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Hologramme lernen laufen

Technologie.- Videokonferenzen gehören heutzutage zum Standard in der Arbeitswelt. Allerdings sind die oftmals hunderte Kilometer entfernt sitzenden Kommunikationspartner "nur" auf Leinwand zu sehen. Aus der könnten sie bald herauskommen.

Wissenschaftsjournalist Ralf Krauter im Gespräch mit Uli Blumenthal |
    Uli Blumenthal: Hologramme haben der Fotografie die dritte Dimension eröffnet. Statt nur Farbe und Helligkeit eines Objektes wiederzugeben, wie die klassische Fotografie, verwenden Hologramme auch die zusätzliche Phaseninformation der Lichtwellen. Weil in denen die räumliche Information verborgen ist, wirken holografische Bilder perfekt dreidimensional. Im Fachmagazin "Nature" beschreiben US-Forscher heute ein neuartiges Holo-Display, das der Technik eine Fülle neuer Anwendungen bescheren könnte. Frage an meinen Kollegen und Physik-Autor Ralf Krauter hier im Studio: Welche zum Beispiel?

    Ralf Krauter: 3D-Fernsehen oder Filme ohne Spezialbrille zum Beispiel oder Videokonferenzen in 3D - aus Science Fiction Filmen kennt man das ja schon länger: In "Star Wars" zum Beispiel gab's schon 1977 mal einen per Funk übertragenen Hilferuf der Prinzessin Leia an den Jedimeister Obi-Wan Kenobi. Und der empfängt den dann in seinem Raumschiff und sieht die Prinzessin dabei, während sie spricht, auf einem Display vor sich, als ob sie wirklich leibhaftig vor ihm stünde.

    Blumenthal: Was ist die Schwierigkeit dabei? Warum war es bisher nicht möglich?

    Krauter: Naja, als Kunstobjekt oder Fälschungsschutz auf Kreditkarten, Geldscheinen kennt man Hologramme ja schon lange, da sind sie alltäglich. Aber das waren bisher immer statische Anwendungen, eine statische Angelegenheit. Also es waren 3D-Bilder, die einmal gemacht wurden, sich dann aber nicht mehr aktualisieren ließen. Für eine Videokonferenz oder Filme braucht man bewegte Bilder und dafür mangelt es eben bisher an Displays. Und genau so etwas haben jetzt die US-Forscher von der Universität Arizona in Tucson entwickelt, die haben Hologrammen sozusagen das Laufen beigebracht. Und zwar auf einem zehn mal zehn Zentimeter großen transparenten Display, das räumliche Bilder darstellt und sich alle zwei Sekunden aktualisieren lässt. Zwei Sekunden, das ist noch nicht so arg viel. Also der Hilferuf von Prinzessin Leia wäre wohl ein bisschen ruckelig rübergekommen. Aber immerhin: Ihr Gesicht wäre exakt räumlich so zu erkennen gewesen wie im Star-Wars-Film. Und dass das ganze funktioniert, kann man sich auf der Nature-Webseite anschauen. Da gibt es Videos, die die Forscher da reingestellt haben. Videos von Institutsmitarbeitern, etwas grobpixelig noch das Ganze. Auflösung etwa einen Millimeter, aber beeindruckend räumlich und heute deswegen auch Titelbild auf der Nature-Seite. Denn das Spannende daran ist: Wenn sich der Betrachter vor diesem Holo-Display bewegt, dann ändert sich die Perspektive wirklich exakt so, als ob man den echten Kopf des Gegenübers vor sich hätte. Also wenn man wollte, könnte man dem praktisch ins Ohr gucken.

    Blumenthal: Den Hologrammen das Laufen beigebracht - eine schöne Formulierung. Warum können die Hologramme jetzt laufen? Was steckt technisch dahinter?

    Krauter: Im Prinzip ist das Herzstück das Ganzen ein neues Display, das man bisher nicht hatte. Also erstmal muss das Bild natürlich aufgenommen werden, in dem Fall machen das Forscher mit 16 Kameras, im Halbkreis aufgestellt, um den Mitarbeiter, der dann per Telekonferenz in den nächsten Raum geschaltet wird. Ein Rechner berechnet daraus dann holografische Pixel, 120 Stück insgesamt. Die nennen sich übrigens Hogel - ein ganz witziger Begriff. Was so ein Hogel von einem normalen Pixel unterscheidet ist eben, dass er in Form eines Interferenzmusters 3D-Informationen all dieser 16 verschiedenen Perspektiven sieht, die durch die 16 Kameras zustande kommen, beinhaltet. Und die Hogel werden dann über Datenleitungen ins Nachbarlabor geschickt. Und dort steht dann dieses Display. Und was daran eben der Witz ist, das besteht aus zwei dünnen Glasscheiben mit einem speziellen dünnen Kunststoff drin. Das ist ein sogenanntes photorefraktives Polymer, das eine Firma aus Kalifornien extra dafür entwickelt hat - ein Material dessen Brechungsindex sich mithilfe von Licht gezielt verändern lässt. Das passiert mit dem grünen Laserstrahl, der mit der Information aus der Datenleitung so moduliert wird, dass er quasi dieses Plastik beschreibt. Und innerhalb von zwei Sekunden entsteht dann eben dieses charakteristische Brechzahlmuster. Das Ganze wird dann von hinten beleuchtet mit einer Leuchtdiode. Und dadurch entsteht dieses perfekt räumliche Abbild, das wirklich kontinuierlich aktualisiert werden kann und je nach Perspektive anders aussieht.

    Blumenthal: Diese dreidimensionale räumliche Illusion gibt es ja nun schon im Kino zu bewundern. Avatar hat ja da den Durchbruch gebracht. Was ist jetzt der Unterschied zwischen Avatar und dieser Technik?

    Krauter: Also im Kino brauchen Sie zurzeit noch die Spezialbrille. Da kriegen Sie ja im Prinzip zwei Bilder, eins für das rechte Auge, eins für das linke Auge. Die neue Technik liefert Ihnen im Prinzip 16 Bilder, also deutlich mehr Perspektiven als die zwei, die man aus dem Kino kennt. Und sie bietet den Vorteil, dass Sie - anders als im Kino - etwas anderes sehen können als ihr Nebenmann. Also im Kino ist es so, dass Sie beide das Gleiche sehen. Das macht im Kino auch Sinn. Aber mit dieser Technik wäre es jetzt zum Beispiel möglich, stellen Sie sich einen Operateur vor, der würde das Hologramm sehen, eine Operation irgendwo in Afrika, bei der er telemedizinisch assistieren soll. Und er könnte, je nachdem wie er seinen Blickwinkel verändert, einen bestimmten Tumor aus einer anderen Perspektive sehen, das ist dadurch extrem spannend für solche Anwendungen.