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Hommage an eine Ikone des französischen Kinos

Jeanne Moreau ist eine lebende Legende. Ihr hat Ilmar Raag jetzt ein Denkmal gesetzt. In "Eine Dame in Paris" spielt Jeanne Moreau eine Exil-Estin, die von einer Pflegerin aus ihrem Heimatland betreut werden soll. Das Verhältnis der beiden Frauen wird schnell zu einem Psychoduell.

Von Josef Schnelle | 18.04.2013
    "Hat er Dir erzählt: Ich wär eine bedauernswerte Exil-Estin, die einsam und krank ist." – "Nein." – "Na, schön. Du kannst ihm bestellen, dass ich niemanden hier brauche. Pack Deine Sachen. Je schneller, desto besser."

    Jeanne Moreau – eine Ikone des französischen Kinos - ist 85 Jahre alt, doch sie ist immer noch streitbar, wie sie mit ihren Talkshow-Auftritten in den letzten Monaten insbesondere zu Gerard Depardieus russischer Staatsbürgerschaft bewiesen hat. Natürlich kann sie keine der Rollen ihrer großen Zeit mehr ausfüllen. Und so traute sich lange kein französischer Regisseur mehr an die lebende Legende heran. Der Portugiese Manoel de Oliveira – selbst schon 105 Jahre alt – besetzte sie als schrullige Alte in "Gebo et L'ombre", ihrem einhundertfünfzigsten Film, der gar nicht erst in die deutschen Kinos kam. Nun hat ein estnischer Jungregisseur ihr, die alle europäischen Ehrenpreise schon bekommen hat, ein kleines, feines filmisches Denkmal gesetzt. Mit einem Film, der ganz auf sie zugeschnitten ist.

    In "Eine Dame in Paris" spielt Jeanne Moreau sich mehr oder weniger selbst - gespiegelt in der Geschichte einer bedauernswerten Exil-Estin, die von einer Pflegerin aus ihrem Heimatland betreut werden soll. Stéphane, ihr jüngerer Ex-Geliebter, hat diese engagiert. Das Verhältnis der beiden Frauen eskaliert schnell zu einem Psychoduell.

    "Ja, Du bist heute allein. Aber fragt Dich mal: Wer ist schuld daran? Ich sehe, wie Stefan versucht, Dich zu lieben. Aber ich verstehe, dass er nicht mehr kommt!. Du willst sterben? Gut, dann spring doch durchs Fenster. Da, tue es doch." – "Ich hab meinen Körper zu gern um ihn zerschlagen auf der Straße liegen zu sehen. Jetzt geh endlich."

    In Wahrheit haben beide Frauen ihr Päckchen zu tragen. Anne aus Estland muss die Enge ihrer dörflichen Verhältnisse, die sie nach dem Tod ihres Mannes verlassen hat, gegen das Großstadtpflaster von Paris tauschen. Die verbitterte Alte muss sich eingestehen, dass sie den größten Teil ihres Lebens in Illusionen gelebt hat, die ihr nun nicht mehr weiter helfen.

    Jeanne Moreau mobilisiert die ganze Erfahrung ihrer 60 Jahre vor der Kamera mit Meisterregisseurin wie Michelangelo Antonioni, Orson Welles, Fassbinder, Truffaut und Bunuel um dieses großartige Porträt einer Frau, die ihr unkonventionelles Leben in vollen Zügen gelebt hat und nun nicht weiß, wie sie daraus wieder herauskommen will. Ein Tod im Kreise der Familie kommt nicht infrage, in den Armen des Geliebten noch weniger und die nachlassenden Kräfte machen es immer schwieriger das Leben zu genießen. Doch für ihre Pflegerin, die um die 50 noch einmal entscheiden muss, wie ihr eigenes Leben weiter gehen soll, hat sie immer noch ein paar Ratschläge parat.

    "Du bist hübsch. Weißt Du das. Wenn Du wolltest... Wie lange hast Du mit keinem Mann mehr geschlafen?" – "Wissen Sie, ich schlafe nicht einfach mit einem Mann, wenn ich ihn nicht liebe." – "Willst Du damit sagen, wenn ein Mann – ein ansprechender und intelligenter – mit Dir schlafen wollte. Dann würdest Du dich weigern? Oh, mein liebes Kind. Tu Dir selbst doch mal was Gutes. Nein, das ist kein Zustand."

    Ohne Jeanne Moreau im Zentrum dieses Films, ohne ihre Spielfreude und ihre filmische Präsenz wäre dieser zweite Film des ehemaligen Programmdirektors des estnischen Fernsehens wohl nicht das geworden, was er ist: Eine ehrfürchtige Hommage an eine große Schauspielerin, den man nicht nur als ausgesprochener Fan von Jeanne Moreau keinesfalls versäumen sollte. Viele Momente des Humors gehen ausdrücklich auf das Konto der Moreau, die sichtlich das Angebot genießt in einem klassischen Schauspielerfilm mit grandioser Mimik und ein paar kleinen Gesten noch einmal im Zentrum eines Filmes zu stehen. Auch Anne, verkörpert von der bekannten estnischen Schauspielerin Laine Mägi, hat in diesem Karussell der Lebensweisheiten mit ihrer bodenständigen Art etwas beizutragen, zum Beispiel wenn sie ihrem Arbeitgeber und Fridas Ex-Partner den Kopf wäscht. Das führt – nebenbei gesagt – zu ganz überraschenden Resultaten.

    "Frida braucht Sie. Nicht jemand wie mich." – "Was soll ich denn machen? Mich von ihr anketten lassen'" – "Bedeutet sie Ihnen nichts?" – "Das ist doch nicht entscheidend." – "Doch. Es ist entscheidend. Für Sie ist sie doch bereits tot."