Donnerstag, 28. März 2024

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Holocaust-Gedenktag
Ruth Klüger schildert ihren Überlebenskampf

Mit einer Gedenkstunde hat der Bundestag am heutigen internationalen Holocaust-Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Nach der Begrüßung durch Bundestagspräsident Norbert Lammert hielt die Wissenschaftlerin Ruth Klüger die Hauptrede, die die Internierung in mehreren NS-Vernichtungslagern überlebte.

27.01.2016
    Die Holocaust-Überlebende Ruth Klüger spricht am 27.01.2016 in Berlin im Bundestag bei der Gedenkveranstaltung.
    Die Holocaust-Überlebende Ruth Klüger im Bundestag bei der Gedenkveranstaltung. (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Die 84-Jährige lobte in ihrem Beitrag die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Deutschland, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich gewesen sei, habe heute den Beifall der Welt gewonnen dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen würden. Dies sei der Hauptgrund, warum sie die Einladung angenommen habe, im Bundestag zu sprechen.
    Außerdem ging Klüger auf ihre Internierung durch die Nationalsozialisten und ihren Überlebenskampf als Zwangsarbeiterin ein. Sie träume manchmal heute noch von ihrer Zeit im Steinbruch, sagte Klüger. Ihr Überleben habe sie nur einer Lüge zu verdanken gehabt, da sie sich damals im Alter von zwölf Jahren als älter ausgegeben habe und nur so von Auschwitz in das Arbeitslager Christianstadt gekommen sei. Der Winter 1944/1945 sei der kälteste Winter ihres Lebens gewesen. "Man konnte sich so gar nicht gegen die Kälte schützen, unsere Kleidung war viel zu dünn, an den Füβen hatten wir Zeitungspapier, das half, aber nicht genug. Und wir hatten vereiterte Wunden an den Beinen, denn es heilte alles so schlecht." Die Literaturprofessorin erinnerte auch an die Prostitution, zu der Frauen in den Lagern gezwungen wurden.
    Juncker: Entschlossener Kampf gegen Antisemitismus
    Bundespräsident Norbert Lammert forderte ein Bekenntnis gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das gelte für alle Menschen in Deutschland, egal wann und aus welchem Grund sie hierher gekommen seien, sagte er. Willkür und Unfreiheit dürften nie wieder die Herrschaft übernehmen.
    Vor der Gedenkstunde im Bundestag hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärt, dass unter die deutsche Geschichte kein Schlussstrich gezogen werden dürfe. "Dieses dunkelste Kapitel prägt unser Selbstverständnis und wird für immer untrennbar mit unserem Land verbunden bleiben", sagte Steinmeier.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus in Europa. Er bezeichnete es als nicht hinnehmbar, dass sich Juden aus Furcht vor Angriffen oder Übergriffen verstecken müssten. "71 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz ist dies schlicht unerträglich", sagte Juncker in Brüssel.
    Der 27. Januar ist seit Ende 2005 weltweiter Holocaust-Gedenktag. Damals verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der dies festgelegt wurde. Das Datum erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945. Auschwitz ist zum Inbegriff des Völkermords geworden. Allein dort wurden rund 1,5 Millionen Menschen ermordet - die meisten davon Juden, sowie viele Tausend Sinti und Roma und Polen. Insgesamt wurden sechs Millionen Juden von den Nationalsozialisten getötet.
    (fe/fwa)