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Hort der Moderne

Müller-Ullrich: Und damit nach New York, wo das Museum of Modern Art von New Yorkern und inzwischen auch Berlinern und der Kunstwelt sowieso liebevoll zu MoMA abgekürzt, nach einer exorbitanten Renovierung neu eröffnet wird. Hanno Rauterberg, Sie hatten Gelegenheit schon mal einen Blick in das Kunstgehäuse in Manhattan zu werfen und da das MoMA schlicht und einfach eines der wichtigsten Museen auf der Welt ist, wollen wir es jetzt natürlich genau wissen. Wie sieht es denn nun aus?

Hanno Rauterberg im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Rauterberg: Äußerlich sieht es erstaunlicherweise völlig unspektakulär aus. Man hat eine gewaltige Summe ausgegeben von 858 Millionen Dollar, also eine Summe, von der man in Deutschland zehn neue Museen bauen könnte, aber das sieht man dem Gebäude interessanterweise nicht an. Das kann man gut finden, weil natürlich in den letzten Jahren sehr viele Museen gebaut worden sind, die die Architektur unheimlich weit nach vorne spielen, also wo sozusagen die Architektur letztlich die Kunst überlagert und das eigentlich Wichtige ist. Das kann man vom neuen MoMA nicht sagen. Eher ist es ein Gebäude, das einen fast kalt lässt, irgendwie beliebig aussieht. Entworfen übrigens von einem Japaner Yoshio Taniguchi, der bislang in der westlichen Welt nicht bekannt war und das ist wohl auch ganz gut so, dass er das nicht war.

    Müller-Ullrich: Warum sagen Sie das so kritisch, gefällt es Ihnen nicht, was das raus gekommen ist?

    Rauterberg: Ich finde es schon erstaunlich banal. Man kann ja ein Haus bauen, das zurückhaltend ist und gezügelt ist so wie dieses, das aber trotzdem ein paar Einfälle hat, das ein paar räumliche Erfahrungen hat, die man nur im Museum machen kann und davon habe ich zumindest nichts bemerkt.

    Müller-Ullrich: Beschreiben Sie doch mal ganz konkret, worin sich die Banalität zeigt?

    Rauterberg: Es sind große weiße Flächen im Prinzip, es sieht aus wie ein Richard Meyer-Bau, nur sehr viel plumper. Es gibt mehr eine Containerarchitektur, könnte man fast schon sagen. Man kommt rein, es sind einfach nur strenge Glasplatten, es gibt nicht Spielerisches, nichts was einen wirklich überraschen würde.

    Müller-Ullrich: Architekten stehen ja oft im Wettstreit mit der Kunst, wenn sie Museen bauen, so dass man andererseits sagen könnte, das ist doch prima, jetzt kommt die Kunst zur Geltung und ich glaube so ähnlich hat sich ja auch der Architekt geäußert, dass man mal warten muss, wie bei japanischen Teegeschirr, das ja auch erst zur Geltung kommt, wenn der Tee eingegossen ist.

    Rauterberg: Naja, es gibt eine große architektonische Idee im Gebäude, das ist das Atrium. Es ist ein sehr hoher, sehr weiter Raum, der aber auch nicht wirklich eine großartige Idee besitzt, also nicht irgendwelche schönen Durchblicke eröffnet, in dem aber trotzdem Kunst hängt und in diesem Raum kommt die Kunst dann nicht besonders zur Geltung. Da steht der gebrochene Obelisk von Barnett Newman, das ist eigentlich eine unglaublich gewalttätige und große rostige Skulptur, die eigentlich für den Außenraum gedacht ist, die dann aber fast winzig wirkt in dem Gebäude. Dann hängt da dieses sehr großes Seerosengemälde von Monet, das ja auch sehr schön in der MoMA-Ausstellung in Berlin gezeigt worden ist und das wirkt plötzlich verzwergt in diesem Raum. Man hat dazu dann noch so eine Art Stahlzaun davor gehängt. Da merkt man doch, dass das MoMA in solchen Situationen erstaunlich unsicher ist mit seiner eigenen Kunst und die Kunst nicht wirklich toll zur Geltung bringt. In den oberen Räumen ist das dann anders, da merkt man dann schon eine hohe Professionalität und auch durchaus einen neuen Geist, der in diesen Galerien dort oben zu spüren ist.

    Müller-Ullrich: Wenn Sie sagen "verzwergt", ist das nicht auch ein bisschen das amerikanische Problem der schieren Größe? Und da komme ich noch mal darauf zurück, was Sie über das Geld sagten. Diese enorme Summe, wofür wurde die denn dann ausgegeben, wenn das Ergebnis eher banal ist?

    Rauterberg: Es wurde schon letztlich die Ausstellungsfläche verdoppelt, zudem war das Museum zwei Jahre fast geschlossen, das sind natürlich ungeheure Einnahmeausfälle, die es da gibt. Man hat auch neue Gebäude für die Weiterbildung gebaut, also da gibt es schon verschiedene Aspekte und man hat - das muss man Taniguchi schon nachsagen - sehr viel Geld auch darin investiert, die bereits bestehenden Gebäude wieder frei zu legen, zu sanieren, also den Bestand wieder deutlicher sichtbar zu machen, beispielsweise den Philip Johnson-Bau aus den 30er Jahren zu restaurieren. Das sind natürlich auch alles Dinge, die Geld verschlucken.

    Müller-Ullrich: Jetzt herrscht ja so eine vibrile Erwartung hinsichtlich der bevorstehenden Eröffnung. Wie spüren Sie das denn in der Stadt, wie wird das denn in New York aufgefasst, die Wiedereröffnung des MoMA?

    Rauterberg: Es gibt natürlich schon eine unglaubliche Erwartung, gerade weil das Ding zwei Jahre lang geschlossen war, gucken jetzt alle sehr gespannt. Gestern hatte die New York Times schon eine ganze Doppelseite vorgesehen und heute gibt es noch mal einen großen Bericht, die großen Fernsehstudios berichten alle schon im Frühstücksfernsehen darüber, also es gibt schon eine große Erwartung. Wobei allen schon auch klar ist, dass das Ganze eher ein konservatives Unterfangen ist. Zwar sagt der Chef des MoMAs Glenn Lowry, das Ganze sei eigentlich ein Laboratorium. Aber wenn man dann durch geht merkt man doch, dass da nichts wirklich dampft oder brodelt, es gibt keine Explosion oder keine giftigen Gase. Man hat zwar jetzt - und das ist ganz neu - der zeitgenössischen Kunst, also der Kunst nach 1970, eine ganz eigene Etage gewidmet. Vorher war die in zwei Räumen abgestellt, aber auch dort herrscht eine ganz merkwürdige, fast biedere Atmosphäre, man hat von allem so ein bisschen aufgestellt. Man konnte sich nicht so richtig entscheiden. Man merkt, dass das Museum der Moderne Schwierigkeiten hat mit dem, was zeitgenössisch ist, also mit dem, was heute eigentlich modern ist.

    Müller-Ullrich: Ist das ein Problem der Ankaufspolitik, der Sammlung oder der Ausstellung als solcher?

    Rauterberg: Ich glaube, das ist vor allem ein Problem der Institution. Man darf nicht vergessen, dass es kein Staatsmuseum ist und der Direktor nicht ein Alleinherrscher ist, wie ja idealerweise im deutschen Museum das wäre, sondern dass er sehr stark abhängt von den Stiftungsräten, von den Trustees, die das Geld geben und natürlich auch mitsprechen wollte. Auch der Museumsgründer, Alfred Barr ist fast mal rausgeflogen, weil er von Meret Oppenheim eine Pelztasse gekauft hat. Es gibt da schon einen gediegenen Konservatismus. Es sind alles ältere Herrschaften, die sehr viel Geld haben und natürlich die Kunst vor allem des Genusses halber kaufen. Das spielt so mit hinein.

    Müller-Ullrich: Immerhin lebt die Kunst auch von älteren Herrschaften, die sehr viel Geld haben. Vielen Dank für die Auskünfte, Hanno Rauterberg.