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"Holadaittijo"

Jodeln ist schon nicht jedermanns Sache. Naturjodeln ist Jodeln in Halbtönen, was zum einen schwieriger ist, zum anderen zunächst sehr ungewöhnlich klingt. Birgit Wächter hat die Probe aufs Exempel gemacht und sich am Schweizer Säntis einem Naturjodelkurs angeschlossen.

Von Birgit Wächter |
    "Ich möcht Euch alle ganz herzlich begrüßen zu unserem Naturjodelkurs. Ich möchte mich kurz vorstelle: Ich bin Annelies Husser, komme von Alt. St. Johann."

    Stopp! - kleine Übersetzung: Annelies - unsere Lehrerin - kommt von einem Bergbauernhof und liebt das Jodeln.

    "Also Jodle. Hier uns sagt man Johle."

    Naturjodeln - das sollen wir hier lernen. In nur knapp zwei Stunden.
    Und so soll das am Ende dann klingen:

    Annelies jodelt.

    Als Kind habe sie schon gespürt, erzählt Annelies, dass Jodeln eine besondere Gabe ist. Heute ist sie stolz, das Ganze weitergeben zu dürfen und wir leicht entsetzt, was da noch auf uns zukommt.

    Naturjodeln - das ist Jodeln in Halbtönen - erfahren wir; es ist wild und farbig - mit Druck in der Stimme. Man spricht auch von den sogenannten untemperierten Naturtönen, so der Toggenburger Musiker und Komponist Peter Roth.

    "Also temperiert würde das so tönen und untemperiert so. Der mittlere Ton ist tiefer und das ist so das Markenzeichen. Das hören Sie im Blues, im Jazz überall in den ursprünglichen Musiken."

    Sie sind vom Aussterben bedroht - diese Naturtöne. In Korsika, in der Mongolei, bei den Schamanen - da hört man sie noch, und hier in der Ostschweiz rund um den Säntis, dank Peter Roth. Als echter Toggenburger - mit diesen Naturtönen untrennbar verwachsen - hat er heute vor allem ein Ziel: Er will sie bewahren, mit anderen teilen und sie genießen.

    Hier in der Ostschweiz hat er dazu eine einzigartige Klangwelt geschaffen.

    "Ich hab den Menschen hier bewusst gemacht, was sie für eine besondere Kultur da haben. Wir haben ja viele Nachteile in diesen Berggebieten: Wir haben keine Theater, keine Kinos, aber wir haben eine sehr eigenständige Kultur. Und ich merke, dass das im Bewusstsein der Bevölkerung etwas auslöst."

    Die Toggenburger Klangwelt zieht schon lange viele Touristen an, ganz besonders die Klangkurse - wie das Spielen auf dem Hackbrett zum Beispiel.

    "Dieses Hackbrett ist das typischste Instrument der Kultur hier rund um den Säntis, Toggenburg und Appenzell. Aber es kommt nicht von hier, sondern es kommt aus Mesopotamien, ist etwa 3500 Jahre alt und hat eine lange Wanderung durch den Balkan gemacht."

    Das Hackbrett ist ein Saiteninstrument, eine Zither, die nicht gezupft - dafür geschlagen wird - es ist offenbar recht einfach zu lernen, - fast jedes Kind hier im Toggenburg in der Ostschweiz spielt das Hackbrett von klein auf.

    Ein Hörerlebnis der ganz besonderen Art - und auch noch gesund, weil mit Bewegung verbunden - das ist das Wandern auf dem Toggenburger Klangweg. Christine Bolt - Direktorin von Toggenburg Tourismus:

    "Das ist die sogenannte Melodien-Gampfie, in Deutschland habe ich mir sagen lassen, würde das Melodien-Wippe heißen. Bei uns ist eine Gampfi. Das ist das erste Instrument vom Klangweg. Der Klangweg geht von der Alp sellamatt in die Alb. Hier oben ein wunderschöner Höhenweg bis ins Oberdorf, hat 22 Instrumente, die bespielt werden können, da kann man den Klang erfahren. Für den gesamten Klangweg hat man etwa drei bis fünf Stunden, je nachdem wie sehr sie sich Zeit lassen oder wie sportlich Sie unterwegs sind."

    Metallrohre zum hineinblasen, Glocken oder Schellen, durch die man hindurch läuft - hier auf dem Klangweg ist experimentieren angesagt.

    Wie tönt ein Baum, wie klingt Wasser, und welche Musik machen Löcher im Felsen? Töne und Klänge völlig neu erleben - und das auf ganz einfache Art und Weise.

    "Die Melodien-Gampfie, die Melodien-Wippe, ist ein Kinderspielzeug mit einem Xylophon in der Mitte, und die Holzkugel rieselt da ganz fein darüber hinweg, es tönt so wie Flussbett, manchmal leise manchmal reißend, sind ganz spannende Klänge."

    Die spannendsten Klänge - die machen wir allerdings selbst - beim Jodeln! Oder besser dem Versuch dessen. Unser kleiner Jodelkurs kommt jetzt richtig in Fahrt. Wir haben uns locker aufgestellt und sollen erst mal tief und ausgiebig atmen...

    "Und den Atem kommen lassen, richtig in den Bauchraum, man muss sich etwas gehen lassen, sich entspannen beim Singen."

    Wir versuchen es erstmal vorsichtig mit Summen.

    "Aus dem Summen heraus ein U sprechen."

    Und jetzt noch "O" und "A" dazu. Oh je!

    "Habt Ihr gemerkt, jetzt singt Ihr ja schon."

    Vor allem sind wir jetzt gar nicht mehr zu bremsen. Wir werden zum Chor:

    "Sopran mit dem Bass dazu!"

    Und jetzt alle! Na, geht doch!

    "Grathäbe" sagen die Schwyzer dazu - zu deutsch Begleitung.

    Jetzt fehlt nur noch das eigentliche Jodeln. Das macht Annelies - unsere Lehrerin selbst. Und wir begleiten sie voller Stolz.

    "Ein tolles neues Erlebnis. Vor allem, dass in so kurzer Zeit ein riesiger gemeinsamer Jodel entstand. Hat mir sehr gut gefallen, war wunderbar. Es war so richtig schön, mal die Lungen wieder durchzuatmen. Man hat das Gefühl, jetzt kann man Bäume ausreißen. Sehr gut, war sehr spannend, ja. Es ist erstaunlich, wie schnell doch etwas klingt in der Gruppe. Alles Laien, aber man könnte es wahrscheinlich fast verkaufen."