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Homosexualität und Religion
Schwuler Imam auf dem Christopher Street Day

Ein homosexueller Imam aus Frankreich erzählt von seinen Erlebnissen. Nicht nur muslimische Homosexuelle kämpfen um Anerkennung: Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften sind vor dem Christopher Street Day in Berlin zu einem runden Tisch zusammengekommen, um über ihr Verhältnis zum Thema Trans-, Bi-, und Homosexualität zu diskutieren.

22.07.2016
    Eine Regenbogenflagge wird in Berlin beim Christopher Street Day (CSD) vor dem Brandenburger Tor gehalten.
    Vor dem CSD Berlin diskutieren Vertreter von Religionsgemeinschaften über Homosexualität (picture alliance / dpa - Britta Pedersen)
    "Es kann nicht dem Selbstverständnis von Gläubigen und Mitgliedern von Weltanschauungsgemeinschaften entsprechen, sich über die Abgrenzung zu und die Ausgrenzung von homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen zu definieren", heißt es in der Schöneberger Erklärung für Vielfalt und Respekt, die die Teilnehmer des Runden Tischs gestern in Berlin unterzeichnet haben. Dazu zählten unter anderem Vertreter der Alt-Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, des Liberal-Islamischen Bunds und des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. Niemand dürfe dazu genötigt werden, sich zwischen seinem Glauben und seiner sexuellen Identität entscheiden zu müssen. Das gelte auch für die jeweiligen Beschäftigten und Ehrenamtlichen.
    Ein französischer Imam mit algerischen Wurzeln lebt offen homosexuell
    Wie schwierig dieser Anspruch umzusetzen ist, merkt Ludovic-Mohamed Zahed, der in Paris die erste Moschee für Schwule und Lesben gegründet hat: "Wir stehen ganz am Anfang. Alles muss erneuert werden. In den vergangenen zwei Jahren haben wir angefangen, uns als offen schwule Imame zusammenzusetzen. Das ist durchaus gefährlich. Wir erhalten Anrufe und Drohungen von Rassisten, die es nicht ertragen können, dass es Imame gibt, die offen für Feministinnen, Schwule und Lesben sind. Und es gibt radikale, gewalttätige Faschisten, die auf jeden Fall verhindern wollen, dass das arabische Männerbild durch Schwule und Transsexuelle geschwächt wird."
    Als Faschisten bezeichnet der Imam gewalttätige Islamisten, die ihrem Terror seiner Ansicht das Etikett des Islams aufkleben. Sie und konservative Vertreter der großen Islamverbände erhielten besonders viel Aufmerksamkeit und prägten das heutige Bild der Religion. Allerdings finde daneben auch eine andere Entwicklung statt:
    "Positiv ist, dass immer mehr Imame sich zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen. Wir erleben auf der einen Seite die Radikalisierung des Islamischen Staats, auf der anderen Seite aber gibt es immer mehr Menschen, die eine fortschrittlichere Position einnehmen. Das braucht Zeit, wie auch die demokratischen Revolutionen in den arabischen Ländern. Aber wir sind auf einem guten Weg."
    Bislang ist das eine Minderheit. Die meisten Organisationen, die am Runden Tisch in Berlin-Schöneberg teilgenommen haben, sind für ihre offene Haltung bekannt – und für ihre kritische Distanz zur Mehrheit ihrer Glaubensgemeinschaft. Nushin Atmaca ist Islamwissenschaftlerin und die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds: "Es ist leider aber leider, muss man sagen, in der muslimischen Community bis heute eine Mindermeinung, dass abgesehen von Heterosexualität auch andere menschliche Sexualitäten und auch Partnerschaften anerkannt sind und nicht als sündhaft bezeichnet werden und deswegen erhalten wir teilweise auch Ablehnung und Anfeindungen."
    Die konservative Mehrheit scheue sich davor, Traditionen zu hinterfragen. In der persönlichen Begegnung falle das offene Gespräch leichter. Der Austausch mit großen Moscheeverbänden etwa sei hingegen schwieriger. Untereinander knüpften liberale Muslime weltweit aber immer engere Netzwerke: "Gleichzeitig ist es wichtig, dass solche Kontakte auch, so wie hier, offen dargestellt werden, dass sie an die Öffentlichkeit gehen, weil es sowohl der Mehrheitsgesellschaft zeigt als auch anderen islamischen Gruppen, dass es nicht nur der Liberal-Islamische Bund ist, der für bestimmte Positionen eintritt, sondern dass es durchaus auch andere Muslime gibt, oft in der Diaspora, aber auch in der islamisch geprägten Welt selbst, die zum Beispiel eine Offenheit gegenüber Homosexualität und Transsexualität, dafür plädieren."
    Offenheit gegenüber Trans-, Bi-, und Homosexuellen fällt vielen schwer
    Schwule, Lesben und Transsexuelle mit offenen Armen zu empfangen, das fällt bei weitem nicht nur Muslimen schwer. Bruder Franziskus nahm für das Rogate-Kloster Sankt Michael in Berlin-Schöneberg am Runden Tisch Teil, einer Gemeinschaft von Christen mit unterschiedlichen konfessionellen Hintergründen, teils lutherisch, teils reformiert, teils katholisch Die Einrichtung wirbt mit dem Slogan: "Bibel verstehen bewahrt vor Homophobie".
    "Die Öffnung und auch Gottesdienste insbesondere zu lesbischen Themen, schwulen Themen, Transthemen oder auch Intersexualität hat zum Teil auch zu Irritationen geführt bei manchen fundamentalistischen Kreisen. Ich sage das mal so vorsichtig mit Irritationen, weil es gab Morddrohungen, Gottesdienste mussten unter Polizeischutz stattfinden."
    Ablehnung von Homosexualität aber gibt es nicht nur in diesen fundamentalistischen Kreisen. In einer solchen Atmosphäre sei es besonders wichtig, Solidarität zu üben und auch in den anderen Religionsgemeinschaften Gleichgesinnte zu finden.