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Honigsammler im Labor

Biologie. - Bienen gelten als Wächter des Ökosystems: wenn sie sterben, kann das ein Hinweis auf Umweltgifte sein. Um die wichtigen Nützlinge besser vor Insektiziden und Pestiziden zu schützen, entwickelten französische Wissenschaftler jetzt eigens ein neues Analyseverfahren.

Von Suzanne Krause |
    Eine künstliche Kinderstube für die Larven des Haustiers unter den Bienen, die so genannte Honigbiene, haben die Wissenschaftler vom nationalen Agrarforschungsinstitut in Frankreich im Labor aufgebaut. Der in-vitro-Bienenstock besteht aus einem Brutschrank, in dem die Larven wie Zellkulturen aufgezogen werden: in speziellen Plastikschälchen, die Imker zur Zucht von Bienenköniginnen verwenden. Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit im Brutschrank entsprechen exakt den Bedingungen in der Natur. Direkt nach dem Schlüpfen werden die Larven aus dem Bienenstock ins Labor umgesiedelt, in die Schälchen, eine Art Plastikwaben, in denen sie in der Nährflüssigkeit schwimmen.

    "Wir mussten eine Ernährung austüfteln, die zum Teil künstlich ist. Das Futter für die Bienenlarven besteht einerseits aus Gelee Royal, das war kein Problem. Beim Rest aber mussten wir schauen, die natürlichen Ingredienzien, Zucker und Proteine, die die Larven im Stock erhalten, so gut wie möglich zu rekonstruieren. Nur so ist es möglich, Larven in vitro aufzuziehen."

    Pierrick Aupinel, bei der INRA zuständig für die Forschergruppe zu Insekten, hat diese in-vitro-Zucht für Bienenlarven entwickelt. Damit konnte er einen Labor-Test entwickeln, der aufzeigt, welche Pestizide diesen nützlichen Insekten schaden.

    "Wenn wir im Labor komplett kontrollieren, mit welcher Nahrung und mit welcher Menge wir die Larven hochziehen, dann ist es ein Leichtes, jederzeit dem Futter dosiert eine Substanz beizumengen, dessen Giftigkeit wir testen wollen. Wir haben zwei Verfahrensweisen zur Auswahl: einer Gruppe verabreichen wir einmal eine hoch dosierte Menge, einer anderen eine geringe Menge während der gesamten Lebensphase der Bienenlarven. Setzen sie also einer chronischen Vergiftung aus."

    Geeicht haben die Forscher ihren Toxiditätstest mit Hilfe eines Insektizids, das bekannt dafür ist, Larven zu schädigen. Doch natürlich lässt sich auch jede andere Substanz auf ihre eventuellen Auswirkungen auf die Entwicklung der Bienen überprüfen. Sterben die Larven oder verkümmert ihr Wachstum, sind die Folgen vom Kontakt mit Pestiziden recht schnell offensichtlich.

    "Das Interessante an dem Test ist folgendes: wir können auch nachweisen, ob schädliche Auswirkungen eventuell erst mit zeitlicher Verzögerung eintreten. Denn wir beobachten die Bienen nicht nur während ihres Larvenstadiums, sondern noch bis ins Erwachsenenalter. So können wir vermeiden, ein Pestizid als harmlos einzustufen, das die Larven scheinbar nicht schädigt, aber das später bei den dann erwachsenen Tieren üble Langzeitfolgen auslöst."

    Vier Jahre haben Pierrick Aupinel und seine Mitarbeiter am Pestizid-Test für Bienenlarven geforscht, mit EU-Finanzen aus dem europäischen Hilfsfond für Bienenzucht. Auftraggeber dafür war die französische Kommission für biologische Versuche, zuständig bei der Marktzulassung neuer Insektizide. Denn damals gingen in Frankreich die Wogen hoch, machten die Imker massiv Lobbyarbeit gegen das Bayer-Produkt Gaucho. Dessen Wirkstoff Imidacloprid sei ihrer Meinung nach verantwortlich für das große Bienensterben im Land. Ins Visier nahmen die Bienenzüchter auch das Insektizid Regent mit dem Fipronil-Molekül. Seit 2004 dürfen nun beide Produkte in Frankreich nicht mehr eingesetzt werden. Ein Thema, das Bienenforscher Pierrick Aupinel nicht kommentieren möchte.

    "Unser Labor hatte nicht die Mission, zu überprüfen, welche Substanzen genau gefährlich sind, sondern war beauftragt, einen Test zu entwickeln, um aufzuspüren, ob Pestizide giftige Auswirkungen haben."

    Derzeit arbeitet Aupinel an der Standardisierung, an der Übertragbarkeit des Bienenlarven-Tests auf andere Labors. Daran beteiligt sind auch Kollegen aus ganz Europa, unter anderem aus Deutschland. Angestrebt wird, diese patentierte Methode europa-, wenn nicht weltweit bei Genehmigungsverfahren für die Marktzulassung neuer Pestizide einzusetzen. Erwiesen diese sich laut dem Test als schädlich für die Bienen, sollten sie keine Verkaufserlaubnis erhalten.