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Hormone in Kosmetika
Krebskrank vom Duschgel?

In einigen Kosmetika wie Duschgel, Zahnpasta und Haarshampoo sind hormonell wirksame Substanzen enthalten, sogenannte endokrine Disruptoren. Wissenschaftler haben sie im Verdacht, zum Teil schwerwiegende Krankheiten wie Diabetes und Krebs auszulösen.

Von Daniela Siebert | 14.09.2017
    Kunden gehen am 15.04.2015 durch einen Drogeriemarkt dm in Stuttgart.
    Der Deostift als Risikofaktor? Viele Kosmetika enthalten hormonell wirksame Schadstoffe. (dpa/ picture alliance/ Daniel Naupold)
    Kosmetika gehören zu den wichtigsten Quellen, über die endokrine Disruptoren in unsere Körper gelangen, betont Josef Köhrle, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, DGE. Seine medizinische Fachgesellschaft befasst sich mit der Wirkung von Hormonen. Kosmetika verdienen demnach eben so viel Aufmerksamkeit wie Essen, Trinken und Atmen, die anderen Kanäle, über die diese schädlichen Substanzen aufgenommen werden. In uns drin können sie gefährliche Wirkungen haben, warnt Josef Köhrle.
    "Sie können wirken wie Hormone, sie können an Hormonrezeptoren verhindern, dass Hormone wirken, sie können die Bildung von Hormonen beeinflussen, den Abbau von Hormonen möglicherweise verstärken oder das Hormongleichgewicht, das sehr fein austariert ist, stören."
    Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung
    Das kann laut der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie viele höchst unterschiedliche Folgen haben: von Entwicklungsstörungen bei Kindern über Unfruchtbarkeit bei Erwachsenen bis hin zu Übergewicht, Diabetes und Krebs. Es gebe Hunderte hormonell wirksame Substanzen, die in heutigen Industrieprodukten vorkämen, so Köhrle. In den Kosmetika hebt er vor allem auf zwei Substanzen ab: Triclosan und Phthalate.
    "Triclosan, eine antibakteriell wirksame Substanz, die da eigentlich gar nicht nötig ist. Dann gibt es noch gewisse Weichmacher, die da eigentlich nicht drin sein müssen, aus der Gruppe der Phthalate, theoretisch müssten sie deklariert werden, sie können aber auch in gewissen Bestandteilen in den dazu verwendeten Fetten enthalten sein, und sind dann möglicherweise nicht deklariert."
    Ob die Kosmetika länger auf der Haut bleiben - wie zum Beispiel Creme - oder schnell wieder abgespült werden - wie zum Beispiel Shampoo -, das ist für den Wissenschaftler kein entscheidendes Kriterium für das Risiko:
    "Es gibt einen Fall vor ein paar Jahren, wo bei Jungs, die sich mit Duschgelen regelmäßig gewaschen haben, es zu nicht angemessenem Brustwachstum in der Jugend kam. Da haben wir gelernt."
    Die Gefahr der Einlagerung
    Einen Produktnamen will der Mediziner nicht nennen, das Duschgel sei aber nicht mehr auf dem Markt, beruhigt Köhrle. Bedeutende Unterschiede sieht der Mediziner darin, wie sich die endokrinen Disruptoren im Körper verhalten. Manche würden schnell wieder ausgeschieden, andere lagerten sich aber ein und wirkten dann auch entsprechend länger.
    "Ein großer Anteil dieser Substanzen, um die es hier geht, sind kleine Moleküle, die sehr fettlöslich sind, damit kommen wir in den Weg der Einlagerung über das Fettgewebe und damit auch der langfristigen Kontamination."
    Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung befasst sich von Amts wegen mit der Wirkung von Inhaltsstoffen in Kosmetika. Es warnte schon vor Jahren, Triclosan gehöre nur in Arztpraxen und Kliniken. In Sachen Phthalate verweist es Verbraucher auf die Internetseite reach-info.de. Dort könnten sie unter dem Stichwort Auskunftsrecht mit Hilfe des Strichcodes auf dem Produkt Anfragen an die Hersteller einreichen, ob fortpflanzungsschädliche Phthalate enthalten sind. Allerdings meldet die Internetseite aktuell nur einen Server-Umzug. (Inzwischen ist die Webseite wieder zu erreichen, Anm. der Redaktion.) Derartige Anfragen lassen sich aber auch über die Smartphone-App "scan4chem" stellen. Die Antwort muss binnen 45 Tagen erfolgen.
    Die Umweltorganisation BUND bietet außerdem die App Toxfox an, auch hier kann man über den Produktcode 16 endokrine Disruptoren abfragen, die in Kosmetika vorkommen können. Etwa bestimmte Parabene oder der viel verwendete UV-Filter Ethylhexylmethoxycinnamat. Wer ganz sicher gehen will, kann auch Naturkosmetik selbst herstellen oder unverarbeitete Rohstoffe nutzen, zum Beispiel Jojobaöl zur Hautpflege.