"Herr Schrott, was fasziniert sie an diesen alten Texten?"
Es gibt mehrere Antworten. Zum einen übersetze ich gern in einer Zeit, in der mir gerade selbst nichts einfällt, sozusagen als Fingerübung. Zum andern ist es eine Auftragsarbeit. Die Romanschreiberei, die sehr viel Zeit verschlingt, wird durch solche Arbeiten letztlich bezahlt. Der Trugschluss bei der "Ilias" war, dass ich gedacht habe, das kann ich nebenbei machen und untertags Romane schreiben. Jetzt sitze ich seit zwei Jahren dran. Aber mein eigentliches Interesse an den alten Stoffen ist ein anthropologisches, nämlich bei der Ferne der Kulturen und der Ferne der Zeiten das Menschliche, das sich präsentiert, mit dem unseren zu vergleichen, also das steinzeitliche in uns zu finden: der Hunger, der Sex, die Gewalt.
"Was ist die Schwierigkeit bei diesem Projekt?"
Das Problem der "Ilias" ist, dass sie eine sehr formelhafte Diktion hat. Die einen nehmen an, dass das die Sprache jahrhundertealter mündlicher Überlieferung ist. Die anderen können sehr wohl zeigen, dass diese Diktion aus dem vorderen Orient stammt, ebenso wie der "Gilgamesch", der ganz dick als Vorlage in der "Ilias" erkennbar ist.
Bei dieser formelhaften Sprache zeigen immer nur Nuancen, in welchem Stilregister sie angesiedelt ist, ob dieser Satz ironisch, pathetisch, sentimental, zynisch, provokant oder wie auch immer gemeint ist. Man darf ja nicht vergessen, dass der Text damals von einem Rhapsoden vorgetragen wurde. Wer jemals einen Schauspieler auf der Bühne gesehen hat, der weiß, wie viel Mimik, Gestik und Stimme ausmachen. Diese Art von Stilregister, die wir heute als literarische Qualität verstehen, der Wechsel von einer Tonlage in die andere, all diese Dinge lassen sich innerhalb des Textes der "Ilias" nur formelhaft feststellen. Sie herauszuarbeiten, war die eine große, große Arbeit. Die Schwierigkeit war also, immer drauf zu kommen, was genau gemeint ist hinter dieser Formelsprache.
"Hatten Sie eine Vorstellung von der Umsetzung?"
Ich habe mir gewünscht, dass es nur einen Sprecher gibt, der in all diese Rollen schlüpft, so wie man die "Ilias" damals auch vorgetragen hat. Das ist eigentlich die ursprünglichste und direkteste Art zu erzählen. Ich habe Manfred Zapatka gehört und finde es hinreißend, wie er das macht.
Die ersten acht Gesänge der "Ilias" von Homer in der Fassung von Raoul Schrott und der Regie von Klaus Buhlert, gesprochen von Manfred Zapatka sind am ersten und zweiten Weihnachtstag, an Sylvester und Neujahr jeweils ab14.05 Uhr zu hören.
Es gibt mehrere Antworten. Zum einen übersetze ich gern in einer Zeit, in der mir gerade selbst nichts einfällt, sozusagen als Fingerübung. Zum andern ist es eine Auftragsarbeit. Die Romanschreiberei, die sehr viel Zeit verschlingt, wird durch solche Arbeiten letztlich bezahlt. Der Trugschluss bei der "Ilias" war, dass ich gedacht habe, das kann ich nebenbei machen und untertags Romane schreiben. Jetzt sitze ich seit zwei Jahren dran. Aber mein eigentliches Interesse an den alten Stoffen ist ein anthropologisches, nämlich bei der Ferne der Kulturen und der Ferne der Zeiten das Menschliche, das sich präsentiert, mit dem unseren zu vergleichen, also das steinzeitliche in uns zu finden: der Hunger, der Sex, die Gewalt.
"Was ist die Schwierigkeit bei diesem Projekt?"
Das Problem der "Ilias" ist, dass sie eine sehr formelhafte Diktion hat. Die einen nehmen an, dass das die Sprache jahrhundertealter mündlicher Überlieferung ist. Die anderen können sehr wohl zeigen, dass diese Diktion aus dem vorderen Orient stammt, ebenso wie der "Gilgamesch", der ganz dick als Vorlage in der "Ilias" erkennbar ist.
Bei dieser formelhaften Sprache zeigen immer nur Nuancen, in welchem Stilregister sie angesiedelt ist, ob dieser Satz ironisch, pathetisch, sentimental, zynisch, provokant oder wie auch immer gemeint ist. Man darf ja nicht vergessen, dass der Text damals von einem Rhapsoden vorgetragen wurde. Wer jemals einen Schauspieler auf der Bühne gesehen hat, der weiß, wie viel Mimik, Gestik und Stimme ausmachen. Diese Art von Stilregister, die wir heute als literarische Qualität verstehen, der Wechsel von einer Tonlage in die andere, all diese Dinge lassen sich innerhalb des Textes der "Ilias" nur formelhaft feststellen. Sie herauszuarbeiten, war die eine große, große Arbeit. Die Schwierigkeit war also, immer drauf zu kommen, was genau gemeint ist hinter dieser Formelsprache.
"Hatten Sie eine Vorstellung von der Umsetzung?"
Ich habe mir gewünscht, dass es nur einen Sprecher gibt, der in all diese Rollen schlüpft, so wie man die "Ilias" damals auch vorgetragen hat. Das ist eigentlich die ursprünglichste und direkteste Art zu erzählen. Ich habe Manfred Zapatka gehört und finde es hinreißend, wie er das macht.
Die ersten acht Gesänge der "Ilias" von Homer in der Fassung von Raoul Schrott und der Regie von Klaus Buhlert, gesprochen von Manfred Zapatka sind am ersten und zweiten Weihnachtstag, an Sylvester und Neujahr jeweils ab14.05 Uhr zu hören.