Filmtext: "Ein paar Kilometer weiter östlich pendelt der erfahrenste Chefarzt der Charité zwischen seinen beiden Standorten. Er leitet seit 20 Jahren die größte chirurgische Abteilung: Orthopädie und Unfallchirurgie. Der 62jährige wird hinter vorgehaltener Hand "Gottvater der Knochen" genannt. International beratend, national führend, im Dienste der Wissenschaft, eng mit der Politik verzahnt. Er sieht sich in einer langen Tradition von preußischen Chefärzten ..."
Preußische Chefärzte. Der knorrige Klinikchef rauscht im offenen Cabrio auf seinen Parkplatz. Das Bild, das diese ARD Doku-Soap von einer öffentlich finanzierten Top-Einrichtung des deutschen Gesundheitswesens zeichnet, das ja mit einem Umsatz von 250 Milliarden Euro jährlich fast in der Größenordnung eines Bundeshaushaltes liegt, pendelt zwischen längst überholter grotesker Gottesnähe von Weißkittel-Spitzenhierarchen und Beinahe-Realsatire, wenn es nicht die schwerwiegenden ärztlichen Herausforderungen im Einzelfall tatsächlich gäbe.
Wer glaubt, dass diese Abfolge von Herz-Schmerz-OP-Saal-Nummern nebst dramatisierender Computermusikbrause und feschem Splitscreen-Gezappele auch nur annähernd den Alltag und die tatsächlichen Anforderungen an Topmanager an der Spitze eines Großklinikums widerspiegelt, glaubt möglicherweise auch an Feen und Trolle im Taka-Tuka-Land.
Mit einem hoch renommierten smarten Neurochirurgen, der auf große Patientennachfrage mit noch mehr Arbeitsverdichtung reagiert, einem liebenswürdig lächelnden Geburtshilfe-Professor, der zwischen heiligenscheinartig drapierten OP-Leuchten an einem Untersuchungstisch und beim Kaiserschnitt inszeniert wird, und einem strengen Unfallchirurgen und Orthopäden der alten Schule, der in einer Szene sogar seine Oberärzte öffentlich vorzuführen scheint, ist es wirklich nicht getan. Sätze wie "Jede OP birgt ihre Gefahren" und "Vertrauen ist dabei für die Patienten das Wichtigste" rühren vielleicht an, bleiben aber hohle Phrasendrescherei um Selbstverständlichkeiten.
Und dann immer wieder der "Professor": Nirgendwo sonst auf der Welt werden diesem akademischen Titel bzw. einer Amtsbezeichnung soviel Weihrauch und Heilsmystik entgegengebracht. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass Forschungsqualifikation und ärztliches Können nicht zwingend stets im Gleichklang Schritt halten müssen und die Qualifikation für akademische Spitzenämter heute nun einmal überwiegend durch Grundlagenforschung unter anderem unter Verbrauch von Zellkulturen und Tieren stattfindet. Manchmal ist eben der nicht professorale Oberarzt, der keine Vorstandsverpflichtungen hat und nicht am beliebten Kongresstourismus teilnimmt, der vielleicht sogar erfahrenere und bessere Operateur für bestimmte Eingriffe.
Streckenweise entsteht der Eindruck, dieser Film eignete sich eher zu Image- und Werbezwecken denn zu umfassender Information. Was für ein Bild universitärer Topmedizin, die im Falle der Charité allein in puncto Forschung jährlich 126 Millionen Drittmittel einwirbt, mit denen über 1500 Stellen finanziert werden, zeichnet die ARD hier zur besten Sendezeit: im Wesentlichen Einzelfälle in operativen Fächern, bei denen der Herr Professor mal selber Hand anlegt. Ausschnitthafter und beliebiger geht es kaum. Ob sich die Herren Professoren angesichts dieser Darstellungsverkürzung ihres tatsächlichen Tätigkeitsfeldes über diesen Film freuen sollten?
Verstehen und Verständnis für die Komplexität unseres Gesundheitssystems zwischen Kosten- und Einnahmendruck, Vorhaltung und Finanzierung von Rund-um-die-Uhr-Versorgung und Medizinforschung, deren knallharte Währungen heute Drittmitteleinwerbung und Publikationen in Zeitschriften mit möglichst hohem Impactfaktor heißen, bleiben völlig außer Betracht.
Worum könnte es den Fernsehverantwortlichen also gegangen sein? Um Quote? Sollte das Defizit an seriöser Medizinberichterstattung in der ARD mit einem solch altbackenen Klischeefilm zur besten Sendezeit etwa wundergeheilt werden?
Übrig bleibt die umwerfende Erkenntnis eines Angehörigen: Die Chefärzte sind die Besten. Ach.
Filmausschnitt: "Professor Henrich ist seit 20 Jahren Geburtsmediziner. Frau Müllers Verlobter baut auf seine Kompetenz: "Das wurde von mir halt bemerkt, dass es vom Normalarzt zum Oberarzt, zum Chefarzt ne krasse Kompetenzsteigerung gibt, auch in Sicherheit und Erfahrung. Das ist einfach ein Riesenunterschied gewesen.""
Preußische Chefärzte. Der knorrige Klinikchef rauscht im offenen Cabrio auf seinen Parkplatz. Das Bild, das diese ARD Doku-Soap von einer öffentlich finanzierten Top-Einrichtung des deutschen Gesundheitswesens zeichnet, das ja mit einem Umsatz von 250 Milliarden Euro jährlich fast in der Größenordnung eines Bundeshaushaltes liegt, pendelt zwischen längst überholter grotesker Gottesnähe von Weißkittel-Spitzenhierarchen und Beinahe-Realsatire, wenn es nicht die schwerwiegenden ärztlichen Herausforderungen im Einzelfall tatsächlich gäbe.
Wer glaubt, dass diese Abfolge von Herz-Schmerz-OP-Saal-Nummern nebst dramatisierender Computermusikbrause und feschem Splitscreen-Gezappele auch nur annähernd den Alltag und die tatsächlichen Anforderungen an Topmanager an der Spitze eines Großklinikums widerspiegelt, glaubt möglicherweise auch an Feen und Trolle im Taka-Tuka-Land.
Mit einem hoch renommierten smarten Neurochirurgen, der auf große Patientennachfrage mit noch mehr Arbeitsverdichtung reagiert, einem liebenswürdig lächelnden Geburtshilfe-Professor, der zwischen heiligenscheinartig drapierten OP-Leuchten an einem Untersuchungstisch und beim Kaiserschnitt inszeniert wird, und einem strengen Unfallchirurgen und Orthopäden der alten Schule, der in einer Szene sogar seine Oberärzte öffentlich vorzuführen scheint, ist es wirklich nicht getan. Sätze wie "Jede OP birgt ihre Gefahren" und "Vertrauen ist dabei für die Patienten das Wichtigste" rühren vielleicht an, bleiben aber hohle Phrasendrescherei um Selbstverständlichkeiten.
Und dann immer wieder der "Professor": Nirgendwo sonst auf der Welt werden diesem akademischen Titel bzw. einer Amtsbezeichnung soviel Weihrauch und Heilsmystik entgegengebracht. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass Forschungsqualifikation und ärztliches Können nicht zwingend stets im Gleichklang Schritt halten müssen und die Qualifikation für akademische Spitzenämter heute nun einmal überwiegend durch Grundlagenforschung unter anderem unter Verbrauch von Zellkulturen und Tieren stattfindet. Manchmal ist eben der nicht professorale Oberarzt, der keine Vorstandsverpflichtungen hat und nicht am beliebten Kongresstourismus teilnimmt, der vielleicht sogar erfahrenere und bessere Operateur für bestimmte Eingriffe.
Streckenweise entsteht der Eindruck, dieser Film eignete sich eher zu Image- und Werbezwecken denn zu umfassender Information. Was für ein Bild universitärer Topmedizin, die im Falle der Charité allein in puncto Forschung jährlich 126 Millionen Drittmittel einwirbt, mit denen über 1500 Stellen finanziert werden, zeichnet die ARD hier zur besten Sendezeit: im Wesentlichen Einzelfälle in operativen Fächern, bei denen der Herr Professor mal selber Hand anlegt. Ausschnitthafter und beliebiger geht es kaum. Ob sich die Herren Professoren angesichts dieser Darstellungsverkürzung ihres tatsächlichen Tätigkeitsfeldes über diesen Film freuen sollten?
Verstehen und Verständnis für die Komplexität unseres Gesundheitssystems zwischen Kosten- und Einnahmendruck, Vorhaltung und Finanzierung von Rund-um-die-Uhr-Versorgung und Medizinforschung, deren knallharte Währungen heute Drittmitteleinwerbung und Publikationen in Zeitschriften mit möglichst hohem Impactfaktor heißen, bleiben völlig außer Betracht.
Worum könnte es den Fernsehverantwortlichen also gegangen sein? Um Quote? Sollte das Defizit an seriöser Medizinberichterstattung in der ARD mit einem solch altbackenen Klischeefilm zur besten Sendezeit etwa wundergeheilt werden?
Übrig bleibt die umwerfende Erkenntnis eines Angehörigen: Die Chefärzte sind die Besten. Ach.
Filmausschnitt: "Professor Henrich ist seit 20 Jahren Geburtsmediziner. Frau Müllers Verlobter baut auf seine Kompetenz: "Das wurde von mir halt bemerkt, dass es vom Normalarzt zum Oberarzt, zum Chefarzt ne krasse Kompetenzsteigerung gibt, auch in Sicherheit und Erfahrung. Das ist einfach ein Riesenunterschied gewesen.""