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Holz gut in Form

Ingenieurwissenschaften. - Holz ist ein traditioneller Baustoff, der unter dem Aspekt der Ressourcenschonung steigende Nachfrage erfährt. Generationen von Handwerken, die mit Holz gebaut haben, sind bislang jedoch immer wieder an die gleichen Grenzen gestoßen: Zwar kann man Holz sägen oder hobeln, aber nicht wie Metall oder Kunststoff verformen. Dieses Limit haben nun Bauingenieure an der TU Dresden gesprengt. Sie haben ein neues Verfahren entwickelt und bereits zum Patent angemeldet, mit dem Holz - quer zur Faser - verformt werden kann.

    Von Uta Bilow.

    An der Wand lehnen zwei Fichtenholzbohlen gleicher Größe. Auf den ersten Blick erkennt man keinen Unterschied. Doch beim Hochheben merkt man sofort: Sie sind unterschiedlich schwer, die eine wiegt fast doppelt soviel wie die andere. Ein Blick auf den Querschnitt verrät das Geheimnis der Bohlen: Bei der einen sind die Jahresringe kreisrund, bei der anderen sind sie zum Oval verformt. Dieses Holz ist verdichtet, wie Professor Peer Haller vom Institut für Baukonstruktion und Holzbau der TU Dresden erklärt.

    Der Verdichtungsprozess erfolgt bei 150 Grad in einer Heizpresse, und dadurch wird die Mikrostruktur des Holzes zusammengepresst. Das heißt, man erzielt ein Holz sehr hoher Dichte von etwa einem Kilo pro Kubikdezimeter.

    Ein Kilo pro Kubikdezimeter - das entspricht der Dichte von Wasser. Trockenes Fichtenholz hat normalerweise gerade die halbe Dichte. Der Baustoff Holz, der auf den ersten Blick so fest wirkt, ist eigentlich eher ein Schwamm. Denn das Holzgewebe besteht aus dicht gepackten hohlen Zellen. Holz ist hochporös und kann daher in der Heizpresse zusammengedrückt werden. Aus kreisrunden Baumstämmen lassen sich ohne jeglichen Verschnitt rechteckige Balken pressen. Das Ergebnis:

    Proportional mit der Verdichtung wachsen auch die mechanischen Eigenschaften. Das heißt die Längsfestigkeit und die Steifigkeit dieses Stoffes oder dieses Holzes werden ebenfalls um den Faktor zwei verbessert.

    An einem größeren Bauwerk wie etwa einer Brücke erkennt man rasch die Vorteile des verdichteten Holzes. Denn hier ist die Belastung niemals gleichmäßig verteilt. Sondern einzelne Hölzer sind besonders stark beansprucht. Setzt man dort verdichtetes Holz ein, können die anderen Bauteile aus unverdichtetem Holz gleichen Querschnitts hergestellt werden. Alle Balken sind gleich dick, aber unterschiedlich fest. Der Laie erkennt keinen Unterschied, und der Gesamteindruck der Brücke ist harmonisch.

    Diese Verdichtung bewirkt eine bessere Ausnutzung des Holzes. Wir haben insgesamt dadurch Einsparungen, indem wir Festigkeiten dort hintun, wo sie benötigt werden und insgesamt ein schlankeres Erscheinungsbild dieser Brücke mit weniger Transportvolumen und weniger Rohholzeinsatz.

    Bei großen Belastungen greifen Bauingenieure meist zu Trägern aus Stahl. Weitverbreitet sind die typischen T-Träger. Aber auch hohle Querschnitte wie etwa eine Röhre sind um ein Vielfaches belastbarer als ein massives Profil wie beim Holzbalken. Mit dem Verfahren, das Peer Haller entwickelt hat, können solche hohlen Profile nun auch aus Holz hergestellt werden. Dazu werden kreisrunde Baumstämme zunächst zu quadratischen Balken verdichtet und anschließend an einer Seite wieder entspannt.

    Das Rückgängigmachen der Verformung erfolgt wiederum unter Zufuhr von Wärme und Feuchtigkeit und dadurch wird die zusammengefaltete Mikrostruktur des Holzes wieder auseinandergefächert .. .

    Aus dem quadratischen Profil entsteht ein trapezförmiges - der Querschnitt des Balkens sieht aus wie ein Tortenstück, dem die Spitze fehlt. Fügt man mehrere dieser Hölzer zusammen, ergibt sich eine Röhre.

    Das sind Profile, wie wir sie aus der Technik kennen. Diese Profile haben gegenüber den im Holzbau vorherrschenden Vollholzquerschnitten den Vorteil, dass sie wesentlich materialeffizienter sind. Das heißt: Mit einer gegebenen Materialmenge kann mehr Tragfähigkeit erzielt werden.

    Peer Haller und seine Mitarbeiter haben gezeigt, dass sich sprödes Holz quer zur Faser verformen lässt. Das Verfahren eröffnet dem traditionsreichen Baustoff Holz neue Einsatzgebiete. Verdichtetes Holz dürfte daher bald auf diversen Baustellen zu finden sein.