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Hoquetus - im Hin und Her der Töne

Im hohen Mittelalter beginnen Komponisten, die Autorenschaft für Musik zu reklamieren. Gleichzeitig schreiben sie eine Musik, die in besonderer Weise auf die soziale Kompetenz einer Gemeinschaft gerichtet ist. Beim "Hoquetus" wird die Melodie auf die verschiedenen Sänger verteilt. Die Klänge springen hin und her, eine orgiastische Pulsation entsteht: der Einzelne gilt darin nichts, die Gruppe alles.

Von Thomas Beimel |
    Später verschwindet diese Praxis aus Europa - aber nicht aus der Welt. Der spanische Musikethnologe Polo Vallejo hat kürzlich Vergleichbares bei den Wagogo in Tansania gelebt, wenngleich deren Musikpraxis allen europäischen entgegengesetzt ist: es gibt keine Form der Unterweisung, jeder singt auf seine Weise und doch ergibt sich ein kunstvolles Miteinander. Der deutsche Ethnologe Max Peter Baumann berichtet von den Andenbewohnern: in ihren Panflötenorchestern versinnbildlichen sie das komplementäre Prinzip, das in ihrer Kosmologie fest verankert ist.

    Thomas Beimels Feature beleuchtet traditionelle Kulturen in fernen Regionen und fragt, weshalb, wie und mit welchem Gewinn und Verlust man im Europa der Hoquetus-Technik das Individuum erfand.