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Holographisches Universum

Physik. - Wenn Massen im Weltall beschleunigt werden, entstehen nach Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie sogenannte Gravitationswellen. Bislang aber konnten sie nicht nachgewiesen werden. Nun hat ein Wissenschaftler neu über die entsprechenden Experimente nachgedacht und schlägt ein ziemlich seltsames Weltbild vor.

Von Jan Lublinski | 09.03.2009
    Ein schnurgerader Feldweg im Schnee, außerhalb des Örtchens Sarstedt, 20 Kilometer südlich von Hannover. Neben einem kleinen Container steht ein gelbes Schild mit der Aufschrift "Empfindliche Messgeräte". Direkt neben dem Feldweg befindet sich, in den Ackerboden eingelassen, eines der empfindlichsten Messgeräte der Welt. Das so genannte Gravitationswellen-Interferometer GEO600, ein Längen-Messgerät, das winzigste Veränderungen in der Geometrie des Weltalls wahrnehmen soll. Es besteht aus zwei 600 Meter langen Vakuum-Röhren, in denen Laserstrahlen hin und herlaufen. Die Physiker vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, die hier arbeiten, sind zuversichtlich, dass sie in den kommenden Jahren Gravitationswellen messen werden - ein extrem schwaches Zittern des Raumes, das entsteht, wenn Sterne explodieren oder ineinander fallen. Hartmut Grote:

    "Wenn man in zehn Jahren immer noch nichts gemessen hat, wäre das schon eine große Überraschung. Denn die nächste Generation von Detektoren, die 2014, 2015 anfangen soll, zu messen, müsste auf jeden Fall, innerhalb von ein paar Monaten deutliche Signale sehen. Wenn das nicht der Fall ist, muss man sich grundlegend fragen, was mit der Physik nicht stimmen kann."

    Grundlegende Fragen dieser Art hat sich bereits jetzt der theoretische Physiker Craig Hogan von der Universität Chicago gestellt. Er hat ein neues, recht spekulatives Modell des Weltalls berechnet und kommt zu dem Schluss, dass GEO es möglicherweise sehr schwer haben könnte Gravitationswellen zu messen. Stattdessen soll mit diesem Gerät ein anderer Nachweis möglich
    sein: Nämlich der, dass unser Universum eine Art Hologramm ist, also ein zweidimensionales Objekt, das nur so tut, als wäre es dreidimensional. So sind zum Beispiel Holographie-Bildchen auf Kreditkarten flache Objekte, die nur räumlich erscheinen.(*)

    "Es wäre natürlich schon sensationell, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass das Universum zweidimensional plus eine Zeitdimension ist."

    Ein verstörender Gedanke, zumal die theoretischen Physiker in den vergangenen Jahren Modelle propagierten, die mindestens zehn Raum-Dimensionen benötigen. Nun aber soll plötzlich gelten: Weniger ist mehr. Auch der Laserexperte Harald Lück hat so seine Mühe mit dem zweidimensionalen Denken.

    "Man muss ja auch erstmal Bilder entwickeln, in denen man denken kann, und das stellt sich doch als schwieriger heraus als man zunächst erwarten sollte."

    Lück würde diese Theorie vom holographischen Universum sofort als irre Spekulation abtun, wenn aus Craig Hogans Rechnungen nicht eine sehr präzise Vorhersage für die Messungen an GEO600 folgen würde.

    "Diese Vorhersage sagt, dass wir ein Rauschen in unserem Detektor sehen müssten. Auf einem Level, das ganz knapp unter der Empfindlichkeit von unserem Detektor liegt."

    Die Empfindlichkeit ihres Messgerätes aber können die Laserphysiker verändern. Sie wollen GEO600 in den kommenden Monaten so einstellen, dass das Rauschen sich deutlich verringert, so weit bis Hogans Theorie widerlegt ist. Sollte dies aber nicht gelingen, dann wären die Max-Planck-Forscher einer ganz besonderen Entdeckung auf der Spur. Denn Hogans Theorie zufolge wäre dieses Rauschen ein Hinweis darauf, dass die Zeit quantisiert ist. Das heißt: Die Zeit fließt nicht kontinuierlich, sondern ist gekörnt ist wie Sand in einer Sanduhr.

    "Vor allen Dingen wäre es auch deshalb revolutionär, weil es ein erster Hinweis darauf wäre, wie man Quantentheorie und Gravitationstheorie zusammen bringen kann. Das wäre ein erster experimenteller Hinweis darauf, wie das geschehen könnte."

    Deutlich wahrscheinlicher ist allerdings die andere Variante: Dass Hogans Theorie sich als falsch erweist, und dass die Laserphysiker noch ein paar Jahre arbeiten müssen, bis ihnen endlich Einsteins Gravitationswellen ins Netz gehen.

    (*)In diesem Absatz weicht der Beitrag nach einer Autorenkorrektur geringfügig von der gesendeten Fassung ab.