sind immer noch hoch.
Coronavirus in Zahlen - Was die Neuinfektionen für die kommenden Wochen bedeuten
Eine Epidemie bedeutet ständig Veränderung. Die Situation ist im Fluss, doch wohin? Zahlen bieten Orientierung, aber sie verwirren auch. Ein Wert alleine wird der Dynamik nicht gerecht. Deshalb hier ein Überblick über Zahlen und Trends, für Deutschland und die Welt.
Thorsten Lehr: Was wir gesehen haben vor dem Lockdown, ist zum einen, dass die Inzidenzen erst mal noch sehr stark angestiegen sind, also egal in welchen Bundesländern, wir haben dort einen relativ starken Anstieg gesehen. Danach kam es dann eigentlich durch den harten Lockdown auch zu einem relativ guten Abfall erst mal der Inzidenzzahlen. Aber was wir momentan sehen, den Wiederanstieg, das hängt natürlich ein bisschen damit zusammen, dass jetzt auch noch Meldungen von Fällen über die Feiertage, das heißt Weihnachten und Silvester und auch die Reiserückkehrer jetzt noch gemeldet werden. Dadurch haben wir wieder den relativ starken Anstieg momentan zu verzeichnen.

Hoffnung, dass die Zahlen in den nächsten Tagen sinken

Monika Seynsche: Und wenn diese quasi Nachmelder vorbei sind, wenn dieser Schwung vorbei ist, was erwarten Sie dann, gehen die Zahlen dann runter?
Lehr: Das ist natürlich das, was wir uns wünschen, und das, was wir uns erhoffen. Wir haben jetzt natürlich noch eine Verschärfung der Maßnahmen, von daher würde ich natürlich sehr stark erwarten, dass die Zahlen nach unten gehen. Dieser Wiederanstieg, der kommt jetzt für uns auch nicht unerwartet, den haben wir Anfang und Mitte Dezember auch schon vorhergesagt. Die Prognosen, dass sich relativ schnell die Fallzahlen, die Inzidenzen wieder der 50er-Inzidenzmarke nähern, die waren natürlich unter der Annahme, dass Weihnachten und Neujahr keine großen Feierlichkeiten stattfinden. Jetzt sehen wir eben Fallnachmeldungen, und genau haben wir eigentlich kalkuliert, dass ungefähr ein Tag Lockerung, das heißt Festivitäten über die Feiertage, auch mit ungefähr zwei Tage Verzug einhergehen, und dann hoffen wir eigentlich, dass in den nächsten ein, zwei Tagen die Zahlen auch langsam wieder sinken werden.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Seynsche: Sie hatten ja Mitte Dezember vorhergesagt quasi, dass Länder wie sagen wir mal Schleswig-Holstein oder auch Mecklenburg-Vorpommern schon Anfang Januar wieder an dieser 50er-Grenze sein würden. Jetzt ist Mecklenburg-Vorpommern aber zum Beispiel bei deutlich über 100 angelangt. Ist das nicht besorgniserregend?
Lehr: Das ist es in der Tat. Was wir so ein bisschen sehen, ist tatsächlich, dass die Länder, die auch vor dem Lockdown schon relativ gut noch dastanden, dass die jetzt, wie soll ich sagen, noch mal ein bisschen nachgelegt haben. Auch was die Inzidenzen angeht, sind die sehr stark angestiegen. Ich persönlich könnte natürlich vermuten, dass das vielleicht auch mit der Mentalität dann zusammenhängt, dass wenn man relativ wenig betroffen ist von einer hohen Inzidenz, man möglicherweise die Feiertage die Restriktionen der Kontakte gar nicht so ernst genommen hat und deshalb jetzt möglicherweise ein bisschen das Nachsehen hat und diesen Wiederanstieg. Da bleibt’s halt nur zu hoffen, dass wir entsprechend schnell auch wieder die Inzidenzen senken können.

Gute Bedingungen für Virusausbreitung im Winter

Seynsche: Sie modellieren ja den Einfluss nicht pharmazeutischer Interventionen, also genau dieser Schulschließungen, der Kontaktminimierung et cetera. Wenn wir jetzt davon ausgehen, die Fallzahlen gehen nicht direkt runter, also dieser Trend, den wir im Moment sehen, der setzt sich fort, was müsste denn da noch passieren, was haben wir denn eigentlich noch im Köcher?
Lehr: Ja, es wird langsam ein bisschen enger mit dem, was wir noch im Köcher haben. Ich denke, das eine, was sicherlich noch helfen würde, wäre natürlich auch, die Arbeitsplätze noch zu restriktieren, das heißt, mehr Leute in das Homeoffice zu schicken. Dort sind wahrscheinlich noch relativ viele Kontakte, die natürlich dann nicht nur damit verbunden sind, dass Leute auf dem Arbeitsplatz Kontakt haben, sondern auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr sich dorthin bewegen. Und das Zweite, Ausgangsbeschränkungen wären noch die weitere Möglichkeit und natürlich auch die Beschränkung des Ausgangsradius, so wie es halt in den Hochinzidenzlandkreisen jetzt auch schon stattfindet. Aber dann wird es relativ eng. Momentan dürfen wir halt nicht vergessen, dass wir auch eine sehr gute Lage für das Virus haben. Das Wetter ist sehr schlecht, hier bei uns schneit es jetzt beispielsweise, es ist unangenehm, Viren können sich in solchen Umgebungen halt relativ gut ausbreiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.