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Hohe Wasserpreise wegen hoher Gewinnversprechen

Die Verträge mit den privaten Investoren der Berliner Wasserbetriebe garantieren diesen hohe Gewinne, weshalb die Wasserpreise in Berlin überdurchschnittlich hoch sind. Bürgerinitiativen kämpfen dagegen.

Von Anja Nehls | 16.02.2012
    Lars Asbeck hebt eine kleine Metallklappe im Bürgersteig an und dreht dann im Untergrund mit einem riesigen Metallschlüssel den Wasseranschluss. Dieser gehört zu einem winzigen Häuschen. Der Besitzer, ein Rentner, steht am Gartenzaun und sieht fassungslos zu.

    "Sie wissen ja, warum zu ist?" -" Ja, weil wir nicht bezahlen können." - "Überhaupt nicht?" -"Wie denn?" -"Haben Sie irgendwat?" - "Ich weiß nicht, wo ich das Geld hernehmen soll. Wir waren gerade bei der Bank. Und ich habe von der Krankenkasse das Geld zurückgebucht."

    Lars Asbeck ist Sperrkassierer der Berliner Wasserbetriebe. 50 solcher Einsätze hat er pro Woche. In der Bundeshauptstadt sind die Einkünfte niedrig und die Wasserpreise mit die höchsten in Deutschland. Das liegt daran, dass die Berliner nicht nur das Wasser bezahlen müssen, sondern auch die Gewinngarantien der privaten Wassermiteigentümer, erklärt Thomas Rudek von der Initiative Berliner Wasserbürger:

    "Und diese Gewinngarantien müssen finanziert werden durch enorm hohe Wasserpreise."

    Thomas Rudek kann anpacken. Grauer Zopf, Mehrtagebart, Holzfällerhemd. Er hat den Volksentscheid vor einem Jahr mit zum Erfolg geführt. Die Bürger fordern, dass die Verträge, in denen die Gewinngarantien festgeschrieben sind, offengelegt werden – mit dem Ziel, den 50-prozentige Verkauf an private Eigentümer rückabzuwickeln. 660.000 Berliner hat die Bürgerinitiative zur Stimmabgabe motiviert. Gerhard Seyfried hat Stunden an Infoständen verbracht und sitzt nun – ein Jahr später – wieder vor neuen Flugblättern. Wasserprivatisierung – nein, danke.

    "Und diese Rekommunalisierung nimmt im beschlossenen Regierungsprogramm von CDU und SPD gar keine Rolle ein."

    Genau diese beiden Parteien waren 1999 dafür zuständig, dass die Hälfte der Berliner Wasserbetriebe verkauft wurden – für 1,7 Milliarden Euro an die privaten Investoren Veolia und RWE. Seitdem teilen sich das Land, RWE und Veolia satte Gewinne. 270 Millionen Euro allein zum Beispiel im Jahr 2010. Den Löwenanteil davon kassieren die Privaten, aber auch für das Land Berlin bleiben ungefähr 120 Millionen Euro pro Jahr, die in den klammen Haushalt fließen. Ein Skandal, denn mit Wasser darf man nicht verdienen dürfen, sagt Gerhard Seyfried:

    "Ausgerechnet Wasser ist ja ein Grundnahrungsmittel. Daher denken wir grundsätzlich, dass also mit dem Wasser keine Profite gemacht werden sollen, das ist eine Grundlage der menschlichen Existenz überhaupt."

    Seit 2006 kämpfte erst eine Bürgerinitiative für das Berliner Wasser, dann wurden es zwei. - Auch in Bürgerinitiativen gibt es Streit. Immerhin, das Ziel beider ist gleich geblieben. Thomas Rudek will jetzt nicht aufgeben:

    "Ich bin kampfeslustig. Die eigentliche Arbeit: Das bedeutet, dass was offengelegt ist, diese Verträge mit den enorm hohen Gewinngarantien, die müssen wir juristisch anfechten, aber die Abgeordneten wollen nicht. Also, ich befürchte, dass der Sonderausschuss oder die Abgeordneten sich nicht so sehr dem Volksentscheid verpflichtet fühlen, sondern sich mehr verpflichtet fühlen den Konzernen RWE und Veolia."

    Seit dem Volksentscheid ist fast ein Jahr vergangen. Nach der Wahl im vergangenen Herbst wurde im Abgeordnetenhaus ein Sonderausschuss gebildet, in dem nun Vertreter aller Fraktionen sitzen. Am 6. Januar war die erste Sitzung, morgen findet die zweite statt. Von der SPD ist Nicolaus Carsten dabei – Neuling im Abgeordnetenhaus:

    "Warum hat das solange gedauert? Wir müssen doch erstmal sehen, wie wir zusammenarbeiten. Es ist ja nicht so, dass hier ein funktionierender Verwaltungsapparat, der seit zehn Jahren immer zusammenarbeitet, auf einmal umschwenkt, und es geht alles von alleine. Das braucht auch immer ein bisschen Zeit. Und das ist auch typisch für eine Demokratie und das muss eine Demokratie auch aushalten."

    Nicolaus Carsten malt Grafiken auf ein weißes Blatt. Er hat sich gründlich in die komplizierte Materie eingearbeitet. Den Vorwurf, sich dem Willen der Bürger nicht verpflichtet zu fühlen, will er nicht auf sich sitzen lassen. Auch, wenn seine Partei damals den Verkauf der Wasserbetriebe mit eingefädelt hat, will er den Kurs nun korrigieren:

    "Also, ich möchte rekommunalisieren, weil ich auch überzeugt bin, dass es sich rechnet. Also, ich denke, es ist die Aufgabe der Politik als Führung auch auf veränderte Rahmenbedingungen einzugehen. Und das kann sehr wohl sein, dass in einer Zeit das richtig war und das heute falsch ist. Es war ja nicht das Ziel, jetzt was besonders Schlechtes zu machen, sondern es war das Ziel 1,7 Milliarden für den Haushalt zu bekommen. Das war der Antrieb, auch die Erkenntnis, dass die Kraft des privaten Kapitals auch Gutes bringen kann. Und jetzt haben wir die Erkenntnis, dass das private Kapital auch deutlich schlechte Sachen macht."

    Eine Lösung ist schwierig: Die Verträge können angefochten und für nichtig erklärt werden, ob das juristisch jedoch klappt, ist fraglich. Berlin kann die Anteile der Privaten zurückkaufen, doch Veolia will nicht verkaufen und RWE will viel Geld sehen. Es wird bereits verhandelt, aber das kann dauern. Bis dahin haben die Berliner Wasserkunden zumindest einen Verbündeten im Bundeskartellamt. Um 19 Prozent seien die Wasserpreise in der Stadt zu hoch, sagt die Behörde und schickte den Wasserbetrieben eine Abmahnung. Die kontern: Das Bundeskartellamt sei für Wasser gar nicht zuständig. Bis dieser Streit geklärt ist, will Thomas Rudek nicht warten. Er wird weiterkämpfen solange, bis das Berliner Wasser wieder in kommunaler Hand ist:

    "Was wir an Feedback bekommen haben, von Organisationen, von Einzelpersonen, was ich an E-Mails bekommen, was ich an Telefonrückmeldungen bekommen habe, das ist soviel Motivation und Bestätigung, dass ich einfach weiß: Es ist der richtige Kampf."