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Hommage an den "Pott"

"Hömma, weiß Bescheid!", heißt die neue CD des Kabarettisten Kai Magnus Sting. Die Live-Premiere dazu gibt er nun in Duisburg. Sting nimmt die Eigenheiten des Ruhrgebiets aufs Korn und setzt der gesamten Region gleichzeitig ein Denkmal.

Von Achim Hahn |
    "Und wat sachte Gott, als er das Ruhrgebiet erschaffen hatte? Nein, nicht Essen ist fettich. Ne er sagte: so - datt Büdchen steht."

    Man muss schon ein eingefleischter Ruhrgebietler sein, um jenes höhere Wesen, das wir verehren, als Kioskbegründer zu interpretieren. Auch wenn Kai Magnus Sting im Prinzip recht hat:

    "Denn das erste im Ruhrgebiet war die Bude. Sozusagen das Epizentrum des Ruhrgebiets. Und damit das nicht so allein da steht, das Büdken, da hat Gott drumrum auch noch Duisburg und Mühlheim, Herne, Essen, Bochum Castrop-Rauxel, Dortmund und wie se alle heißen hingesetzt."

    Anne Bude. Immer schon ein kommunikativer Mittelpunkt. Früher jedenfalls, als man als Kröte noch fürn Tacken Leergut hinbrachte. Müssen se jetzt nicht wortwörtlich verstehen, ist Ruhrgeschichte und- sprache. Und der Duisburger Kabarettist Kai Magnus Sting hat beidem in seinen Programmen immer mal wieder ein Denkmal gesetzt. "Hömma, weiß Bescheid!" heißt sein neues Programm.

    "Dat ist eigentlich alles gesagt. Das ist quasi die Kernessenz des Ruhrgebiets. Wir sind ja als einzige Menschen auf der ganzen Welt dazu in der Lage, aus zwei Wörtern eins zu machen, und dieses eine Wort vor jeden Satz zu hängen, und das ist:

    Hömma!

    Egal wat wir sagen - erst mal sagen wir Hömma! Oft kommt danach auch nix mehr, aber jeder weiß, wat gemeint is. Machen Se sich mal nen Spaß, gehen Se mal durch den Duisburger Hauptbahnhof und rufen se mal ganz laut: Hömma! Bleiben sofort 10 Leite stehen! Ich hab dat letztens mal in Hamburg gemacht, bin ich übern Jungfernstieg, ich sach "Hömma!" - 20 Meter weiter dreht sich einer um: Ja wat is denn?"

    Kai Magnus Sting ist ein echter Ruhrie, der die seltsame Sprache und verqueren Besonderheiten der Eingeborenen zwischen Rhein und Ruhr liebt und schon immer im Blick hatte.

    "Für mich macht sich der Mensch immer an der Sprache aus. Also wie der Mensch spricht, so is er."

    Und das führt er in seinem neuen Programm in etlichen Varianten wortreich vor:

    "Und es kann Ihnen passieren, Sie sitzen in der S1, in Essen-Steele steigt ein Typ ein, den ham sie im Leben noch nicht gesehen, der da setzt sich direkt neben Sie und sagt: "Boa leck mich am Arsch!" Dann macht der aber weiter (...unverständlich schnell erzählte Geschichte, geht ums müllrausbringen...) Son Hals! Dann kommt Wattenscheid-Höntrup, der Typ steigt aus und sagt im Aussteigen: "Weiß Bescheid!" und is weg! Und Sie wissen von nichts Bescheid!"

    Ohne Punkt und Komma brettert Kai Magnus Sting auf sein Publikum ein, erweckt seltsame Alltagsgestalten zum skurrilen Leben, rankt sein Pottler-Panoptikum um typische Sprüche, die man hier schon mit der Muttermilch aufnimmt oder zwingt seine küchen-linguistischen Interpretationen des Ruhridioms zwischen die ewigen Lacher seines Publikums. Denn kabarettistische Nabelschau kommt an im Pott. Und man kann's ihm nachfühlen.

    "Ganz wichtig im Ruhrgebiet - wenn falsch, dann richtig! Ich musste letztens nachem Metzger hin, weiß nicht warum ich glaub sie war krank, und vor mir ein älter Herr, und der ältere Herr sachte wörtlich - im Ruhrgebiet immer wörtlich - Jungen Fräulein - Tun se mich ma' den Gehacktem! dat müssen se sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Tun - se - mich ma' - den - Gehacktem! das ist ne genitiv-Dativ-Akkusativ-Verschränkung innerhalb zweier Wörter. Solche Sätze müssen in anderen Regionen operativ entfernt werden."

    Schräge Typen, verquere Geschichten, lecker Pils anne Bude. Liebenswert verschroben scheint dieses Ruhrgebiet zu sein. Von gedanklichem Hightech keine Spur, aber gradling sind se dort. Irgendwie fantastisch und fast schon surrealistisch. Wer dort lebt, weiß dass alles stimmt und doch wieder nicht. Aber Stings Heimat-Kabarett bringt's eben auf den Punkt, und nicht nur der olle Tegtmeier hat's vorgemacht:

    "Es ist Heimatkabarett für alle, die hier leben, die mal hier gewohnt haben und für alle, die immer schon mal hier leben wollten."

    "Und ich kuck mich um und denk: Mein Gott is dat schäbbich hier. Das denk ich oft Ruhrgebiet. Schäbbich is ne sehr sympathische Form der Hässlichkeit."

    "Hömma, weiß Bescheid!" - das neue Programm von Kai Magnus Sting ist extrem witzig, auch wenn man vieles schon mal irgendwann gehört hat oder als Klischee abtun möchte - das Zwerchfell weiß es besser. Sisse, hätte seine Omma gesagt. Ommma mit 3 M versteht sich. Aber auch das ist ja nicht neu. Oder um es mit einem großen Ruhrpottklassikersatz zu sagen:

    "Hömma, samma, womma nomma? Hömma, samma, womma nomma!"

    "Also wer das hört, der versteht uns jetzt auch richtig."