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Hopfen auf dem Teller und im Glas

Die Hallertau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Noch ist von den jungen Pflänzchen nichts zu sehen. Aber unter der Erde machen sich die neuen Sprossen schon bereit. Neuerdings lecken sich auch Feinschmecker die Finger nach den jungen Trieben, die als sogenannter Hopfenspargel auf die Teller kommen.

Von Marion Trutter |
    Es ist ein merkwürdiges Bild: Jetzt im März liegen die Hügel der Holledau noch ziemlich grau im Frühlingslicht. Bis zu sieben Meter hoch ragen spindeldürre Stangen in den Himmel - richtig gespenstisch, vor allem wenn morgens noch der Nebel über den Feldern hängt. Und irgendwo bei Mainburg - genauer am Rand von Ebrantshausen - kauern ein Mann und eine Frau mitten im Feld. Immer mal wieder stehen sie auf, hacken mit einer Harke die Erde auf. Dann knien sie wieder auf den Boden und buddeln. Was sie zutage fördern sind kleine weiße Dinger, die so ähnlich aussehen wie Sojasprossen. Es sind Hopfensprossen, wie Konrad Bogenrieder erklärt:

    "Die Hopfensprossen, die haben ja wir nicht erfunden. Das gibt es ja schon so lange wie es den Hopfen gibt. Und der Hopfen wurde schon um die Jahrtausendwende erwähnt. Und nach dem Krieg oder in den 50er-Jahren war das immer hier das Arme-Leute-Essen, ist dann etwas in Vergessenheit geraten durch den Einzug der Maschinen. Und in den 80er-Jahren haben meine Frau und meine Söhne gesagt: Mensch, das packen wir wieder an, das holen wir wieder raus aus der Nische. Und dann haben wir wieder angefangen, und dass es ein solcher Erfolg wird, damit haben wir eigentlich nicht gerechnet."

    So kam es, dass die Bogenrieders vor etwa 30 Jahren ein uraltes Gemüse zu neuem Leben erweckten: die Sprossen der Hopfenpflanze oder - was natürlich leckerer klingt: der Hopfenspargel. Und der ist heute Anlass für viele köstliche Frühlingsausflüge.

    Das Hügelland der Holledau, zwischen Donau und Isar gelegen, ist für den Hopfenanbau ideal: viel Sonnenschein und durchlässige Böden, die dennoch genügend Feuchtigkeit speichern. Seit rund 1300 Jahren wird hier Hopfen angebaut und an dürren Stangen aufgeleitet.

    "Der Hopfenstock selber, der wird im Frühjahr freigelegt, und es sind jede Menge überschüssige Triebe vorhanden. Und zum Aufleiten für die Hopfenrebe - letzten Endes ist ja der Hopfen gedacht für das Bier, und dadurch, dass pro Stock 30, 40 Triebe wachsen - und wir zum Aufleiten nur drei brauchen -, ist alles andere eigentlich Überschuss."

    Da die Holledauer nichts verderben lassen, sammelten die Bäuerinnen früher die überflüssigen Sprossen in der Schürzentasche und bereiteten daraus einen Salat oder ein Süppchen. Denn die Gegend war arm, außer Pökelfleisch, Kraut und Kartoffeln gab es im Winter nicht viel. Da kamen die frischen Vitamine im Frühjahr gerade recht. Die Pflege des Hopfenstocks erinnert ein wenig an den Anbau von normalem Spargel: Die Erde wird so angehäufelt, dass ein kleiner Wall entsteht: 30 bis 40 Zentimeter hoch, einen halben Meter breit. In diesem Grab ruht der Hopfenstock den Winter über. Im Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen beginnt der Stock zu treiben. Munter produziert er Sprossen und Triebe. Und wie die geerntet werden, können Besucher die Rita Bogenrieder sehen:

    "Wir haben die Erde vom Hopfenstock weggezogen, vorsichtig mit der Harke, weil: Wenn man zu fest dreinschlägt, bricht man die Sprossen ab. Wenn ich das freigelegt habe, breche ich die Sprossen ab - und zwar an der Stelle, wo der ganz leicht bricht. Das knackt dann. Hören Sie das? Und da ist die Stelle, wo man sagt: Vorne ist er zart und gut - und hinten ist er schon ins Holz übergegangen und da ist er dann nimmer zu genießen."

    Innerhalb von nur zwei bis drei Wochen im März und April - je nach Witterung - werden die jungen Sprossen der Hopfentriebe geerntet. Sie sind cremig weiß und schmecken schon direkt auf dem Feld: Erde mit den Fingern wegreiben - und ab in den Mund.

    "Die Leute, wenn sie auf den Hof kommen, und ich sage: Jetzt probierst du mal gleich einen Spargel und dann sagst du mir, wie der schmeckt. Und dann sind die Leute alle fast ein bisschen überfordert. Die wissen gar nicht genau, welchem Geschmack sie es zuordnen können. Wenn ich dann sage, wenn man als Kind auf einem Maisfeld war und hat dann so junge frische Maiskolben abgefieselt oder abgeknabbert, dann denke ich mir, der Geschmack kommt etwa hin: ein bisschen wie junger Mais, bisschen wie junge Nüsse, auf alle Fälle knackig, frisch und schon ein bisschen ganz leicht bitteren Geschmack."

    Manch eine Hausfrau fand in alten Kladden noch Großmutters Rezepte - und die haben in den letzten Jahren vermehrt auch die Wirte der Holledau wieder entdeckt. Seitdem ist die Gegend schon in den Wochen vor Ostern ein beliebtes Ausflugsziel: Die Leute besuchen den Hallertauer Lehrpfad und das Deutsche Hopfenmuseum in Wolnzach, die Befreiungshalle und das Kloster Weltenburg bei Kelheim, die Wallfahrtskirchen von Pfeffenhausen und Hohenthann oder den Dom zu Freising. Und als Krönung der Tour gibt es während der Saison - natürlich Hopfenspargel. Auf die klassische Art bereitet ihn Hans-Peter Rickinger vom Gasthof Kuchlbauer in Abensberg zu:

    "Ich mache Hopfenspargel als Suppe, als Salat, aber am liebsten verkaufe ich ihn als Gemüse, weil er da richtig zur Geltung kommt. Ich nehme nur Butter, etwas Frühlingszwiebeln - und schwitze es dann mit Hopfenspargel an und gebe dann nur Creme fraiche, Sahne, Salz und Pfeffer dazu. Ich mache das zu einem pochiertem Lachs, zu Schweinefilet, zu einem Rehrücken, zu Wildschweinfilet, kann man eigentlich zu allem essen - oder auch nur zu Reiberdatschi, das ist dann auch vom Preis her akzeptabel für die Leute - und sie können ihn mal kosten."

    Doch die Erfolgsgeschichte des ureigenen Hallertauer Gemüses geht noch weiter. Längst versuchen sich Köche auch an gewagteren Kreationen mit den Hopfensprossen. So wie Paul Grasmeier von der Espert-Klause in Mainburg:

    "Hopfenspargel ist irgendwie ein verrücktes Gemüse und man kann auch verrückt kochen damit. Man muss nur vorsichtig sein mit der Würzung, man darf nicht zu starke Gewürze verwenden, die vielleicht das alles abtöten. Das wäre dann zu viel des Guten."

    Und wie sieht es dann aus, wenn der Meister mit dem verrückten Gemüse verrückt kocht? Am liebsten kombiniert Paul Grasmeier bayerische und asiatische Elemente:

    "Ich mache jetzt eine Weißbierschaumsuppe mit einem Hopfenspargel-Frühlingsrolle, was praktisch eine Verbindung ist schon zwischen bayerisch und asiatisch. Und typisch asiatisch wäre gebratene Hopfenspargel mit Wurzelgemüse wie Karotten, Sellerie, Lauch und da kommt so eine Bockbier-Chilisauce dazu. Das ist dann ein bisschen scharf, erinnert so ein bisschen an diesen Sojasaucengeschmack, nur ist natürlich dieses Malzige vom Bockbier im Vordergrund. Also das wären die extremen Unterschiede vom Bayerischen, also von der Hopfenspargelsuppe, zum Asiatischen."

    Beim sechsgängigen Hopfenspargelmenü gibt es als Käsegang eine Camembert-Praline auf Hopfenspargeltatar und als Dessert Schokoladen-Rahmeis mit grünem Hopfentriebe-Eis. Und natürlich serviert der Wirt auch zu jedem Gang ein frisch gezapftes Bier - vom Huraxdax-Weißbier bis zum Sünden-Bock.

    Infos im Internet unter www.hallertauer-hopfenspargel.de
    Die jungen Triebe des Hopfens gelten als Delikatesse.
    Die jungen Triebe des Hopfens gelten als Delikatesse. (M. Trutter)