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Homosexuelle in der katholischen Kirche
"Vor zehn Jahren hätte ich mich garantiert nicht geoutet"

Einen wie ihn dürfte es laut katholischer Lehre nicht geben: Bernd Mönkebüscher ist Priester und offen homosexuell. Vor wenigen Monaten outete er sich. In seinem neuen Buch beschreibt er seine Hoffnung und seine Angst. "Manchmal schäme ich mich, katholisch zu sein", sagte er im Dlf.

Bernd Mönkebüscher im Gespräch mit Christiane Florin | 30.08.2019
Bernd Mönkebüscher ist katholischer Priester in Hamm. 2019 veröffentlichte er das Buch "Unverschämt katholisch sein". Darin schreibt er unter anderem über seine Homosexualität.
Bernd Mönkebüscher ist katholischer Priester in Hamm. 2019 veröffentlichte er das Buch "Unverschämt katholisch sein". Darin schreibt er unter anderem über seine Homosexualität. (Robert Szkudlarek)
Christiane Florin: In der katholischen Kirche in Deutschland gärt es: Nicht nur Engierte ohne Weihe und Würden protestieren, auch Priester halten nicht mehr still. Manche stellen fordernde Predigten bei Youtube ein, andere schreiben Bücher voller Reformsehnsucht. Zu letzteren gehört Bernd Mönkebüscher. Er ist Pfarrer in Hamm, Autor - und offen homosexuell. Bisher hat er geistliche Schriften verfasst. Sein neuestes Buch ist anders. "Unverschämt katholisch sein" hat er es genannt, es ist eine Mischung aus Streit- und Bekenntnisschrift. Bernd Mönkebüscher erklärt darin unter anderem, warum er Jahrzehnte brauchte, bis er offen über seine Homosexualität sprechen konnte. Ich habe ihn vor dieser Sendung interviewt und wollte zunächst wissen, warum er jetzt, mit über 50 Jahren, durch "diese Tür gegangen" ist, wie er schreibt. Warum das Outing?
Bernd Mönkebüscher: Weil ich es schon immer schwierig fand, etwas mir Wesentliches zu verbergen, weil ich finde, dass im Priesterberuf Echtheit gefragt ist und ich immer so das Gefühl hatte: Da ist etwas unausgesprochen im Raum - was jetzt nicht unbedingt jedes seelsorgliche Gespräch beeinflusst, aber von dem ich dachte: Ich halte eigentlich etwas Wesentliches Menschen vor, was mich prägt.
Florin: Inwiefern hat das mit dem Priesterberuf zu tun? Warum ist das so wichtig, das zu sagen, wenn man Priester ist?
Mönkebüscher: Ich kann nur für mich sprechen. Ich finde es für mich wichtig, weil ich eigentlich glaube, dass unser Beruf von Glaubwürdigkeit lebt. Es gibt Vermutungen, wie hoch der Anteil von homosexuellen Priestern ist, dass er vergleichsweise zur übrigen Bevölkerung eklatant höher ist. Aber irgendwie ist das so im mutmaßlichen Bereich und keiner will es dann sein. Ich finde, es braucht auch ein Gesicht. Wir reden über Minderheiten und ich finde, Minderheiten brauchen ein Gesicht – der Echtheit wegen.
Florin: Wie waren die Reaktionen?
Mönkebüscher: Alle positiv. Ich habe eine Mail bekommen, die so in Richtung Gesundbeten ging. Ansonsten ganz, ganz viele positive Mails, bundesweit, darüber hinaus, von Kollegen teilweise, aber auch von Menschen, die jetzt gar nicht betroffen sind im Sinne von sexueller Veranlagung, sondern von Lebensgeschichten, wie eng erzogen, wie sie gelitten haben unter einer engen Sexualmoral.
Florin: Eigentlich dürfte es einen katholischen Priester wie Sie nicht geben. Der Vatikan hat 2005 in einer Instruktion erklärt, dass Männer – wie es heißt – mit tiefsitzenden homosexuellen Neigungen nicht geweiht werden können. Es geht also nicht um praktizierte Homosexualität alleine, denn keusch müssen ja auch heterosexuelle Priester sein, es geht um die sexuele Orientierung. 2005, da waren Sie schon längst geweiht. Sie sind 1992 geweiht worden. Also, wie können Sie eine Institution vertreten, die Sie nicht haben will?
"Etwas Masochistisches?"
Mönkebüscher: Na ja, gut, es ist sogar 2016 noch mal durch Papst Franziskus aufgegriffen worden. Das ist eine Frage, die ich mir auch oft stelle. Hat das nicht auch was Masochistisches, also einer Institution nicht nur anzugehören, sondern auch für sie zu arbeiten, die mit diesem Themenbereich extreme Schwierigkeiten hat? Andererseits, finde ich, ist ja noch mal die Frage: Was ist auch der Kirchenbegriff? Ich bin nicht Pastor geworden, weil ich jetzt den Bischof von Paderborn oder den Papst in Rom so toll finde, sondern …
Florin: ... aber Gehorsam haben Sie versprochen.
Mönkebüscher: …, sondern habe diesen Beruf ergriffen um der Menschen willen. Gehorsam versprochen, ja. Wobei man da auch noch mal genauer hinschauen muss. Also, bedeutet Gehorsam, dass jeder alles schluckt, was das Lehramt vorgibt? Oder ist Gehorsam nicht auch etwas, was mit dem eigenen Gewissen zu tun hat, mit Gottesgehorsam zu tun hat, wo sich auch Dinge ändern können?
Florin: Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich in diesem Punkt etwas ändert, ist gering, weil gerade das Thema sexuelle Orientierung, auch das Thema Geschlecht in den vergangenen Jahrzehnten eher wichtiger geworden ist, und zwar das Beharren darauf, dass die katholische Kirche sich genau so nicht verhält, wie westliche Gesellschaften. Dass etwas, was früher noch als Straftat oder als Krankheit galt, dass das jetzt anerkannt wird, dass das normal ist, dass die Menschen dieselben Rechte haben - die katholische Kirche schlägt dazu genau die gegenläufige Tendenz ein. Die hat die Diskriminierung eher noch betont.
"Eine offene Rede ist unter Papst Franziskus möglich"
Mönkebüscher: Ja, sagen wir mal, was das Lehramt betrifft, da würde ich Ihnen recht geben. Die katholische Kirche ist ein bisschen mehr als nur das Lehramt. Ich will das damit nicht abwerten, aber es ist so in den letzten Jahren – alleine, dass wir jetzt darüber sprechen - doch eine Menge an Diskussion aufgekommen. Stephan Goertz, Moraltheologe in Mainz, hat 2015 ein Buch herausgegeben – "Wer bin ich, ihn zu verurteilen?", also in Anlehnung an dieses Papstwort in Bezug auf einen homosexuellen Menschen, wo ganz viele Theologinnen und Theologen unterschiedlicher Fachrichtung gearbeitet haben zu dem Thema und alle zu anderen Ergebnissen kommen, als es das Lehramt vorschreibt, und betonen, es muss dringend eine Revision her, eine Neuschreibung eigentlich in der gesamten Sexualmoral. Stephan Goertz sagt zum Beispiel selbst, 2013 hätte er dieses Buch noch nicht herausgeben können. Also, es hat sich – zum Glück – unter dem Pontifikat von Papst Franziskus zumindest dahin gehend etwas geändert, dass eine offen Rede möglich ist. Das war bis dahin nicht möglich, im Gegenteil.
Florin: Der Limburger Bischof (Georg) Bätzing wurde vor einigen Tagen bei einer Diskussion vom Publikum gefragt, warum es keine Segnung für homosexuelle Paare gibt in der Katholischen Kirche. Und da lautete seine Antwort unter Berufung auf Papst Franziskus: "Wenn der Bischof Georg sagt, in Limburg gibt es Segensfeiern für Homosexuelle, dann gibt es morgen den Bischof Georg nicht mehr, weil der Heilige Vater sagt, dass der Bischof nicht mehr die Verbindung zur Kirche hat." – Das lässt doch nicht erwarten, dass sich da beim Papst oder bei den Mehrheitsverhältnissen in der deutschen Bischofskonferenz etwas in diesem Punkt ändert, in die Richtung, in die Sie sich das wünschen.
"Es gibt Segensfeiern, teils im Verborgenen, teils mit Wissen der Bischöfe"
Mönkebüscher: Nun ist über dieses Wort von Bischof Bätzing sehr viel gesprochen worden, diskutiert worden. Der gleiche Bischof hat in seinem Bistum allerdings auch eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen oder unterstützt, die sich eben gerade mit diesem Themenbereich beschäftigt. Ich sehe eigentlich schon - katholische Kirche ist langsam - eine Veränderung, eine Diskussion, die jetzt stärker ist als vor Jahren. Wohin die führt, weiß ich nicht. Andererseits sagt er: "Wenn der Bischof von Limburg sagt, es würde Segensfeiern geben, dann …" Es gibt sie ja! Das wissen wir. Also, es gibt Segensfeiern, teilweise im Verborgenen, teilweise mit Wissen der Bischöfe. Der eine greift ein, der andere nicht. Also, wir haben ja schon eine Pluralität, um es neutral auszudrücken.
Florin: Meinen Sie, Sie wären vor – sagen wir mal – zehn Jahren suspendiert worden nach einem solchen Outing?
Mönkebüscher: Vor zehn Jahren hätte ich es nicht gesagt. Das Klima war ein anderes. Das habe ich ja in meinem Buch auch geschrieben, dass ich die Zeit meiner Ausbildung und danach schon als eine Zeit erlebt habe, in der man nicht offen reden konnte, wo es eher sogar in Richtung Denunziation ging. Von daher hätte ich mich vor zehn Jahren garantiert nicht geoutet. Habe ich ja auch nicht. Und es hatte ja einen bestimmten Anlass. Der Anlass war eben Bischof Overbeck im Januar, dass er ein deutliches Wort gesprochen hatte, wo dann die Leiter einiger Priesterseminare sich drangehängt haben und gesagt haben, sexuelle Orientierung spielt für sie keine Rolle, sondern das Zölibatsversprechen, was beide Gruppierungen der Priester in gleicher Weise betrifft.
Florin: Sie sind nicht der einzige schwule Priester. Sie haben vorhin gesagt, da gibt es unterschiedliche Zahlen, aber die Zahlen schwanken zwischen 30 und 50 Prozent. Also, es ist eine große Gruppe. Warum gibt es keine Solidarität derer, die etwas verändern wollen? Warum hat jeder Einzelne Angst, dann damit alleine zu stehen, wenn er sagt: "Ich bin homosexuell und ich möchte Priester bleiben"?
"Wir sind als Einzelkämpfer ausgebildet worden"
Mönkebüscher: Gut, das ist ein bisschen aus der Geschichte heraus erklärlich. Es war halt nicht so. Man sprach nicht darüber, weil man wusste durch das Papstwort 2005 oder 2016: Das darf nicht sein. Also, was nicht sein darf, gibt es nicht – Fragezeichen. Insider schätzen im Übrigen die Zahl noch höher ein als 50 Prozent. Wir sind ja alle – zumindest meine Generation – noch ganz stark als Einzelkämpfer ausgebildet worden.
Es braucht einen Zeitpunkt, den kann nur jeder persönlich bestimmen, wo er sagt: Ich öffne mich da jetzt. Ich bin 53, also, ich habe es ja auch erst jetzt getan. Das ist das eine. Das andere ist: Es gibt sicherlich eine Reihe von Kollegen, die in der Kirche Karriere machen möchten. Das (Homosexualität) ist ein Makel. Es gibt eine Reihe von Kollegen, die sich gut eingerichtet haben, die keinen Scheinwerfer auf sich gerichtet möchten, weil ich bislang noch einer der wenigen bin, der in der Öffentlichkeit präsent ist. Es gibt Kollegen, die es für sich vielleicht noch gar nicht so stark reflektiert haben, es für sich auch nicht akzeptieren können, nicht wahrhaben wollen, sich in andere Dinge hineinflüchten. Also, es gibt da ganz unterschiedliche Umgehensweisen.
Sie sprechen eine wichtige Sache an, nämlich die Solidarität, das Sich-zusammenschließen. Ich habe am Samstag noch mit einem Kollegen gesprochen. Der sagte, es wäre vor Jahren, Jahrzehnten sogar stärker gewesen, dass sich schwule Priester zusammengeschlossen haben. Es ist aber dann irgendwann ein bisschen eingeschlafen, weil es teilweise auch seitens der Bischöfe einen relativ demütigenden Umgang gab.
Florin: Wie äußert der sich?
Stichwort Denunziation
Mönkebüscher: Ja, dass man eben auf Denunzierung stark eingeht, mit Unterstellungen arbeitet, dass es … ja, dass man stark im Fokus ist. Dadurch erklärt sich bei manchen schwulen Priestern auch, dass sie – ich sage mal – übertrieben fromm sind oder - was heißt übertrieben? - also sehr stark kirchenkonform in anderen Fragen, um nicht aufzufallen. Es hat auch damit zu tun, gar nicht auffallen zu wollen, sich irgendwie durchzuwurschteln.
Florin: Sie haben das Stichwort Denunziation genannt. Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Denunziation, die Sie erlebt haben. Da ging es aber nicht um Homosexualität, sondern um die Kommunion. Sie haben einem evangelischen Christen die Kommunion, die Hostie gegeben, und zwar bewusst. Sie wussten, dass er evangelisch ist und sie eigentlich nicht bekommen darf. Und das wurde dem Bischof gemeldet. Was ist dann passiert?
Mönkebüscher: Ja, es gab ein Gespräch mit dem Bischof. Das ist jetzt, glaube ich, schon sieben, acht Jahre her. Ich habe bis heute nicht erfahren, wer mich verpfiffen hat. Ich habe den Wortlaut dieses Briefes oder dieser Mail nicht gesehen, sondern ich wurde einfach nach einem Briefwechsel zu einem Gespräch einbestellt. Es war eigentlich ein Gespräch, das eine gewisse Hilflosigkeit in diesem Thema mit sich brachte, denn ich habe versucht, mich noch mal zu erklären, dass ich bei vielen gar nicht weiß, ob die katholisch oder evangelisch sind. In Altenheimen, wenn Gottesdienst ist, da kann ich gar nicht fragen. Teilweise verstehen die Menschen die Frage nicht mehr, wo Demenz in einem gewissen Grade vorhanden ist. Im Übrigen war es hier eine Situation, dass der evangelische Christ ein evangelischer Kollege war, also ein evangelischer Pastor, der von seiner Herzenshaltung fast einen eucharistischen Glauben mit sich bringt, soweit ich das beurteilen kann. Ja, es gab ein Monitum. Das ist so eine Verwarnung. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, der Bischof muss mit mir darüber sprechen.
Florin: Und jetzt nach diesem Buch, haben Sie da auch eine offizielle Reaktion bekommen, zum Beispiel dass Sie zum Bischof zitiert wurden?
Mönkebüscher: Nein, gar nicht. Das wäre ja auch nach den Worten von Bischof Overbeck oder des Leiters des Paderborner Priesterseminars etwas seltsam. Ich habe in dem Buch nur beschrieben, wie ich Dinge erlebe, wie ich bin, wie ich fühle. Ich habe ganz viele Anfragen geäußert - Stichwort Frauenpriestertum, Zölibat, kirchliche Sprache, Dinge, die ich wahrnehme, wie teilweise Bischöfe – ich sage das mal etwas salopp – herumeiern, um Lösungen zu finden. Das sind Fragen, Anfragen, die sogar als Dialog gedacht sind. Also, da sehe ich jetzt keinen Grund dafür, eins auf den Deckel zu kriegen.
"Die Hoffnung stirbt zuletzt"
Florin: Meinen Sie, es findet eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Ihren Gedanken statt? Oder könnte es nicht auch nur darum gehen, Märtyrer, Opfer zu vermeiden, also zu vermeiden, dass Sie sich dann hinstellen können und können sagen: "Da wurde ich jetzt zensiert"?
Mönkebüscher: Also, es sind nicht nur meine Fragen. Sie tauchen ja sehr stark auf. Es sind ja gerade in diesem Jahr schon eine Reihe von Büchern erschienen. Von Michael Seewald, wo es um Reformen geht. Daniel Bogner, wo es um die kirchliche Verfasstheit geht. Stichwort Gewaltenteilung. Dann gibt es im Übrigen eine Aussage des emeritierten Weihbischofs Geerling aus Münster, der genau gegenteilig zu Bätzing gesagt hat, nach seiner Meinung kann die Kirche homosexuelle Paare segnen. Es gibt eine Meinungsvielfalt. Das zeigt mir eigentlich an, dass schon eine Diskussion da ist. Inwieweit sie konsequent geführt wird, beispielsweise jetzt im synodalen Weg, kann ich nicht beurteilen. Manchmal habe ich Angst oder die Befürchtung, dass wird ein Satz mit X und manchmal denke ich, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Florin: Der synodale Weg ist ein Diskussionsprozess, den die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Katholiken, also der Vertretung der katholischen Laien, angestoßen hat. Was wäre Ihr Wunsch? Was soll bei diesem synodalen Weg herauskommen? Welche Kirche sollte das Ergebnis des synodalen Wegs sein?
"Die Bischöfe müssen sich positionieren"
Mönkebüscher: Ich finde, die Bischöfe müssen sich positionieren. Es reicht ja nicht zu sagen, in der Weltkirche ist ein Frauenpriestertum nicht denkbar. Damit habe ich ja noch nicht die Aussage: Wie stehst du denn dazu? Mein Bischof hier in Paderborn oder sonst wo, wie siehst du es denn? Wie vertrittst du das Anliegen der Menschen, die in deinem Bistum leben? Wie vertrittst du dieses Anliegen in Rom?
Florin: Erwarten Sie ernsthaft, dass sich Bischöfe positionieren, die sich seit Jahren nicht positioniert haben bzw. die sich wie Bätzing auf den Gehorsam gegenüber Rom berufen?
Mönkebüscher: Ich wünsche es mir. Und ich meine, man kann es erwarten. Und ich finde, es ist auch dran. Das hat für mich was mit Glaubwürdigkeit zu tun. Dann kann ich mit einem Bischof eher leben, der sagt: "Ich bin dagegen aus den und den Gründen." Dann, finde ich, ist das eine klare Position. Ich finde, das ist anders als so schwammige Aussagen: "Ja, Weltkirche und ich weiß auch nicht …".
"Es ist nicht fair, ein Thema gegen das andere auszuspielen"
Florin: ...aber neben den Unentschiedenen gibt es auch noch diejenigen, die sagen: "Wir sollen gar nicht so viel über Strukturfragen sprechen, nicht über den Zölibat, über eine Verwaltungsgerichtsbarkeit oder Frauenpriestertum, sondern wir müssen auf dem synodalen Weg über Evangelisierung sprechen, eine Evangelisierung steht an." Wie stehen Sie dazu?
Mönkebüscher: Natürlich geht es um Evangelisierung. Es gibt eine Untersuchung, dass 2025 die Zahl der Christen in Deutschland, glaube ich, erstmalig unter 50 Prozent rutscht. Was ich erst mal für eine normale Entwicklung halte, aber trotzdem doch die Frage dran ist: Was macht unser Christsein aus? Wie leben wir das? Mit Blick auf so eine große Frage: Die Frage Zölibat - beim Frauenpriestertum sehe ich es anders - ist nachrangig. Ich finde sie nicht nachrangig mit Blick auf jeden einzelnen Priester, denn ich weiß, dass viele Kollegen darunter leiden. Ich finde es auch nicht ganz fair, ein Thema auszuwischen und zu sagen, na ja, es gibt ja ein viel größeres Thema. Evangelisierung, das ist so, wie, wenn Ihr Sohn Zahnschmerzen hat und dann sagen Sie ihm: "Na ja, wenn du jetzt das Bein gebrochen hast, das wäre ja viel schlimmer." Der Zahn tut genauso weh.
"Ich geb doch mein eigenes Denken nicht ab"
Florin: Ihr Buch heißt "Unverschämt katholisch sein". Schämen Sie sich, katholisch zu sein?
Mönkebüscher: Manchmal ja. Dann gibt es ja noch die Kardinäle Müller und Brandmüller. Ich sage mal, wenn Äußerungen von Menschen dieser Kategorie durch die Medien gehen, dann können wir uns vor Ort natürlich von Gläubigen sagen lassen, ihr seid ja anders, also, mit Blick auch auf meine Kollegen oder so, aber es prägt Kirche in der Öffentlichkeit. Und das tut mir ehrlich gesagt weh. Kirche ist doch nicht ein Verein, der aus Gehorsamsgründen das nachbetet, was der Papst oder die Bischöfe vorschreiben. Ich gebe doch mein eigenes Denken nicht ab. Und ich glaube einfach, dass Kirche viel mehr sein kann. Und dass das, was sie auch an Gutem hat, sonst wäre ich ja gar nicht mehr drin, was Kirche ausmacht, dass das einfach untergeht durch diese Negativschlagzeilen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bernd Mönkebüscher: Unverschämt katholisch sein. Anstiftungen.
Echter Verlag 2019, 124 Seiten, 9,90 Euro.