Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Hormonwirksames Bisphenol A in Kindertagesstätten

Bisphenol A ist eine Massenchemikalie, denn sie steckt in vielen Dingen unseres alltäglichen Kunststofflebens. Verboten ist BPA, wie es auch heißt, seit März in Babyflaschen. Die Substanz hat Nebenwirkungen auf den Hormonhaushalt, vor allem bei Kindern. Der BUND hat die Chemikalie nun in Kindertagesstätten nachgewiesen und schlägt Alarm.

Von Ralph Ahrens | 02.08.2011
    Kinder toben und tollen, spielen und basteln in einer Kindertagesstätte irgendwo in Deutschland. Das ist gut so. Doch sie können dabei Chemikalien aufnehmen, die in ihr Hormonsystem eingreifen. In welchem Maß Kinder solchen Giften ausgesetzt sind, ließ der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland an Hausstaubproben aus 107 Kitas testen. Sarah Häuser fast das Ergebnis zusammen.
    "Also, es sind alle auf jeden Fall mit Weichmachern belastet. Und auch fast alle mit Bisphenol A. Da gibt es aber auch schon Unterschiede. Einige sind sehr, sehr hoch belastet. Es gibt eine ganze Reihe von Kitas, die sehr hoch belastet sind."

    Ein Kilo Hausstaub enthält im Mittel drei Gramm an Weichmachern für den Kunststoff PVC, den Phthalaten. Von Bisphenol A findet sich im Staub jedoch fast tausend mal weniger: nur 4,4 Milligramm. Das hält Sarah Häuser dennoch für bedenklich. Im Tierversuch zeige sich, dass Bisphenol A auch in geringsten Mengen wirke und etwa bei männlichen Mäusen und Ratten die Zahl der Spermien senken kann. Zudem wisse niemand, wie dieser Stoff mit anderen hormonell wirksamen Stoffen wie mit den Weichmachern wirkt.

    "Wir verlangen von der Politik, dass sie auf jeden Fall generell hormonelle Schadstoffe in Alltagsprodukten verbietet. Weil, das ist ja nicht nur ein Problem der Kitas, sondern ein allgemeines Problem – Kinder kommen auch im Elternhaus oder an anderen Orten mit hormonellen Schadstoffen in Kontakt."

    Doch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner fühlt sich nicht zuständig und verweist auf die EU. Sie entscheide über Stoffeinsatzverbote. Ab und an tut sie das auch: Bisphenol A darf seit Kurzem – seit Juni 2011 – in keiner Babyflasche mehr eingesetzt werden. Weil weitere Einsatzverbote nicht in Sicht seien, rät die Umweltschützerin zur Selbsthilfe.

    "Kommunen und Kitaträger sollten auf jeden Fall darauf achten, dass sie beim Neubau von einer Kita oder bei Neuanschaffungen, die man für eine Kita tätigt, dass man so ein Auge dafür hat, was man anschafft, und dann vor allem eben Produkte aus Weich-PVC und Produkte, die Bisphenol A enthalten könnten, vermeidet."

    Die Stadt Köln geht hier voran. Der städtische Jugendhilfeausschuss beauftragte im März das Gesundheitsamt, eine Positivliste für Mobiliar und Spielsachen in Kitas und Schulen zu erstellen, erinnert sich Kirsten Jahn, jugendpolitische Sprecherin der Grünen in Köln.

    "Bei dem Antrag geht es darum, dass wir eine Empfehlungsliste für Kindergärten allgemein ausgeben wollen, damit Erzieherinnen und Erzieher, wenn sie Mobiliar kaufen, wenn sie Tischdecken kaufen, wenn sie Tapeten kaufen, einfach wissen, dieses Produkt kann ich gut kaufen oder von diesem Produkt lasse ich lieber die Hände weg."

    Diese Positivliste wird zurzeit fertiggestellt. Die Vorgabe wird sein, dass Kitas und Schulen nur Produkte kaufen sollen, die keine oder nur sehr wenig Schadstoffe wie Bisphenol A enthalten, damit die Kinder möglichst schadstofffrei spielen, toben und lernen können.
    Die grüne Abgeordnete Jahn ist stolz darauf.

    "Ich weiß jetzt von keiner Stadt, die so weit ist wie Köln."

    .... und die Stadt will diese Empfehlungsliste nicht für sich behalten.

    "Die Liste wird dann veröffentlicht. Sie soll auch im Internet veröffentlicht werden, sodass auch Eltern Zugriff auf die Liste haben, damit sie auch wirklich so weit wie möglich Wirkung entfalten kann."

    Denn es geht nicht nur um Kitas. Fast jeder von uns nutzt Produkte, die die umstrittene Stoffe wie Phthalate oder Bisphenol A enthalten.