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Holland hilf!

In der alten Seefahrernation Niederlande ist auch heute noch das nötige Know-how für einige knifflige maritime Angelegenheiten zu finden. Dazu zählen komplizierte Bergungen und der Kampf gegen Öllecks auf Wracks wie der Costa Concordia.

Von Kerstin Schweighöfer | 19.01.2012
    Auch die niederländischen Medien berichten ausführlich über das havarierte Kreuzfahrtschiff Costa Concordia. Dabei kommen regelmäßig Experten der Rotterdamer Bergungsfirma Smit zu Wort, um zu erklären, wie sie die 2300 Tonnen Schweröl abpumpen wollen. Bis zu vier Wochen kann dies dauern. Alles, was die Rotterdamer dazu brauchen, wurde am letzten Samstag auf fünf Lkw geladen. Die sind am Montag am Unglücksort eingetroffen, erklärt der Sprecher von Smit Martijn Schuttevaer:

    "Inzwischen haben wir alles auf Schiffe umgeladen", " so Schuttevaer. " "Dann haben wir die unter Wasser liegenden Teile des Wracks inspiziert und die letzten Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls getroffen."

    Dazu gehört auch das Anbringen von Bewegungssensoren. Sie prüfen, wie sicher das Wrack auf den Felsen liegt. Das ist in solchen Fällen das größte Problem: Das Schiff darf sich nicht bewegen, denn sonst könnte es auseinanderbrechen. Eine Umweltkatastrophe wäre die Folge, so Vorstandsvorsitzender Peter Berdowski von Boskalis, dem Mutterkonzern von Smit:

    "Beim Abpumpen des Öls kommt es deshalb auf jede Stunde an. Das hat oberste Priorität. Erst dann kann ein Wrack geborgen werden."

    Dass ausgerechnet den Niederländern dieser komplizierte Auftrag anvertraut wurde, kommt nicht von ungefähr: Boskalis und Smit gehören zu den renommiertesten maritimen Dienstleistern der Welt. Sie sind auf allen Weltmeeren zuhause. Smit liefert dabei die Experten für komplizierte Bergungen, Boskalis das Know-how in Sachen Landgewinnung und Sand.

    2010 fusionierten die beiden Firmen, Boskalis übernahm Smit:

    "Seitdem sind wir noch stärker und der Stolz von ganz Holland", " so Vorstandsvorsitzender Berdowksi. " "Unser Name schallt über alle Weltmeere."

    Bis in den Golf von Mexiko. Dort war es 2010 nach dem Explodieren einer Ölbohrplattform zu einer schweren Umweltkatastrophe gekommen. Was sollen wir tun?, fragten sich die Amerikaner. "Klarer Fall!"antwortete Sarah Palin, die ehemalige Gouverneurin von Alaska und Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner. "In solchen Fällen ruft man die Holländer an", so Palin:

    Sprecher: "Obama obviously does not know how to stop the leak, do you know how to stop it?"
    Palin: "The Dutch! They are known for dikes and cleaning up water. They are there to help!"

    Und das taten sie: Um die Sümpfe von Louisiana vor dem Öl zu schützen, legten Sandingenieure von Boskalis südlich von New Orleans einen mehr als 70 Kilometer langen Damm aus Sand im Wasser an. Für die Holländer ein Kinderspiel: Schließlich baut Boskalis für Rotterdam derzeit einen neuen, 2000 Hektar großen Hafen in die Nordsee und hat auch dafür gesorgt, dass Dubai seine Palmeninseln bekam.

    Die Aufträge der Kollegen vom Bergungsunternehmen Smit können sich ebenfalls sehen lassen: Die haben vor 25 Jahren in Zeebrugge die gekenterte Ärmelkanalfähre Herald of Free Enterprise wieder aufgerichtet. Sie konnte repariert werden und weiterfahren - allerdings unter anderem Namen. Das Unglück hatte 193 Menschen das Leben gekostet.

    Auch bei der Zerlegung der Shell-Plattform Brent Spar 1995, die als Rohöl-Zwischenlager fungiert hatte, fehlten die Holländer nicht.

    Und im Sommer 2000, nach dem Sinken des russischen Atom-U-Boots Kursk, waren es Ingenieure von Smit, denen es gelang, das Wrack aus mehr als 100 Metern Tiefe zu heben und nach Murmansk zu schleppen. Ganz Holland ist noch heute stolz darauf:

    Am liebsten würden die Holländer nach dem Abpumpen des Öls auch die Costa Concordia bergen. Doch sowohl bei Smit als auch Boskalis fragen sich immer mehr Experten, ob das Kreuzfahrtschiff überhaupt noch aufgerichtet werden kann oder nicht doch zersägt werden muss.

    Boskalis-Vorstandsvorsitzender Berdowksi hatte schon vor Jahren zu bedenken gegeben:

    "Die Schiffe werden immer größer. Und das Bergen immer schwieriger."